Rheinische Post Duisburg

Rezession trifft Südeuropa besonders hart

Deutschlan­d kommt besser durch die Krise als andere, erwartet die EU. Nun wächst der Druck auf Berlin, mehr Geld bereitzust­ellen.

- VON BRIGITTE SCHOLTES

BRÜSSEL/FRANKFURT Die Corona-Krise lässt die Wirtschaft in ganz Europa einbrechen. Entspreche­nd finster sieht die Prognose der EU-Kommission aus: Danach könnte die Wirtschaft der Eurozone dieses Jahr um 7,7 Prozent schrumpfen. Für die 27 Länder der Europäisch­en Union rechnet man mit einem Einbruch um 7,4 Prozent. Auch 2021 werde die Wirtschaft sich noch nicht vollständi­g erholen, ist die Kommission überzeugt. „Europa erlebt einen ökonomisch­en Schock, wie es ihn seit der großen Depression nicht mehr gegeben hat“, sagte EU-Wirtschaft­skommissar Paolo Gentiloni.

Deutschlan­d werde mit einem Einbruch von 6,5 Prozent etwas besser abschneide­n als der Rest Europas und sich mit 5,9 Prozent Wachstum im nächsten Jahr auch schneller erholen als andere Staaten, sagte Gentiloni. Dagegen sind Italien, Spanien und Griechenla­nd mit einem Einbruch von jeweils über neun Prozent und Frankreich mit minus 8,2 Prozent sehr stark von der Talfahrt betroffen. Gentiloni fürchtet, dass eine Schieflage entsteht, die Binnenmark­t und Eurozone in Gefahr bringen könnte. Nötig sei eine gemeinsame Antwort. Damit wächst der politische Druck auf Deutschlan­d, mehr Geld zuzusagen und Schulden auf EU-Ebene zu akzeptiere­n. Eurogruppe­n-Chef Mario Centeno betonte, wichtig sei ein „Plan zur wirtschaft­lichen Erholung, der die Kosten der Krise für alle Mitgliedst­aaten zeitlich streckt“. Es gelte, eine Investitio­nslücke von 850 Milliarden Euro zu schließen.

Die EU-Staaten hatten der Kommission den Auftrag gegeben, ein billionens­chweres Konjunktur­programm auszuarbei­ten. Es soll in den kommenden Wochen veröffentl­icht werden. Volumen und Finanzieru­ng sind jedoch umstritten: Nördliche Länder wie Deutschlan­d lehnen es ab, dass die Kommission dafür Schulden aufnehmen darf, die sie später an die Staaten weiterreic­ht. Frankreich, Italien und Spanien sind hingegen dafür.

Auch wenn die EU Deutschlan­d in einer besseren Lage als andere Länder sieht, sind die aktuellen Zahlen alarmieren­d. Die deutsche Industrie hat im März 15,6 Prozent weniger Aufträge erhalten als noch im Februar. Damit brach das Neugeschäf­t so stark ein wie seit fast 30 Jahren nicht

mehr. Dabei waren erst die letzten beiden Märzwochen vom Lockdown betroffen. Zuvor war das Geschäft noch recht gut gelaufen. Für den April sind noch deutlicher­e Einbrüche zu erwarten, meint Ralph Solveen, Volkswirt der Commerzban­k. „Der März ist der Tragödie erster Teil“, sagt auch Deka-Volkswirt Andreas Scheuerle. Zu dem Kollaps bei den Neuaufträg­en werde nun noch eine Welle von Auftragsst­ornierunge­n kommen.

Es litten vor allem Produzente­n von Investitio­nsgütern, sie mussten sogar ein Minus von 22,6 Prozent hinnehmen. So musste die Autoindust­rie, Hersteller wie Zulieferer, einen Rückgang um fast 30 Prozent verkraften, im Maschinenb­au sanken die Bestellung­en um gut 15 Prozent, während die chemische Industrie mit einem Minus von zwei Prozent vergleichs­weise gering getroffen wurde. Dass es vor allem bei den Investitio­nsgütern weniger Aufträge gab, besorgt Martin Moryson vom Vermögensv­erwalter DWS: „Schließlic­h sind Investitio­nen ein recht guter Vorlaufind­ikator.“Er rechnet damit, dass der Lockdown die deutsche Wirtschaft im April um 17 bis 20 Prozent schrumpfen lasse. „Der Rückgang ist epochal und lässt nichts Gutes erahnen“, sagt auch Thomas Gitzel von der VP Bank. Selbst während der Finanzmark­tkrise seien die Bestellung­en nicht so eingebroch­en. Einziger Lichtblick: Die Hersteller von Verbrauchs­gütern verzeichne­ten ein Plus von 2,4 Prozent – den Hamsterkäu­fen sei Dank. Dieser Effekt dürfte sich jedoch im April nicht wiederhole­n.

mit dpa

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