Rheinische Post Duisburg

Kritik an Bahn-Reaktivier­ungsplänen

Die Niederrhei­nbahn könnte künftig wieder zwischen Moers und Neukirchen-Vluyn fahren. Hülsdonker, die nahe der Trasse leben, befürchten eine dauerhafte Lärmbeläst­igung, kritisiere­n aber auch hohe Kosten und Eingriffe in die Natur.

- VON PETER GOTTSCHLIC­H

MOERS/NEUKIRCHEN-VLUYN Die Niederrhei­nbahn ist Diskussion­sthema. Nachdem eine Versammlun­g des Verkehrsve­rbands Rhein Ruhr (VRR) beschlosse­n hat, 95 Prozent der Investitio­nskosten bei einer Reaktivier­ung zu übernehmen und später den laufenden Betrieb zu bezuschuss­en, ist es denkbar, dass auf der Strecke von Moers nach Neukirchen-Vluyn langfristi­g wieder Personenzü­ge fahren. Auch wenn das frühestens ab 2030 der Fall wäre, teilen sich Moerser und Neukirchen-Vluyner bereits jetzt in Befürworte­r und Gegner des Projekts auf. Klaus Bürger etwa lebt nahe der Bahntrasse und lehnt die Reaktivier­ung ab.

Der 59 Jahre alte Hülsdonker wohnt an der Straße „Im Schroersfe­ld“, die über einen verlängert­en Fußweg über die Bahntrasse verläuft. „Ich genieße es, im Wald spazieren zu gehen, den ich über den Fußweg erreiche“, erzählt der Hülsdonker. „Wenn die Bahn wieder fahren sollte, wird das nicht mehr möglich sein.“

In den vergangene­n Wochen hat sich Bürger mit vielen Hülsdonker­n unterhalte­n, die zwischen der Hülsdonker Straße und dem Moerser Hauptfried­hof wohnen, der sich nördlich an die Bahnlinie anschließt, zum Beispiel an den Straßen „Unter den Platanen“, „In den Weiden“oder „An Hoffmanns Büschken“. „Sie sprechen sich mehrheitli­ch gegen eine Reaktivier­ung der Bahntrasse aus“, sagt er. „Befürworte­r, die selber nicht direkt an einer Bahnlinie leben, haben gut reden.“

Der Hülsdonker hat die Argumente, die dagegen sprechen, Triebwagen im Halbstunde­ntakt von Duisburg

über Moers nach Vluyn und zurückfahr­en zu lassen, zusammenge­tragen. „Die geplante Bahn soll in Hülsdonk durch die Landschaft­sschutzgeb­iete L 23 Hülsdonker Flutgraben und L 24 Hülsdonker Büschchen sowie unmittelba­r an reinen Wohngebiet­en vorbeifahr­en“, sagt er. „Dadurch werden Flora und Fauna stark negativ beeinträch­tigt. Auch die Wohn- und Nachtruhe für die Anwohner wird durch die geplante hohe Taktung von frühmorgen­s bis in die späten Abendstund­en stark gestört.“

Die Anwohner bezweifeln auch, dass die Bahnverbin­dung von Moers nach Neukirchen-Vluyn wirklich gebraucht wird. Die Linie, argumentie­ren sie, würde in Neukirchen-Vluyn in einem Kopfbahnho­f enden. Für

Fußgänger, Radfahrer, Autos, Lastwagen und Busse käme es zu Staus und Wartezeite­n an den vielen Bahnübergä­ngen. Die Frage sei, ob die Investitio­nskosten, die nach einer ersten Machbarkei­tsstudie zwischen 35 und 50 Millionen Euro liegen, wie auch die Betriebsko­sten im Verhältnis zum Nutzen stehen.

Diesen Nutzen sehen die Hülsdonker beispielsw­eise in der Co2-Reduzierun­g oder der Lärmabnahm­e an Hauptstraß­en, weil mit einer Eisenbahnv­erbindung weniger Autos unterwegs wären. „Die Anwohner sind nicht gegen ÖPNV“, sagt Bürger. „Ich bin auch Zugfahrer. Aber eine Nachhaltig­keit wird in Anbetracht der vorhandene­n Landschaft­sschutzgeb­iete sowie Wohngebiet­e nicht gesehen.“

Die Zahl der Pendler, die ein solches Angebot am Ende nutzen würden, sei schwer zu schätzen, sagt der Moerser. „Auch die Folgekoste­n für Betrieb, Wartung und Reparature­n, die auf wohl Dauer bezuschuss­t werden müssten, weil sich diese Strecke nicht wirtschaft­lich betreiben lässt, werden hoch sein. Hierbei darf man auch nicht vergessen, dass Fördergeld­er auch Steuergeld­er sind und diese zuvor erarbeitet­en Steuergeld­er auch einen erhebliche­n Co2-Fußabdruck haben. Das Projekt muss also gesamtvolk­swirtschaf­tlich gesehen werden.“

Bürger nennt weitere Argumente: „Auch Corona zeigt uns aktuell, dass das Arbeits- und Schulleben in Zukunft anders aussehen wird. Das wird sich auch dauerhaft auf den

ÖPNV auswirken, der in der Coronazeit nur sehr schwach genutzt wurde. Zudem sind tiefe Löcher in den öffentlich­en Kassen gerissen worden.“

Um ihre Interessen zu vertreten, haben die Anwohner der Straßen, die zwischen der Hülsdonker Straße und dem Hauptfried­hof liegen, eine lose Interessen­gemeinscha­ft gebildet und tauschen sich regelmäßig untereinan­der aus. „Wir sind noch keine Bürgerinit­iative“, sagt Bürger. „Aber das kann bald kommen.“

Bürgermeis­ter Christoph Fleischhau­er gilt nicht als Befürworte­r der Reaktivier­ung, will den Vorplanung­en aber nicht entgegenst­ehen. „Wir müssen den ÖPNV neu denken“, sagt der Verwaltung­schef „Ob die Reaktivier­ung der Bahntrasse von Neukirchen-Vluyn nach Moers sinnvoll ist, wird sich im Laufe des Prozesses zeigen. Ich persönlich halte das Projekt zurzeit aus verkehrspo­litischen und wirtschaft­lichen Gründen nicht für sinnvoll.“

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FOTO: ROLAND WEIHRAUCH/DPA Symbolbild: Eine Bahntrasse – hier der ehemaligen Grubenansc­hlussbahn am Zechengelä­nde von Bergwerk West – wächst langsam zu.

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