Restaurants, Kneipen, Kinos, Bäder – alles zu
Die Ministerpräsidenten haben sich mit der Kanzlerin auf drastische Maßnahmen geeinigt. Betroffene Betriebe sollen unterstützt werden.
DÜSSELDORF/BERLIN Bund und Länder haben sich angesichts rasant steigender Infektionszahlen auf weitere drastische Einschränkungen des öffentlichen Lebens geeinigt. Sie sollen bundesweit einheitlich ab dem 2. November gelten und zunächst bis Ende des Monats befristet sein. Von Montag an sollen sich in der Öffentlichkeit nur noch Angehörige des eigenen und eines weiteren Hausstandes mit maximal zehn Personen treffen dürfen. Verstöße sollen von den Ordnungsbehörden streng verfolgt werden. Kneipen, Bars, Clubs und Restaurants sowie Theater, Opern und Kinos werden ebenso geschlossen wie Bordelle, Schwimmhallen und Fitness-Studios. Freizeit- und Unterhaltungsveranstaltungen werden untersagt. Die Fußball-Bundesliga muss weiter ohne Publikum in den Stadien spielen. Schulen und Kitas hingegen bleiben offen ebenso wie der Groß- und Einzelhandel.
Von der Schließung in der Gastronomie sind nur die Lieferung und Abholung von Speisen ausgenommen und Kantinen. Kosmetikstudios, Massagepraxen und Tattoostudios werden geschlossen. Friseure bleiben geöffnet. Touristische Übernachtungen werden untersagt. Die Hilfe des Bundes für betroffene Betriebe wird um ein Zehn-Milliarden-Euro-Paket erweitert.
NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) sagte: „Das war ein sehr entscheidender Tag, um eine effiziente Corona-Bremse zu beschließen.“Es gehe darum, in einer gemeinsamen Kraftanstrengung eine Notlage abzuwenden. Die Gesundheitsämter seien an den Grenzen der Belastbarkeit angekommen. Es sei daher nicht mehr entscheidend, ob Hygienekonzepte vorlägen, sondern
die sozialen Kontakte insgesamt zu reduzieren. Bundeskanzlerin Merkel warnte: „Wir wissen für 75 Prozent der Neuinfektionen nicht mehr, woher sie kommen.“Sie verlangte von Bürgern und Unternehmen im November eine „nationale Kraftanstrengung“.
Die Opposition in NRW beantragte kurzfristig eine Sondersitzung des Landtags. Es handle sich um gravierende Grundrechtseingriffe, die der Landtag „als der zentrale Ort politischer Debatten“beschließen müsse, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung von SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty mit der neuen Grünen-Co-Fraktionschefin Josefine Paul. „Angesichts der ernsten Lage, in der wir uns jetzt befinden, ist es richtig und angemessen, jede mögliche und verhältnismäßige Maßnahme in Erwägung zu ziehen, die zur Eindämmung des Virus beitragen kann“, so Kutschaty. Dabei sei es angezeigt, mit Bedacht und Besonnenheit vorzugehen. Grünen-Co-Fraktionschefin Verena Schäffer kündigte gegenüber unserer Redaktion an, die Beschlüsse auf ihre Verhältnismäßigkeit hin genau zu prüfen. Christof Rasche, Fraktionschef
des Koalitionspartners FDP in NRW, begrüßte ebenfalls eine Debatte im Landtag, verteidigte die Beschlüsse aber: „Die Infektionslage ist ernst. Um eine Trendumkehr zu schaffen, muss jeder Einzelne mitwirken und sich an Regeln halten.“Die Regeln müssten aber effektiv kontrolliert werden. Die neuen Einschnitte seien sehr hart: „Ob die Maßnahmen treffsicher sind, muss bei der Evaluierung in zwei Wochen geprüft werden.“
Ganz anders sehen das die Liberalen im Bund. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) hält die Corona-Maßnahmen in Teilen für rechtswidrig und ruft dazu auf, gerichtlich dagegen vorzugehen. „Ich halte die aktuellen Beschlüsse in Teilen für rechtswidrig. Wenn die Runde der Regierungschefs Maßnahmen verabredet, die bereits mehrfach von Gerichten aufgehoben wurden wie das Beherbergungsverbot, dann ignorieren die Beteiligten bewusst die Gewaltenteilung. Ich rufe alle Betroffenen auf, rechtliche Mittel gegen diese Maßnahmen einzulegen“, sagte Kubicki unserer Redaktion.
Der Deutsche Städtetag begrüßte hingegen die Entscheidungen von Bund und Ländern, auch wenn sie „schmerzhaft“seien. „Es ist besser, jetzt entschlossen zu handeln, als später mit Versäumnissen zu hadern“, sagte Burkhard Jung, Präsident des Deutschen Städtetages.
Einigkeit herrschte in den Beratungen bundesweit von vornherein darin, Schulen und Kitas offenzuhalten. Die Landesvorsitzende des Berufsverbandes Kinder- und Jugendärzte, Christiane Thiele, hält dies für die richtige Entscheidung: „Die jüngsten Studien zeigen, dass Kita- und Grundschulkinder nicht so ansteckend sind.“Das Grundrecht auf Bildung sei sehr ernst zu nehmen.