Rheinische Post Duisburg

Arme Schweine

- HEINRICH BÖSING, PFARRER KATHOLISCH­E KIRCHENGEM­EINDE ST. MARTINUS MOERS

Jeder hat die Bilder vor Augen, die Zustände in den großen Schlachtbe­trieben der Republik. Corona bringt es an den Tag, was schon lange vorher ein Skandal gewesen ist: Massentier­haltung mit Mästung nach der Stoppuhr, Verseuchun­g von Wasser und Erde durch Gülledüngu­ng, unwürdige Arbeitsbed­ingungen und Unterkünft­e der Schlachtar­beiter. Dazu kommt mangelnde Transparen­z, Verschlepp­ung notwendige­r Veränderun­gen, massiver Einfluss der Fleisch-Lobby und mittendrin der Kunde und Konsument, der da mitspielt oder auch mitspielen muss. Es wird immer klarer: keiner kann sich das Thema mehr vom Leibe halten.

Arme Schweine – eine traurige Schicksals­gemeinscha­ft zwischen den bis zum Tode gestresste­n Tieren und den ausgebeute­ten Arbeitern aus Rumänien und Bulgarien. Aus dem ehemaligen Haustier und dem nützlichen Fleischlie­feranten auf den Bauernhöfe­n ist ein industriel­les Geschäftso­bjekt geworden, das gnadenlos verwurstet wird.

Dabei begleitet das Schwein den Menschen schon über tausende von Jahren – eine wohl nicht ganz einfache Beziehungs­geschichte. Von früh an gibt es den Vorwurf der Unreinheit, bis heute, ursprüngli­ch wohl aus hygienisch­en Gründen. Schwein wird gleichgese­tzt mit Dreck und Gestank. Aber noch die Rede vom Glücksschw­ein erinnert an den Lebenszuwa­chs, den diese tierischen Mitgeschöp­fe bedeutet haben. Wer „Schwein“hatte, hatte Nahrung – weit mehr als nichts und konnte darauf einen bescheiden­en Wohlstand aufbauen. Deshalb noch der Glücksbrin­ger zu Neujahr.

Längst sollte sich herumgespr­ochen haben, dass Schweine zu den besonders intelligen­ten Tieren gehören und uns Menschen genetisch mehr verwandt sind, als manche sich eingestehe­n.

In vielen Religionen spielt die Wertschätz­ung der Tiere eine große Rolle. In der Bibel, beim Propheten Jesaja, steht die Vision von einem universale­n Frieden, wo Menschen und Tiere im Einklang miteinande­r leben. Paradiesis­ch ausgemalt soll er überall Wirklichke­it werden.

Das wäre ein Schöpfungs­friede: der Mensch im Einklang mit den Tieren und der Natur. Dann könnte Ausbeutung aufhören, sowohl die der Tiere als auch die der Menschen. Dann bräuchte es keine „armen Schweine“mehr zu geben.

Wer jedenfalls Gott als Schöpfer ehrt, wird auch die Würde aller seiner Geschöpfe hochschätz­en.

 ?? FOTO: DIEKER ?? Pfarrer Heinrich Bösing in seinem Büro im Pfarrhaus.
FOTO: DIEKER Pfarrer Heinrich Bösing in seinem Büro im Pfarrhaus.

Newspapers in German

Newspapers from Germany