Der unendliche Putin
MOSKAU Präsident Wladimir Putin hat die Abstimmung zur Veränderung der russischen Verfassung weitgehend unbehelligt hinter sich gebracht. 78 Prozent der Wähler stimmten nach offiziellen Angaben für die 206 Änderungen, 21 Prozent lehnten den Eingriff ab. Damit erhält Putin die Möglichkeit, 2024 bei der Präsidentenwahl erneut anzutreten und auch 2030 noch einmal einen Anlauf zu nehmen. 2036, am Ende der Amtszeit, wäre der Kremlchef dann 83 Jahre alt.
Fast zwei Drittel der Wahlberechtigten nahmen nach Angaben der Zentralen Wahlkommission an der Abstimmung teil. Für Überraschungen sorgte der autonome Kreis der Nenzen in der Polarregion – das einzige Gebiet, das mehrheitlich gegen die Verfassungsänderungen stimmte: 54 Prozent sagten dort Nein.
Auch im Gebiet Komi im Norden zeigten die Wähler sich kremlkritisch. Mehr als 54 Prozent sprachen sich nach ersten Ergebnissen gegen die Verfassungsänderung, 44 Prozent dafür aus. Dabei blieb es jedoch nicht lange. Wenig später wurden auf der Tafel der Wahlkommission
die Zahlen einfach umgedreht. Im ersten Anlauf sei man in den Zeilen verrutscht, hieß es in einer offiziellen Erklärung.
Mit 65 Prozent Wahlbeteiligung und 78 Prozent Zustimmung wurde auch knapp die Marke von 50 Prozent Zustimmung aller Wahlberechtigten überschritten. Um diesen Wert ging es dem Kremlchef. Hätte er die Zustimmung von weniger als der Hälfte der Wähler erhalten, hätte der Präsident als Verlierer dagestanden. Das entspricht nicht dem Selbstverständnis des Staatschefs, der sich daran gewöhnt hat, aus allem als Sieger hervorzugehen.
Trotz mannigfacher Manipulationsmöglichkeiten – die Dauer der auf sieben Tage angelegten Wahl, ungewöhnliche Wahlbüros im Freien, auf Baumstämmen oder in Kofferräumen, womit offiziell die Corona-Ansteckungsgefahr verringert werden sollte – schienen Putin und der Kreml zwischenzeitlich kurz nervös zu werden. Würde es für eine Mehrheit reichen? Vor allem aber: Würden nachträgliche Korrekturen unter der Risikoschwelle bleiben? Bei den Parlamentswahlen 2011 hatte der Kreml die Ergebnisse nachträglich manipuliert und damit eine massive Protestwelle ausgelöst.
Dieses Mal gaben Aktivisten in Moskau und Sankt Petersburg an, die Endergebnisse seien vertauscht worden. Demnach sprachen sich 65 Prozent in der Hauptstadt gegen, 34 Prozent für die Verfassungsänderung aus. In welchem Ausmaß der Kreml tatsächlich Einfluss auf das Ergebnis nahm, bleibt unklar. Grundsätzlich entsprach die Abstimmung nicht den Vorgaben, die für eine Entscheidung über die Verfassung erforderlich gewesen wären. Auch gingen sehr viele Klagen über Eingriffe vor Ort ein.
Tatsächlich war es der erklärte Wille Putins, ein Plazet für die nächsten 16 Jahre im Kreml zu erhalten. Auch wenn das dem Wähler verschwiegen wurde, war es doch für politisch Interessierte erkennbar. Putin hatte die Abstimmung auf den Frühsommer festgesetzt, da eine Verschiebung auf den September die Ergebnisse hätte verschlechtern können. Die Auswirkungen der wirtschaftlichen Krise durch die Corona-Pandemie wären noch spürbarer gewesen. Umfragen sagen für den Herbst ein Anwachsen der Proteste voraus. Damit wäre auch eine „Korrektur“der Wahlergebnisse von oben im Herbst schwieriger und risikobehafteter gewesen. Am
Die Russen haben nach offiziellen Angaben mit großer Mehrheit für die Verfassungsänderung gestimmt. Nur eine Region tanzt aus der Reihe.