Asien ist Europas Zukunft
Der Politologe Khanna gibt Europa nur eine Chance als Anhängsel Asiens.
„Unsere“– gemeint ist die einer globalen Gesellschaft – „asiatische Zukunft“ist eine Art Prisma, in dem sich alle Asiaten wiederfinden. Gleichzeitig zeigt es, dass die westliche Dominanz nicht wiederkehren wird. Autor ist der Politikwissenschaftler Parag Khanna, der 1977 in Indien geboren wurde. Wissenschaftlich beratend war er überwiegend in den USA tätig; jetzt lehrt er in Singapur, dessen politisches System er besonders hoch schätzt.
Khanna erfasst Asien als einen geographischen Begriff, als die Megaregion, die sich vom Roten Meer bis zum Japanischen erstreckt, und zu der auch Australien gehört. Dabei ist es ein Missverständnis westlichen Denkens anzunehmen, Asien sei chinazentrisch.
Das erste Kapitel zeichnet eine Weltgeschichte aus der Sicht Asiens. Sie muss notwendig der europäischen Sicht entgegengestellt werden, auch wenn beide die ersten sesshaften Kulturen in Westasien ausmachen. Die Unterschiede gründen in der Kolonialisierung asiatischer Länder durch Europäer. Im zweiten Kapitel lernt der Leser, welche zentrale Rolle Asien in der Weltgeschichte gespielt hat und spielen wird, dabei können Asiaten voneinander viel mehr lernen als vom Westen.
Dieses Lernen führt zur Rückkehr Groß-Asiens. Dazu gehört die asiatische Orientierung Russlands und der Türkei, auch um das arabische Asien vor der Einmischung durch die USA zu schützen. Das Zusammenwirken Asiens beruht vor allem auf den Asianomics. Khanna schildert eine überwältigende Fülle länderübergreifender Beziehungen von Unternehmen – gerade auch abgehoben von zwischenstaatlichen Konflikten. Kennzeichnend ist dabei die technologische Orientierung hin zur Digitalisierung.
Technologische Entwicklungen sind auch für die politischen Systeme Asiens von Bedeutung, für eine Technokratie, die sich in politischen Problemlösungen, nicht in politischen Willensbildungsprozessen bewährt. Auf Daten gestützt sei diese Technokratie, so Khanna, der repräsentativen Demokratie überlegen, weil sie die spezifischen Bedürfnisse der Bevölkerung erfasst und so Verzerrungen potenziell korrupter Repräsentanten und Lobbygruppen umgehen kann. Sie folgt den Prinzipien der Meritokratie und Zweckmäßigkeit, wobei die Herrschaft des Rechts, nicht die Demokratie
die wirtschaftliche Leistung am stärksten fördert. Dieses asiatische System ist für Khanna effektiver als das krisenhaft-defizitäre System der USA.
Für Europa zeichnet Khanna drei Szenarien, nach denen sich der alte Kontinent zunehmend asiatisieren wird. (1) Die EU kann sich so weit ausdehnen, dass sie neue asiatische Mitgliedsstaaten wie die Türkei und Aserbaidschan einschließt. (2) Europäische Staaten können mehr Migranten aufnehmen, um ihre niedrige Geburtenzahl zu kompensieren. Sie könnten auch weder das eine noch das anderen tun – in diesem Fall würde Europa entvölkert und ärmer werden und danach kaum eine andere Wahl haben als sich noch weiter asiatischen Investitionen in seine Immobilien und Unternehmen zu öffnen. Egal welchen Weg Europa wählt, es kommt auf das Gleiche heraus, konstatiert Khanna.