Wenig Weitsicht
Zu „Ein geschwächter Jubilar“(RP vom 25. Juni): Die Faktenaufzählung ungelöster Probleme in dem Artikel zum 75. Geburtstag der Weltorganisation UN in New York ist für mich eine Offenlegung zahlreicher Erfolglosigkeiten. Die Regierungen der 193 Mitgliedsländer müssen sich fragen, wozu die UNO überhaupt da ist. Solange das Vetorecht im aus fünf ständigen Mitgliedern bestehenden Sicherheitsrat besteht, wird die UNO machtlos sein. Generalsekretär Antonio Guterres tritt da, wo ein Eingreifen der UNO erforderlich wäre, nur noch als Mahner an die betroffenen Parteien auf; darauf kann die Welt verzichten. Das jüngste Beispiel für die Machtlosigkeit der UNO: Sie schaut zu, wie im Schatten der Corona-Pandemie Präsident Bolsonaro von Brasilien
Als gebürtige Niederrheinerin, die seit vielen Jahren in Bayern lebt, bin ich entsetzt und beschämt über die Ausgrenzung der Menschen aus den Landkreisen Gütersloh und Warendorf durch Bayern und Meck-Pomm. Diese Stigmatisierung erinnert mich fatal an den Umgang mit Pest- und Lepra-Kranken im Mittelalter. Ein solches Vorgehen von Staats wegen im 21. Jahrhundert ist zutiefst inhuman und entspricht sicher nicht dem christlichen Weltbild. Liebe NRW-ler: Fahrt ein Stückchen weiter nach Italien, dort werdet Ihr freundlich aufgenommen. Und erinnert Euch bei der Urlaubsplanung nächstes Jahr daran, wer Euch jetzt nicht haben wollte. Aus Solidarität werde ich meine geplante Reise nach Meck-Pomm stornieren, auch und gerade weil ich aus Bayern (einem vermeintlich ‚sauberen‘ Bundesland) anreise.
Was Politiker wirklich drauf haben, zeigt sich oft in der Krise. Und die Coronakrise zeigt, dass es nur wenige Politiker gibt, die ein Gütesiegel verdient haben. Jedem waren die Arbeitsbedingungen, Wohnund Hygieneumstände der in der Fleischindustrie tätigen Mitarbeiter bekannt, nur unseren Politikern offenbar nicht. Wie immer in solchen Situationen hecheln sie jetzt den Ereignissen hinterher und können nur reagieren statt frühzeitig und weitsichtig zu agieren. Warum hat man nicht schon im Februar oder März den möglichen „Brandherd“Fleischindustrie unter die Lupe genommen? Mal wieder hat die Politik viel Vertrauen verloren. Und meines Erachtens Laschet in erster Linie.
Zu „Höchste Zeit für weniger Fleisch“(RP 23. Juni): Es gibt nichts umsonst! Wollen wir Dinge billiger haben (Fleisch, Kleidung), muss jemand anderes teuer dafür bezahlen – entweder die Tiere mit Qualen und Tod, die Umwelt mit ihrer Zerstörung, der Arbeitnehmer mit seiner Gesundheit oder alle zusammen. Wir haben uns angewöhnt, Wertschätzung für vieles nur zu entwickeln, wenn es einen „hohen“Preis hat, und in vielen Bereichen sind die Schäden leider nicht eingepreist. Arbeitsstrukturen zu Gunsten aller modifizieren? Maßhalten oder gar verzichten? Bloß nicht, da fühlen wir uns in unserer Selbstbestimmung bedroht und sägen lieber weiter an dem Ast, auf dem wir sitzen.