„Kann Kündigungen nicht ausschließen“
Der Chef des Düsseldorfer Flughafens über Stillstand, Stellenabbau und Corona-Schutz beim Einchecken.
Herr Schnalke, heute starten in Düsseldorf pro Tag rund zwölf Jets, früher waren es rund 300 am Tag. Wie sehen Sie die Lage?
SCHNALKE Die Lage ist dramatisch. Es findet derzeit fast kein Luftverkehr statt. Das drückt auch auf die Stimmung im Unternehmen: Wir wollen Passagiere begrüßen und Luftverkehr ermöglichen. Jetzt machen wir nur erhebliche Verluste. Alleine das Aufrechterhalten des Betriebes auf Bitten von Bund und Land kostet uns zehn Millionen Euro im Monat.
Was muss geschehen?
SCHNALKE Es wäre angemessen, wenn der Staat den Flughäfen als wichtige Infrastruktur die anfallenden Bereitstellungskosten vergütet. Das wäre keine Staatshilfe, sondern eine faire Kompensation für eine wichtige Dienstleistung.
Wann wird sich die Lage bessern? SCHNALKE Das ist die große Glaskugel. Die Reisebeschränkungen in praktisch alle Länder sind erst einmal verlängert worden. Im Sommer und Herbst wird es voraussichtlich etwas aufwärts gehen, aber auf einem sehr niedrigen Niveau. Für die Jahre 2021 bis 2024 rechnet die Branche damit, dass der Flugverkehr 20 bis 30 Prozent niedriger sein wird als zuletzt in 2019.
Wird es nicht eine große neue Reisewelle nach Corona geben? SCHNALKE Ich sehe da gegenläufige Trends: Ja, wir werden einen hohen Nachholbedarf nach Urlaub erleben. Aber die Sorge vor Ansteckung wird fortbestehen. Selbst wenn es eine Corona-Impfung gibt, wird es noch längere Zeit dauern, bis alle Bürger geimpft sind. Hinzu kommt, dass viele Menschen nach der Corona-Krise weniger Vermögen und Einkommen zur Verfügung haben werden. Dies wird dann vielfach zu Lasten des Urlaubs gehen.
Und Firmen kürzen sowieso ihre Reisebudgets?
SCHNALKE Damit ist sicher zu rechnen. Die Unternehmen müssen sparen. Auch bei den Reisebudgets. Viele machen in diesen Wochen die Erfahrung, dass auch Videokonferenzen meist ganz gut funktionieren.
Als Reaktion auf die geringere Nachfrage soll ein Viertel der rund 2300 Stellen bei Ihnen wegfallen? SCHNALKE Wir haben der Belegschaft frühzeitig mitgeteilt, dass wir ab 2021 parallel zum bis zu 30 Prozent sinkenden Verkehrsvolumen die Kosten in allen Bereichen senken müssen. Wir sprechen bereits mit den Betriebsräten und Gewerkschaften darüber, welche Schritte notwendig, sinnvoll und möglich sind. Allen ist der Ernst der Lage klar: Fast alle Kollegen und Kolleginnen sind in Kurzarbeit.
Schließen Sie betriebsbedingte Kündigungen aus?
SCHNALKE Wir müssen unser Unternehmen restrukturieren. Betriebsbedingte Kündigungen kann ich nicht ausschließen. Sie wären eine Ultima ratio, wenn alle anderen Maßnahmen nicht den notwendigen Effekt erzielen würden.
Verdi schlägt einen Beschäftigungspakt vor. Arbeitszeit könnte reduziert werden, um Jobs zu retten. SCHNALKE Wir stehen erst am Anfang der Gespräche. Wir werden auch den Vorschlag prüfen, ob ausgelagerte Arbeit zurück in das Unternehmen geholt werden kann, um bei uns Arbeitsplätze zu sichern.
Werden die Anteilseigner Stadt Düsseldorf und die privaten Investoren
auch ihren Beitrag leisten? SCHNALKE Die Anteilseigner des Airports haben kürzlich entschieden, den Überschuss für 2019 in Höhe von 63 Millionen Euro wegen der Corona-Pandemie erst einmal im Unternehmen zu belassen. Das hilft uns sehr. Schließlich ist auch unsere Liquidität angesichts der hohen Betriebskosten und des gegen null tendierenden Umsatzes endlich, obwohl wir eigentlich ein kerngesundes Unternehmen sind.
Was kann die Luftfahrtindustrie tun, um Menschen nach Ende der Reisebeschränkungen wieder in die Jets zu locken?
SCHNALKE Die Branche entwickelte ein gemeinsames Konzept, damit ein Neustart möglich wird. Wir werden gemeinsam sehr viel für den Gesundheitsschutz tun. Daran haben wir als Flughafen Düsseldorf aktiv mitgearbeitet und bereiten die Umsetzung auf Hochtouren vor. Allen muss aber klar sein, dass das Wiederhochfahren des Luftverkehrs unter den gegebenen Bedingungen alles andere als trivial sein wird.
Was soll geschehen?
SCHNALKE Wir werden beispielsweise Mindestabstände im Terminal vorschreiben, wir werden die Mitarbeiter mit Glas schützen, Mundschutz im Terminal und im Flugzeug verbindlich machen, die Passagiere sollen sich außerdem überall schnell die Hände desinfizieren können. Ein detailliertes Konzept werden wir in Kürze vorstellen.
Macht es Sinn, angesichts des Verkehrsrückganges an beantragten höheren Kapazitäten festzuhalten? SCHNALKE Ja, denn es geht um die langfristige Zukunft des Airports und der Region. Der Bedarf, Düsseldorf und NRW mit der Welt per Luftverkehr zu verbinden, wird langfristig deutlich steigen. Darum brauchen wir diese weiteren Start- und Landerechte.