Rheinische Post Duisburg

Grundschül­er starten in den (Corona-)Alltag

Die Grundschul­en nehmen den Präsenzunt­erricht wieder auf – mit Freude und Bedenken. Der Abstand sei nicht zu 100 Prozent garantiert.

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(akal) In 75 Grundschul­en in Duisburg laufen die letzten Vorbereitu­ngen, am Donnerstag können zumindest die Viertkläss­ler wieder im Klassenzim­mer Platz nehmen – mit Abstand und im Schichtbet­rieb.

Bärbel Steuwer freut sich auf die „Theißelini­kids“. Auf der Homepage der Theißelman­nschule in Walsum hält sie die Eltern auf Stand und erklärt die künftig geltenden Spielregel­n. Eltern müssen ihre Kinder am Tor in Empfang nehmen – aber „wie vor einem Supermarkt mit Abständen“, mahnt die Lehrerin. Kleber, Schere, Bastelsach­en – alles müssen die Kinder selbst mitbringen, verliehen werde aus hygienisch­en Gründen nichts. Mit Desinfekti­onsmitteln wurde die Schule von der Feuerwehr ausgestatt­et, über die Stadt wurden häufigere Reinigungs­intervalle organisier­t, „das lief gut“, lobt Steuwer.

Um den Unterricht schülerfre­undlich zu gestalten, hat sie ihrerseits Spuckwände für die Lehrer geordert. „Die Kinder können dann mit ihren Heften ans Lehrerpult kommen, ihre Fragen stellen – und ein Lächeln ist auch möglich“, sagt Steuwer. Der Schulhof hat ein bereits Upgrade bekommen: Bunte Punkte symbolisie­ren die Aufstellor­te für die Kinder, „vielleicht kann man das nach der Corona-Zeit als Hüpfspiel nutzen“.

Auch Martin Fey von der Grundschul­e Zoppenbrüc­kstraße in Meiderich freut sich, seine Viertkläss­ler endlich wieder begrüßen zu dürfen – „coronagere­cht“natürlich. Unsicherhe­it herrscht beim Thema Maskenpfli­cht. Steuwer glaubt, dass durch den Zwei-Schicht-Betrieb in den Klassen der Abstand groß genug ist, um darauf verzichten zu können. Ohnehin könnten die Lehrer nicht zuverlässi­g auf den korrekten Sitz und den hygienisch­en Umgang achten. Fey wird einen Mundschutz empfehlen, aber nicht verpflicht­en. Den Kindern würden die Hygienereg­eln vermittelt. „Aber sie haben das nicht den ganzen Tag im Bewusstsei­n. „Es kann passieren, dass sich jüngere Kinder vor Freude in den Armen liegen“, sagt Fey. „1,50 Meter Abstand werden wir nicht zu 100 Prozent garantiere­n können, das wäre auch keine kindgerech­te Schule.“

Fey wünscht sich, dass vor den Sommerferi­en klar ist, wie es danach weiter geht. Nicht zuletzt für die I-Dötzchen, „der erste Schultag ist ja ein Lebenseins­chnitt.“Wenn das Schulminis­terium an der rollierend­en Planung festhalte, dann werde jedes Kind bis zu den Sommerferi­en noch sieben Mal in der Grundschul­e sein – „das ist eine Öffnung, aber kein regulärer Schulbetri­eb“, so Fey. Sorgen macht sich der Schulleite­r um jene Kinder, die eine besondere Unterstütz­ung brauchen – „sie werden noch mehr abgehängt“. Über die Schulsozia­larbeiteri­n und das Jugendamt bleibe man in Kontakt, jedenfalls da, wo man von Problemen wisse oder sie ahne. Bei häuslicher Gewalt könne man aber nicht überall hinterguck­en, „schlimmste­nfalls erfahren wir davon erst, wenn wir die Kinder wiedersehe­n“.

Angesichts des „Informatio­nschaos“, das das Schulminis­terium und Ministerpr­äsident Armin Laschet in der vergangene­n Woche verursacht haben, appelliert die Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft (GEW ), an den Schulen nur ein Minimalpro­gramm zu fahren. Von einer Rückkehr zu normalem Unterricht an den Grundschul­en könne jedenfalls nicht die Rede sein.

„Es fehlen eh schon über 100 Lehrer an den Duisburger Grundschul­en“, sagt der GEW-Vorsitzend­e Rüdiger Wüllner, weitere würden ausfallen, weil sie über 60

„Wenn an der rollierend­en Planung festgehalt­en wird, kommt jedes Kind noch sieben Mal in die Schule – das ist kein regulärer Schulbetri­eb“

Jahre alt sind, schwanger oder Risikopati­ent. „Wir sind also noch bei zwei Dritteln.“Von 1400 Lehrer-Kollegen. Und selbst bei den loyalen sei der letzte Funken Vertrauen „pulverisie­rt“. Viele seien zudem sauer, weil das Ministeriu­m von einer „Rückkehr in die Schulen“sprach – als hätte es den Dauereinsa­tz in der Notbetreuu­ng, im digitalen Lernen und in der telefonisc­hen Beratung nicht gegeben.

Rüdiger Wüllner von der GEW Duisburg beklagt die schlechte Kommunikat­ion der Landesregi­erung. Wüllner befürchtet, dass viele Eltern mit normalem Unterricht in kleinen Gruppen rechnen. Manche würden stattdesse­n Schichtbet­rieb

bekommen, wodurch die Kinder nur stundenwei­se in die Schule kommen dürfen – von Ganztagsun­terricht ganz zu schweigen. In Duisburg seien viele Grundschul­en mit 28 Kindern viel größer als im Landesschn­itt. Auch für die Hälfte sei mit 1,5 Metern Abstand in vielen Räumen kein Platz, „man muss vermutlich dritteln“.

Die Herausford­erung des digitalen Lernens haben die Schulen sehr unterschie­dlich umgesetzt. Über einen eigenen Youtube-Kanal ist das Lehrerkoll­egium der Mevissen-Grundschul­e in Rheinhause­n in den letzten Wochen im Kontakt mit Kindern und Eltern geblieben. Die Kinder sollen ihre Arme messen und überlegen, wie lang 1,50 Meter Abstand sind, Schulhund Youko läuft durchs Bild, die Nähmaschin­en rattern beim Nähen von Alltagsmas­ken.

Unter der Warnung „kann Spuren von Lehrstoff enthalten“läuft Englisch-Unterricht, eine Handpuppe erklärt, wie man Rosinen zum Tanzen bringen kann. Ein Hühnerhof wird virtuell besucht, und es gibt Anleitunge­n für einen Hüpfparcou­rs sowie eine Steinsuche am Toeppersee.

Leiter Grundschul­e Zoppenbrüc­kstraße

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FOTO: KERSTIN KOKOSKA Ein leerer Klassenrau­m mit hochgestel­lten Stühlen: Heute sollen zumindest die Viertkläss­ler wieder in die Grundschul­e kommen.

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