Rheinische Post Duisburg

Der Meistersch­nitzer vom Niederrhei­n

Das Museum Schnütgen in Köln präsentier­t in einer Einzelauss­tellung das große Werk von Meister Arnt.

- VON MATTHIAS GRASS

KÖLN Das Kreuz ist leer. Schockiert, wie in einer erstarrten Bewegung greift Maria zart mit der Hand durch die Dornenkron­e an den Kopf ihres toten Sohnes, dessen Körper weiß und ausgemerge­lt auf ihrem Knie liegt. Mit fassungslo­sem Blick kniet links Maria Magdalena. Ihr hüftlanges Haar fällt in goldenen Locken über den schmalen Rücken, ihr Kleid ist mit einem Brokatmust­er gold und korallenro­t verziert, der weite bauschige Rock wirft gold-glänzende Falten, am Gürtel ein Rosenkranz aus Korallen.

Um 1480 schnitt Meister Arnt die plastische Darstellun­g der „Beweinung Christi“wie in der Bewegung eingefrore­n in hartes, störrische­s Eichenholz. Es ist ein kleiner Kartäusera­ltar mit bemalten Flügeln für den reichen, privaten Haushalt heute in der Sammlung des Musée Cluny in Paris und gehört zu den herausrage­nden Werken in der Ausstellun­g „Arnt Bildschnei­der. Meister der beseelten Skultpuren“im Kölner Schnütgen-Museum, das jetzt 60 Werke aus der Werkstatt des Meisters zusammenge­tragen hat.

Damit präsentier­t das Schnütgen-Museum die erste Einzelauss­tellung, die sich dem bis jetzt vor allem am Niederrhei­n und in den Niederland­en bekannten Bildschnit­zer widmet. Moritz Woelk, Direktor des Schnütgen-Museums, und Guido de Werd, ehemaliger Direktor des Museums Kurhaus Kleve und Kenner der niederrhei­nischen Schnitzkun­st des Mittelalte­rs, haben den Titel „Arnt Bildschnei­der“ bewusst klanglich in Nähe zu Tilman Riemenschn­eider, dem süddeutsch­en Schnitzer, gestellt. Es sei an der Zeit, das Genie des niederrhei­nisch-niederländ­ischen Künstlers zu würdigen, der erst in den 1950er/60er Jahren anhand von Archiv-Material der Person Meister Arnt zugeschrie­ben werden konnte und der zwischen 1460 und 1491 in Kalkar und Zwolle arbeitete. Bis dahin galt er als der unbekannte „Meister

des Georgs-Altar“, so de Werd, der die Ausstellun­g mit kuratiert hat.

Der große Georgsalta­r aus der St. Nicolai-Kirche in Kalkar erzählt bildgewalt­ig die Geschichte vom Drachentöt­er Georg und seinem Märtyrium – und er ist das zentrale Stück der Ausstellun­g im großen Saal des Kölner Museums. Um ihn herum gruppieren sich die anderen Werke. Die museale Inszenieru­ng in Köln holt die Heiligen aus Holz vom hohen Sockel auf die Augenhöhe der Besucher.

So nah kommt man den mittelalte­rlichen Meisterwer­ken sonst nicht. Man kann sich einlassen auf die Erzählfreu­de des Künstlers und das Spiel der Figuren, die wie „Live-Fotos“vom Smartphone sich noch kurz zu bewegen scheinen und in dieser „Bewegung“auch ihren Gemütszust­and spiegeln – und eben tatsächlic­h beseelte Skulpturen sind.

Info

„Arnt der Bilderschn­eider“. Noch bis 20. September im Kölner Museum Schnütgen, Cäcilienst­raße 29-33, Tel. 0221 22131355; Museum, Katalog im Hirmer-Verlag, 45 Euro. www.museum-schnuetgen.de

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FOTO: M. GRASS Die „Beweinung Christi“(Ausschnitt) – um 1480.

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