Leben und Lernen unter Freunden
An Internaten entstehen besonders enge Bindungen zwischen Schülern und Lehrern. Diese wurden durch die Krise noch stärker.
Zu Hause bleiben. Das war für die Schüler das Gebot seit Mitte März. Mit „Homeschooling“bemühten sich Lehrer, Kinder und Eltern, den Unterrichtsstoff aufzuarbeiten. Der Laptop ersetzte Schulheft und Tafel. Corona zeigte dabei häufig den Nachholbedarf in Sachen Digitalisierung des Schulalltags schonungslos auf. Private Bildungseinrichtungen – unabhängig von staatlichen Geldern und teils langen Entscheidungsprozessen – sind hier oft schon einen Schritt voraus.
An der Schule Marienau war der Großteil der 130 Internatsschüler nach Hause gereist, nur rund 20 Jugendliche hielten die Stellung. Der Unterricht wurde in dieser Zeit über die Lern- und Kommunikationsplattform „itslearning“organisiert. Seit drei Jahren nutzt die Schule bereits das Programm. „Wir sind sehr glücklich, dieses Tool bereits im Hause zu haben. Nun etabliert es sich weiter und wir alle profitieren sehr von dieser Möglichkeit zu lernen“, sagt Schulleiterin Heike Elz. Die Eltern können das System ebenfalls nutzen zur Kommunikation mit den Lehrern. Aber auch im Regelbetrieb sind Tablet und Co. bereits angekommen. In sogenannten 360-Grad-Klassenräumen kann beliebig zwischen klassischer Tafel und dem Tablet gewechselt werden.
Die im Internat verbliebenen Jugendlichen wurden in Kleingruppen weiter unterrichtet. Zwar waren sie in dieser außergewöhnlichen Zeit getrennt von ihren Familien, aber dafür konnten sie im Gegensatz zu fast allen Schülern im Rest des Landes regelmäßig ihre Klassenkameraden und Freunde sehen, zusammen lernen und ihre Freizeit miteinander verbringen. Die Vertiefung der zwischenmenschlichen Beziehungen und Festigung bestehender Gruppenstrukturen bezeichnet auch Thomas Blauscheck als positiven Nebeneffekt der Corona-Einschränkungen. Er betreibt mit Schloss Varenholz eine Jugendhilfeeinrichtung mit Internat und privater Sekundarschule.
„Eine positive Erkenntnis ist aus dem Umgang der Jugendlichen mit den Ausgangs- und
Kontaktbeschränkungen abzuleiten, da diese sich im Verlauf der Krise wesentlich besser an die gegebenen Regelungen gehalten haben als in der Zeit vor Corona. Schlussfolgern lässt sich hieraus, dass Regeln dann beachtet und akzeptiert werden, wenn sie sinnvoll oder für den Einzelnen nützlich erscheinen. Keine ganz neue Erkenntnis, aber eben eine, die die Jugendlichen unserer Gruppen als Positivbeispiel erleben konnten“, stellt Blauschek fest.
Durch die Krise gewachsen sei in vielen Fällen auch das Vertrauen der Eltern in die Arbeit der Mitarbeiter und in Teilen die Erkenntnis, dass Gemeinschaftseinrichtungen für viele Jugendliche durchaus Vorteile haben können. Beispielsweise hätten einige Eltern für sich erkannt, dass sich ihren Kindern während der Osterferien in der Wohngruppe
mehr Möglichkeiten boten, eine schöne Zeit zu verbringen, als in der heimischen Stadtwohnung, und auch viel Fürsorge durch die Mitarbeiter vor Ort erfahren.
Außerdem sieht auch Thomas Blauschek im Bereich der Digitalisierung durch Corona einen positiven Impuls für das zukünftige Arbeiten im pädagogischen Alltag. „Es ist veranlasst durch die Krise gelungen, tradierte Zeitfenster
und Veranstaltungsformen wie Teamsitzungen in Frage zu stellen und diese stattdessen neu zu denken oder bereits in veränderter Form durch Telefonoder Videokonferenzen durchzuführen.“, sagt er. „Ein Umstand, der seine fortschrittlichen Auswirkungen hoffentlich auch in Zukunft noch weiter entfalten darf.“So wünscht sich der Geschäftsführer von Schloss Varenholz, „dass etwas von der initiierten Innovation weiterentwickelt werden kann, dass das gegenseitige Zusammenrücken trotz Distanzregelungen gewahrt bleibt und die derzeitig gelebte Gelassenheit im Alltag in den nächsten Wochen beibehalten werden kann. Denn dann ist es uns gelungen, eine Krise nicht nur als Gefahr zu betrachten, sondern auch als Chance zu begreifen, so wie es von uns im pädagogischen Alltag permanent verlangt, gelebt und gemeistert wird“.