SPD will Pflegekräfte zurückholen
In Deutschland arbeiten rund 90 Prozent der osteuropäischen 24-Stunden-Pfleger schwarz. Wegen der Corona-Krise sind viele in ihre Heimatländer zurückgekehrt – und hängen dort fest.
DÜSSELDORF In Deutschland kümmern sich nach Schätzungen des Verbands für häusliche Betreuung und Pflege (VHBP) rund 300.000 Arbeitskräfte aus Osteuropa rund um die Uhr um alte und kranke Menschen („24-Stunden-Pflege“). 90 Prozent von ihnen sind laut Verband schwarz beschäftigt. Das wird nun zum Problem: „Viele dieser Frauen, die im Zuge der Corona-Krise in ihre Heimat gefahren sind, dürfen auf Anordnung der dortigen Behörden nicht zurück oder scheuen die Rückkehr“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Josef Neumann.
„Schwarzarbeit ist kein Kavaliersdelikt, und ich verurteile sie aufs Schärfste“, sagte Neumann, warnte jedoch gleichzeitig davor, dass die betroffenen Familien so schnell keinen Ersatz bei den Agenturen oder den örtlichen Pflegediensten bekämen. Denn dort fehlten die Kapazitäten. „Viele Angehörige können sich das legale Angebot schlicht nicht leisten. Gerade deshalb haben sie ja den Weg der Schwarzarbeit gewählt“, sagte der SPD-Politiker. „Wenn nun auf einen Schlag Zehntausende Menschen ohne Pflegekräfte dastehen, haben wir ein massives Problem, bei dem die Politik schnell handeln muss.“
Neumann fordert, diese Menschen zügig in die Legalität zu holen. „Das kann nur gelingen, wenn es eine Amnestie für die Familien und die Pflegekräfte gibt und wir anschließend ein System schaffen, in dem sie ordnungsgemäß angestellt sind, ohne die Familien finanziell zu überfordern.“Dafür müsse sich die Landesregierung beim Bund einsetzen. Zusätzlich bedürfe es einer Lösung auf europäischer Ebene.
Das nordrhein-westfälische Gesundheitsministerium sieht – anders als die Opposition und der Pflegeverband – keine Gefahr, dass es zu Versorgungsengpässen in der aktuellen Situation kommen könne: „Insbesondere wurden flexible Versorgungsmöglichkeiten geschaffen – durch ambulante Dienste oder auch andere Leistungserbringer sowie ergänzend durch Angebote zur Unterstützung im Alltag“, sagte ein Sprecher. „Wir haben zudem zu Beginn des Ausbruchs Vorkehrungen getroffen, damit Menschen, deren Versorgung in der eigenen Häuslichkeit nicht mehr gewährleistet ist, in stationäre Pflegeeinrichtungen aufgenommen werden können.“So sei beispielsweise die Möglichkeit geschaffen worden, dass bei Bedarf die Einzelzimmerquote außer Kraft gesetzt werden könne, um mehr Menschen in den Einrichtungen unterzubringen. Auch sei derzeit nach Auskunft verschiedener Anlaufstellen und Akteure festzustellen, dass zunehmend Bestrebungen der Legalisierung zu verzeichnen seien. „Hintergrund ist die Tatsache, dass Nachweise vertraglicher Vereinbarungen grenzüberschreitende Tätigkeiten erleichtern“, sagte der Sprecher des Ministeriums.
Die Entscheidung für Schwarzarbeit fällen laut VHBP viele Familien aus Kostenerwägungen, denn die Betreuungspersonen könnten für rund 800 bis 1000 Euro pro Monat günstiger arbeiten als legal tätige Pfleger. Neumann fordert deshalb eine Neuaufstellung der Pflegeversicherung: „Derzeit haben wir eine Teilkaskoversicherung, bei der viele Menschen sich die Zusatzkosten nicht leisten können und im Notfall die Kommune einspringen muss. Wir werden nicht darum herumkommen, daraus eine Vollkaskoversicherung zu machen. Dafür muss aber mehr Geld ins System. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.“
Leitartikel