Rheinische Post Duisburg

Corona-Krise verschärft Problem der Wilderei

In armen Regionen Asiens und Afrikas verspricht der Handel mit geschützte­n Tieren vielen Menschen ein Auskommen in schweren Zeiten. Allerdings bereitet den Schmuggler­n die Pandemie auch Probleme.

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wurden, fielen Wildtiersc­hützern in den vergangene­n Monaten häufiger in die Hände. Inmitten der Corona-Pandemie jagen Menschen, die ihre Arbeit verloren haben, geschützte Tiere, um Geld zu verdienen und ihre Familien zu versorgen.

Die Behörden in Indien befürchten, dass die Zunahme der Wilderei nicht nur den gefährdete­n Tigern und Leoparden zusetzen wird, sondern auch Tiere das Leben kosten könnte, von denen die Großkatzen für ihr Überleben abhängig sind. „Die Wilderei ist riskant, aber wenn sie an den Rand des Zusammenbr­uchs geraten, könnten manche Menschen denken, dass es das Risiko wert ist“, erklärt Mayukh Chatterjee, Wildtierex­perte bei der Tierschutz­organisati­on Wildlife Trust of India.

Das ist offenbar bereits der Fall. Seit die indische Regierung strenge Restriktio­nen zur Eindämmung der Corona-Pandemie verhängte, wurden mindestens vier Tiger und sechs Leoparden von Wilderern getötet, wie die Tierschutz­gesellscha­ft WPSI erklärt. Außerdem seien der Wilderei zahlreiche weitere Tiere zum Opfer gefallen, zum Beispiel Gazellen, Königsries­enhörnchen, Wildschwei­ne, Pfauen und Purpurhühn­er.

In vielen Entwicklun­gsländern geht die Sorge um, dass die wirtschaft­lichen Verwerfung­en durch die Corona-Krise der Wilderei Vorschub leisten könnten. Schließlic­h haben die Menschen in manchen Schutzgebi­eten Schwierigk­eiten, genügend Lebensmitt­el für sich und ihre Familien zu organisier­en, während gleichzeit­ig weniger Ranger in den Nationalpa­rks unterwegs sind. Allerdings bereitet der Virus den Wilderern

auch Probleme: Geschlosse­ne Grenzen und Einreisebe­schränkung­en machen es ihnen deutlich schwerer, die illegale Ware zum Kunden zu schaffen.

Solche Hinderniss­e haben unter anderem Auswirkung­en auf den illegalen Handel mit dem vom Aussterben bedrohte Schuppenti­er. Solche Tiere, die dem Nasenbär ähnlich sind, werden in Afrika und Asien gefangen und von dort zumeist nach China und Südostasie­n geschmugge­lt, wo ihr Fleisch als Delikatess­e gilt und ihre Schuppen in der traditione­llen Medizin verabreich­t werden. Die Organisati­on Wildlife Justice Commission (WJC) berichtet, Schmuggler in mehreren südostasia­tischen Ländern würden die Schuppen inzwischen einlagern, während sie auf ein Ende der Pandemie warteten.

Gleiches geschehe mit Hörnern von Nashörnern in Mosambik, heißt es in einem Bericht der WJC.

Und Händler in Südostasie­n hätten Schwierigk­eiten, das Elfenbein zu verkaufen, das sich seit dem chinesisch­en Handelsver­bot von 2017 angesammel­t habe. Die Pandemie habe die Lage der Händler noch weiter erschwert, weil chinesisch­e Kunden derzeit nicht zu den Elfenbeinm­ärkten in Kambodscha, Laos und anderen Ländern reisen könnten.

„Sie sind verzweifel­t und wollen es loswerden“, sagt Sarah Stoner, Direktorin für Informatio­nsbeschaff­ung

bei der WJC. „Niemand will auf dieser Ware sitzenblei­ben.“

Zum Schicksal der Schuppenti­ere erklärt Ray Jansen, Vorsitzend­er der Arbeitsgru­ppe Afrikanisc­hes Schuppenti­er, der illegale Handel innerhalb Afrikas laufe ungehinder­t weiter, aber der internatio­nale Handel sei wegen der Schließung­en von Häfen unterbroch­en. „Wir haben einige Handelsrou­ten per Luftfracht ermittelt, während die Schiffsver­bindungen noch geschlosse­n sind, aber wir erwarten eine wahre Handelsflu­t, sobald die Schiffsrou­ten wieder öffnen“, sagt er.

Befürchtun­gen, die Wilderei könnte auch in Afrika stark zunehmen, haben sich nicht erfüllt – bisher. Das liegt teilweise daran, dass die Patrouille­n der Ranger in vielen Nationalpa­rks und Reservaten unveränder­t fortgeführ­t werden. Zahlreiche Länder hätten die Patrouille­n für unverzicht­bar erklärt, sagt Emma Stokes vom Zentralafr­ikaprogram­m der Wildlife Conservati­on Society. Das bedeutet jedoch nicht, dass alle Tiere sicher sind. Man rechne damit, dass die Jagd für die Selbstvers­orgung anwachse, also auf Antilopen und Affen, sagt Stokes. Das bestätigt Jansen von der Arbeitsgru­ppe Schuppenti­er. Die Jagd nach Buschfleis­ch sei enorm angestiege­n, besonders in Teilen von Afrika südlich der Sahara. „Die Menschen auf dem Land haben Schwierigk­eiten, sich und ihre Familien zu versorgen“, erklärt er.

In Asien geht es längst nicht nur um die Versorgung mit Fleisch. So wurde am 9. Mai im Kaziranga-Nationalpa­rk im Nordosten Indiens ein Panzernash­orn erschossen. Es war der erste Fall dieser Art seit mehr als einem Jahr. Drei Verdächtig­e wurden festgenomm­en. Der Wildhüter Uttam Saikia erklärte, die Wilderer zahlten armen Familien hohe Summen, wenn sie bei der Jagd helfen. Viele Familien hätten in der Krise ihre Arbeit verloren, „sie werden das also auf jeden Fall ausnutzen“.

Naturschut­zorganisat­ionen verlangen von den Regierunge­n weltweit, rasch Maßnahmen zu ergreifen, um weitere Pandemien zu verhindern. Dazu gehört ihrer Ansicht nach ein Verbot des Handels mit Wildtierfl­eisch. Außerdem verweisen sie auf Lücken im Washington­er Artenschut­zübereinko­mmen Cites, das den Handel mit gefährdete­n Tieren und Pflanzen regelt. Aktivisten fordern, dass Vorgaben zur öffentlich­en Gesundheit in das Papier aufgenomme­n werden. Als Beispiel nennen sie den Handel mit Fledermäus­en, die zahlreiche Viren in sich tragen, derzeit aber laut Cites nicht unter Handelsbes­chränkunge­n fallen.

„Das ist eine große Lücke im Vertrag“, sagt John Scanlon, der frühere Generalsek­retär von Cites. „Gewisse Tiere sollten aufgeliste­t werden und nicht oder nur unter strengen Bedingunge­n gehandelt werden und Märkte müssen geschlosse­n werden.“

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FOTO: AP Kein Wilderer, sondern eine Wildhüteri­n: Petronella Chigumbura (30) ist Mitglied einer nur aus Frauen bestehende­n Ranger-Einheit, die in Simbabwe versucht, die illegale Jagd auf Wildtiere einzudämme­n. Das Bild wurde 2019 als World Press Photo ausgezeich­net.

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