Kritik an Bahn-Reaktivierungsplänen
Die Niederrheinbahn könnte künftig wieder zwischen Moers und Neukirchen-Vluyn fahren. Hülsdonker, die nahe der Trasse leben, befürchten eine dauerhafte Lärmbelästigung, kritisieren aber auch hohe Kosten und Eingriffe in die Natur.
MOERS/NEUKIRCHEN-VLUYN Die Niederrheinbahn ist Diskussionsthema. Nachdem eine Versammlung des Verkehrsverbands Rhein Ruhr (VRR) beschlossen hat, 95 Prozent der Investitionskosten bei einer Reaktivierung zu übernehmen und später den laufenden Betrieb zu bezuschussen, ist es denkbar, dass auf der Strecke von Moers nach Neukirchen-Vluyn langfristig wieder Personenzüge fahren. Auch wenn das frühestens ab 2030 der Fall wäre, teilen sich Moerser und Neukirchen-Vluyner bereits jetzt in Befürworter und Gegner des Projekts auf. Klaus Bürger etwa lebt nahe der Bahntrasse und lehnt die Reaktivierung ab.
Der 59 Jahre alte Hülsdonker wohnt an der Straße „Im Schroersfeld“, die über einen verlängerten Fußweg über die Bahntrasse verläuft. „Ich genieße es, im Wald spazieren zu gehen, den ich über den Fußweg erreiche“, erzählt der Hülsdonker. „Wenn die Bahn wieder fahren sollte, wird das nicht mehr möglich sein.“
In den vergangenen Wochen hat sich Bürger mit vielen Hülsdonkern unterhalten, die zwischen der Hülsdonker Straße und dem Moerser Hauptfriedhof wohnen, der sich nördlich an die Bahnlinie anschließt, zum Beispiel an den Straßen „Unter den Platanen“, „In den Weiden“oder „An Hoffmanns Büschken“. „Sie sprechen sich mehrheitlich gegen eine Reaktivierung der Bahntrasse aus“, sagt er. „Befürworter, die selber nicht direkt an einer Bahnlinie leben, haben gut reden.“
Der Hülsdonker hat die Argumente, die dagegen sprechen, Triebwagen im Halbstundentakt von Duisburg
über Moers nach Vluyn und zurückfahren zu lassen, zusammengetragen. „Die geplante Bahn soll in Hülsdonk durch die Landschaftsschutzgebiete L 23 Hülsdonker Flutgraben und L 24 Hülsdonker Büschchen sowie unmittelbar an reinen Wohngebieten vorbeifahren“, sagt er. „Dadurch werden Flora und Fauna stark negativ beeinträchtigt. Auch die Wohn- und Nachtruhe für die Anwohner wird durch die geplante hohe Taktung von frühmorgens bis in die späten Abendstunden stark gestört.“
Die Anwohner bezweifeln auch, dass die Bahnverbindung von Moers nach Neukirchen-Vluyn wirklich gebraucht wird. Die Linie, argumentieren sie, würde in Neukirchen-Vluyn in einem Kopfbahnhof enden. Für
Fußgänger, Radfahrer, Autos, Lastwagen und Busse käme es zu Staus und Wartezeiten an den vielen Bahnübergängen. Die Frage sei, ob die Investitionskosten, die nach einer ersten Machbarkeitsstudie zwischen 35 und 50 Millionen Euro liegen, wie auch die Betriebskosten im Verhältnis zum Nutzen stehen.
Diesen Nutzen sehen die Hülsdonker beispielsweise in der Co2-Reduzierung oder der Lärmabnahme an Hauptstraßen, weil mit einer Eisenbahnverbindung weniger Autos unterwegs wären. „Die Anwohner sind nicht gegen ÖPNV“, sagt Bürger. „Ich bin auch Zugfahrer. Aber eine Nachhaltigkeit wird in Anbetracht der vorhandenen Landschaftsschutzgebiete sowie Wohngebiete nicht gesehen.“
Die Zahl der Pendler, die ein solches Angebot am Ende nutzen würden, sei schwer zu schätzen, sagt der Moerser. „Auch die Folgekosten für Betrieb, Wartung und Reparaturen, die auf wohl Dauer bezuschusst werden müssten, weil sich diese Strecke nicht wirtschaftlich betreiben lässt, werden hoch sein. Hierbei darf man auch nicht vergessen, dass Fördergelder auch Steuergelder sind und diese zuvor erarbeiteten Steuergelder auch einen erheblichen Co2-Fußabdruck haben. Das Projekt muss also gesamtvolkswirtschaftlich gesehen werden.“
Bürger nennt weitere Argumente: „Auch Corona zeigt uns aktuell, dass das Arbeits- und Schulleben in Zukunft anders aussehen wird. Das wird sich auch dauerhaft auf den
ÖPNV auswirken, der in der Coronazeit nur sehr schwach genutzt wurde. Zudem sind tiefe Löcher in den öffentlichen Kassen gerissen worden.“
Um ihre Interessen zu vertreten, haben die Anwohner der Straßen, die zwischen der Hülsdonker Straße und dem Hauptfriedhof liegen, eine lose Interessengemeinschaft gebildet und tauschen sich regelmäßig untereinander aus. „Wir sind noch keine Bürgerinitiative“, sagt Bürger. „Aber das kann bald kommen.“
Bürgermeister Christoph Fleischhauer gilt nicht als Befürworter der Reaktivierung, will den Vorplanungen aber nicht entgegenstehen. „Wir müssen den ÖPNV neu denken“, sagt der Verwaltungschef „Ob die Reaktivierung der Bahntrasse von Neukirchen-Vluyn nach Moers sinnvoll ist, wird sich im Laufe des Prozesses zeigen. Ich persönlich halte das Projekt zurzeit aus verkehrspolitischen und wirtschaftlichen Gründen nicht für sinnvoll.“