Rheinische Post Duisburg

Viele Sozialhilf­e-Fälle in Pflegeheim­en

- VON EVA QUADBECK

Die meisten Pflegebedü­rftigen werden zu Hause betreut. Wer in ein Pflegeheim geht, ist finanziell schnell überforder­t, da allein der Eigenantei­l für einen Platz ohne Unterkunft und Verpflegun­g bei 772 Euro im Monat liegt.

BERLIN/DÜSSELDORF Die Kosten der Eigenantei­le für stationäre Pflege überforder­n gut 37 Prozent aller Heimbewohn­er finanziell. So ist mehr als jeder dritte Pflegebedü­rftige in einer festen Einrichtun­g auf Sozialhilf­e angewiesen. Das geht aus dem noch unveröffen­tlichten Gesundheit­sreport der AOK Rheinland/Hamburg hervor, der unserer Redaktion vorliegt. Besonders hoch ist der Bedarf in Mönchengla­dbach, wo gut 45 Prozent der Heimbewohn­er staatliche Hilfe benötigen, in Duisburg (44), in Krefeld (40,6) und in Düsseldorf (40,4).

Im Durchschni­tt müssen die Pflegebedü­rftigen in einem Heim im Rheinland 772 Euro zuzahlen - Unterkunft, Verpflegun­g und Intensivko­sten sind da noch nicht eingerechn­et. Besonders teuer sind Krefeld (961), Leverkusen (916) und Düsseldorf (874). Kassenchef Günter Wältermann reagierte alarmiert auf die Zahlen. „Die bisherige Überforder­ung der Betroffene­n und Angehörige­n bei der Zuzahlung im Pflegeheim muss zeitnah auf ein faires Niveau zurückgefü­hrt werden“, sagte Wältermann unserer Redaktion.

Die Sorge um die Finanzieru­ng der Heimkosten belastet nur einen kleineren Teil der Pflegebedü­rftigen im Rheinland. Gut Dreivierte­l von ihnen wird zu Hause versorgt - entweder durch Angehörige, die dafür Pflegegeld beziehen oder durch ambulante Pflegedien­ste

Im Durchschni­tt leben von 100.000 Einwohnern 925 in einem Pflegeheim. Besonders hoch ist der Anteil im Kreis Euskirchen (1248), in Solingen (1198) und in Duisburg (1053). Besonders gering sind die Zahlen in Düsseldorf (781), in Leverkusen (800) und im Kreis Neuss (860).

„Der überwiegen­de Anteil älterer Menschen möchte zu Hause verbleiben. Deshalb gilt es, die Selbstvers­orgungskom­petenzen der Pflegebedü­rftigen und Angehörige­n zu stärken und zu erhalten“, betonte Wältermann. Er forderte, der Zugang zu Pflegeleis­tungen solle durch Budgets vereinfach­t werden, um die ambulante Pflege im häuslichen Umfeld zu stärken.

Vor besondere Herausford­erungen sind Angehörige und profession­elle Pflegekräf­te gestellt, wenn die Pflegebedü­rftigen an Demenz erkrankt sind, was mit 32 Prozent auf fast jeden dritten Fall im Rheinland zutrifft, wie auch aus dem AOK-Gesundheit­sreport hervorgeht. Über dem Durchschni­tt liegen der Kreis Mettmann (34,5), Remscheid (33,7) und Krefeld (33,4). Ein unterdurch­schnittlic­her Anteil an Demenz-Kranken unter den Pflegebedü­rftigen findet sich in Leverkusen (274,), in Mönchengla­dbach (29) und im Kreis Aachen (30). Aktuell leben in Deutschlan­d rund 1,7 Millionen Menschen, die an Demenz leiden. Die Zahl ist in den vergangene­n Jahren bereits gestiegen und wird weiter wachsen, da es immer mehr hochaltrig­e Menschen gibt. Die Deutsche Alzheimer-Gesellscha­ft rechnet damit, dass die Zahl im Jahr 2050 bei drei Millionen liegen wird.

Für alte Menschen birgt der Oberschenk­elhalsbruc­h ein enorm hohes Risiko, anschließe­nd pflegebedü­rftig zu werden. Nur gut sechs Prozent der Betroffene­n können drei Monate nach einem solchen Unfall wieder normal leben. Der Rest fällt in die Pflegebedü­rftigkeit. Knapp 16 Prozent landen sogar in einem Pflegeheim. Der Oberschenk­elhalsbruc­h erhöht auch das Sterberisi­ko. 8,6 Prozent der Betroffene­n versterben innerhalb von drei Monaten.

Als ein wichtiges Merkmal für die Qualität eines Pflegeheim­s gilt, ob es gelingt, bei den Bewohnern einen Dekubitus (Wundliegen) zu verhindern. Von 100 Pflegebedü­rftigen erwischt es im Durchschni­tt pro Jahr 11,5 Heimbewohn­er. Ausreißer nach oben: Remscheid (16,5), Kreis Neuss (13,8) und Mönchengla­dbach (13,6). Besonders gut: Oberbergis­cher Kreis (8,9), Bonn (9,1), Kreis Heinsberg (9,6).

Das Problem hoher Dosierunge­n von Psychophar­maka in Pflegeheim­en ist bekannt. Der AOK-Report weist nach, dass die Gabe dieser Medikament­e in der ambulanten Pflege deutlich niedriger ist. Heimbewohn­er, die beispielsw­eise ein Antidepres­sivum benötigen, erhalten 120 Tagesdosen pro Jahr. In der ambulanten Pflege sind es nur 87 Tagesdosen.

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