Pendeln kann krank machen
In manchen Kreisen in NRW legt rund die Hälfte der Berufstätigen lange Wege zur Arbeit zurück. Die AOK warnt vor Gesundheitsgefahren und rät zum in der Corona-Krise erprobten Homeoffice.
BERLIN/DÜSSELDORF Die AOK Rheinland/Hamburg weist darauf hin, dass das tägliche Pendeln zur Arbeit Stress und Krankheiten auslösen kann. Wie aus dem Gesundheitsreport der Krankenkasse hervorgeht, der unserer Redaktion vorliegt, leben im Rheinland besonders viele Pendler in den Kreisen rund um die Großstädte Düsseldorf und Köln. So fahren 52 Prozent der Berufstätigen aus Leverkusen täglich kilometerweit aus ihrem Heimatkreis heraus zur Arbeit. In den Kreisen Neuss und Mettmann sind es jeweils knapp die Hälfte der Erwerbstätigen. Zum Vergleich: Noch nicht einmal ein Drittel der Düsseldorfer muss sich für den Job aus der Stadt herausbewegen, und auch in den weiter entfernten Kreisen wie Kleve arbeiten die Menschen eher wohnortnah (27 Prozent Pendler).
„Berufspendeln kann eine große Belastung darstellen, hohen Stress verursachen und damit die Gesundheit beeinträchtigen“, sagt der Chef der AOK Rheinland/Hamburg, Günter
Wältermann. „Lange Fahrzeiten, Staus und ein überfüllter ÖPNV tragen dazu bei.“Wältermann verwies auf das durch die Corona-Krise ausgeweitete Homeoffice und riet aus gesundheitlichen Gründen dazu, die Regelung beizubehalten. „Es ist ratsam, an diese Strategie anzuknüpfen, um die täglich aufgewendete Zeit für den Arbeitsweg und die damit einhergehende Belastung der Mitarbeiter zu reduzieren.“
Nach einer Erhebung des IT-Fachverbands Bitkom arbeitet seit Mitte März infolge der Pandemie knapp jeder zweite Beschäftigte ganz oder teilweise im Homeoffice. Vor dem Corona-Ausbruch war Homeoffice überhaupt nur in 39 Prozent der Unternehmen möglich, während schon damals etwa zwei Drittel der Beschäftigten gerne auch von zu Hause aus gearbeitet hätten. Eine Umfrage zweier privater Krankenversicherungen zeigt zudem, dass Arbeitnehmer im Homeoffice mehr Sport treiben und länger schlafen.
Ein Zusammenhang zwischen Pendeln und Erkrankungen lässt sich aus den Statistiken des AOK-Reports bedingt herauslesen. So liegen in Leverkusen, Duisburg und Oberhausen sowohl die Zahl der Herz-Patienten als auch die Zahl der Pendler deutlich über dem Durchschnitt. Für die Pendlerkreise Neuss und Mettmann gilt dies aber nicht. Eindeutiger ist nach wie vor der Zusammenhang zwischen Gesundheit und sozialem Status. So weisen 14 Prozent der Hartz-IV-Empfänger im Rheinland Adipositas, also starkes Übergewicht, auf. Von den Arbeitnehmern sind es knapp elf Prozent. Die meisten Dicken leben übrigens im Kreis Aachen mit 15 Prozent Adipositas-Anteil an der Bevölkerung. Auch in Remscheid (15,4), Mönchengladbach (14,8) und Leverkusen (14,7) sind die Zahlen hoch. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei weiteren Zivilisationskrankheiten: 9,3 Prozent der Hartz-IV-Empfänger im Rheinland leiden an Diabetes Typ 2. Bei den Arbeitnehmern sind es nur 5,6 Prozent. Asthma wurde bei 7,5 Prozent der Langzeitarbeitslosen, aber nur bei 5,8 Prozent der Beschäftigten diagnostiziert.
Die Lebenserwartung ist in Bonn und im Bergischen Land sowie in Aachen besonders hoch, während Duisburg, Oberhausen und Essen die Schlusslichter bilden. So werden Frauen in Bonn im Schnitt 83,7 Jahre alt. In Duisburg sind es nur 81,5 Jahre. Männer im Rheinisch-Bergischen Kreis erreichen im Schnitt 79,7 Jahre, in Oberhausen nur 76,4 Jahre. In Düsseldorf leben Frauen 82,9 Jahre und Männer 78,5. Damit liegen beide Geschlechter über dem Landesdurchschnitt.
Leitartikel, Wirtschaft