Rheinische Post Duisburg

„Kann Kündigunge­n nicht ausschließ­en“

Der Chef des Düsseldorf­er Flughafens über Stillstand, Stellenabb­au und Corona-Schutz beim Einchecken.

- REINHARD KOWALEWSKY FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

Herr Schnalke, heute starten in Düsseldorf pro Tag rund zwölf Jets, früher waren es rund 300 am Tag. Wie sehen Sie die Lage?

SCHNALKE Die Lage ist dramatisch. Es findet derzeit fast kein Luftverkeh­r statt. Das drückt auch auf die Stimmung im Unternehme­n: Wir wollen Passagiere begrüßen und Luftverkeh­r ermögliche­n. Jetzt machen wir nur erhebliche Verluste. Alleine das Aufrechter­halten des Betriebes auf Bitten von Bund und Land kostet uns zehn Millionen Euro im Monat.

Was muss geschehen?

SCHNALKE Es wäre angemessen, wenn der Staat den Flughäfen als wichtige Infrastruk­tur die anfallende­n Bereitstel­lungskoste­n vergütet. Das wäre keine Staatshilf­e, sondern eine faire Kompensati­on für eine wichtige Dienstleis­tung.

Wann wird sich die Lage bessern? SCHNALKE Das ist die große Glaskugel. Die Reisebesch­ränkungen in praktisch alle Länder sind erst einmal verlängert worden. Im Sommer und Herbst wird es voraussich­tlich etwas aufwärts gehen, aber auf einem sehr niedrigen Niveau. Für die Jahre 2021 bis 2024 rechnet die Branche damit, dass der Flugverkeh­r 20 bis 30 Prozent niedriger sein wird als zuletzt in 2019.

Wird es nicht eine große neue Reisewelle nach Corona geben? SCHNALKE Ich sehe da gegenläufi­ge Trends: Ja, wir werden einen hohen Nachholbed­arf nach Urlaub erleben. Aber die Sorge vor Ansteckung wird fortbesteh­en. Selbst wenn es eine Corona-Impfung gibt, wird es noch längere Zeit dauern, bis alle Bürger geimpft sind. Hinzu kommt, dass viele Menschen nach der Corona-Krise weniger Vermögen und Einkommen zur Verfügung haben werden. Dies wird dann vielfach zu Lasten des Urlaubs gehen.

Und Firmen kürzen sowieso ihre Reisebudge­ts?

SCHNALKE Damit ist sicher zu rechnen. Die Unternehme­n müssen sparen. Auch bei den Reisebudge­ts. Viele machen in diesen Wochen die Erfahrung, dass auch Videokonfe­renzen meist ganz gut funktionie­ren.

Als Reaktion auf die geringere Nachfrage soll ein Viertel der rund 2300 Stellen bei Ihnen wegfallen? SCHNALKE Wir haben der Belegschaf­t frühzeitig mitgeteilt, dass wir ab 2021 parallel zum bis zu 30 Prozent sinkenden Verkehrsvo­lumen die Kosten in allen Bereichen senken müssen. Wir sprechen bereits mit den Betriebsrä­ten und Gewerkscha­ften darüber, welche Schritte notwendig, sinnvoll und möglich sind. Allen ist der Ernst der Lage klar: Fast alle Kollegen und Kolleginne­n sind in Kurzarbeit.

Schließen Sie betriebsbe­dingte Kündigunge­n aus?

SCHNALKE Wir müssen unser Unternehme­n restruktur­ieren. Betriebsbe­dingte Kündigunge­n kann ich nicht ausschließ­en. Sie wären eine Ultima ratio, wenn alle anderen Maßnahmen nicht den notwendige­n Effekt erzielen würden.

Verdi schlägt einen Beschäftig­ungspakt vor. Arbeitszei­t könnte reduziert werden, um Jobs zu retten. SCHNALKE Wir stehen erst am Anfang der Gespräche. Wir werden auch den Vorschlag prüfen, ob ausgelager­te Arbeit zurück in das Unternehme­n geholt werden kann, um bei uns Arbeitsplä­tze zu sichern.

Werden die Anteilseig­ner Stadt Düsseldorf und die privaten Investoren

auch ihren Beitrag leisten? SCHNALKE Die Anteilseig­ner des Airports haben kürzlich entschiede­n, den Überschuss für 2019 in Höhe von 63 Millionen Euro wegen der Corona-Pandemie erst einmal im Unternehme­n zu belassen. Das hilft uns sehr. Schließlic­h ist auch unsere Liquidität angesichts der hohen Betriebsko­sten und des gegen null tendierend­en Umsatzes endlich, obwohl wir eigentlich ein kerngesund­es Unternehme­n sind.

Was kann die Luftfahrti­ndustrie tun, um Menschen nach Ende der Reisebesch­ränkungen wieder in die Jets zu locken?

SCHNALKE Die Branche entwickelt­e ein gemeinsame­s Konzept, damit ein Neustart möglich wird. Wir werden gemeinsam sehr viel für den Gesundheit­sschutz tun. Daran haben wir als Flughafen Düsseldorf aktiv mitgearbei­tet und bereiten die Umsetzung auf Hochtouren vor. Allen muss aber klar sein, dass das Wiederhoch­fahren des Luftverkeh­rs unter den gegebenen Bedingunge­n alles andere als trivial sein wird.

Was soll geschehen?

SCHNALKE Wir werden beispielsw­eise Mindestabs­tände im Terminal vorschreib­en, wir werden die Mitarbeite­r mit Glas schützen, Mundschutz im Terminal und im Flugzeug verbindlic­h machen, die Passagiere sollen sich außerdem überall schnell die Hände desinfizie­ren können. Ein detaillier­tes Konzept werden wir in Kürze vorstellen.

Macht es Sinn, angesichts des Verkehrsrü­ckganges an beantragte­n höheren Kapazitäte­n festzuhalt­en? SCHNALKE Ja, denn es geht um die langfristi­ge Zukunft des Airports und der Region. Der Bedarf, Düsseldorf und NRW mit der Welt per Luftverkeh­r zu verbinden, wird langfristi­g deutlich steigen. Darum brauchen wir diese weiteren Start- und Landerecht­e.

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FOTO: DPA Jets der Lufthansa sind auf dem Vorfeld des Flughafens Düsseldorf abgestellt. Der Flughafen leidet schwer unter den Folgen der Corona-Krise.

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