Die Muppets sind wieder da
Miss Piggy hat jetzt eine Stylingshow, Kermit ist melancholisch, und Truthenne Beverly darf kochen: „Muppets Now“verspricht viel.
Bitte kurz mal vorstellen, man wäre Boss eines TV-Senders. Man wird zu einem sogenannten Pitch gebeten, wo Leute ihre Ideen für neue Shows und Serien möglichst kurz und prägnant präsentieren. Und dann ist da plötzlich dieser Kerl, der stark nach Hippie aussieht, und er erzählt etwas von einer Sendung, in der eine Riesengarnele mitspiele. Sie werde Pepe genannt, heiße aber eigentlich Pepino Rodrigo Serrano Gonzales. Sie stamme aus Spanien und habe nur einen Zahn. Ein blaues, drachenähnliches Wesen, das gerne Dreiteiler aus kariertem Tweed trage und Doktor Tödlich heiße, sei auch mit von der Partie. Und im Mittelpunkt des Formats stehe ein Frosch, der mit einer Schweinedame liiert sei. Ach so, alle Figuren seien Puppen und könnten natürlich sprechen. Ganz ehrlich: Würde man als Senderchef so etwas kaufen? – Auf jeden Fall und unbedingt.
Zwischen 1976 und 1981 liefen 120 Folgen der klassischen „Muppet Show“; der 1990 gestorbene Jim Henson hatte sie während des Studiums zu entwickeln begonnen. Und weil man in den USA zunächst Bedenken hatte, ob so etwas Schrilles funktionieren würde, startete das Projekt in England, wo es traditionell ja ohnehin mehr Verständnis für Exzentrik gibt. Der Erfolg der „Muppet Show“gründete auf der stillen und augenzwinkernden Übereinkunft mit dem Publikum, Puppen als Menschen ernstzunehmen. So sang denn Miss Piggy auf Augenhöhe mit Johnny Cash im Duett, sie knutschte mit Roger Moore, und man fand das normal für diese Kreise, und ihre Beziehung zu Kermit war ebenso aufsehenerregend und wechselhaft wie die von Liz Taylor und Richard Burton.
Die Muppets wurden zu Weltstars, waren mitunter viel berühmter als die Prominenten aus Fleisch und Blut, die sie in ihrem Varieté empfingen. Sie brachten Filme ins Kino und ins TV, von denen „Die Muppets feiern Weihnacht“der beste ist – schon wegen der unfassbar tollen Szene, in der der Schneemann von draußen in die warme Stube flieht, sich schüttelt und sagt: „Brrr, ist das kalt!“Die Muppets passten sich der jeweiligen Zeit an, ohne ihren besonderen Charme zu verlieren. 2015 gab es eine neue Serie, in der sie eine Late Night Show produzierten: „Up Late With Miss Piggy“. Die Produktion tarnte sich als Dokumentation, und auch darin ging es darum, dass der Zuschauer sein eigenes tägliches Chaos gespiegelt sah. Nur halt von Puppen, die Tiere darstellen, die menschliche Züge haben.
Auch die Übersetzung ins Internet gelang, die Twitter-Accounts von Kermit und Miss Piggy zum
Beispiel sind toll: Statt „ich“sagt Piggy stets das viel angemessenere französische „moi“, und ihr Kostüm zu Halloween war das einer „Oscar winning actress“(„Oscar-gewinnenden Schauspielerin“). Deshalb durfte man sich freuen auf die neue Serie, die nun bei Disney+ startet. „Muppets Now“wurde angeblich ohne Skript produziert, die einzelnen Bestandteile der Sendung seien improvisiert, heißt es, und zumindest in der ersten Folge sehen sie ehrlich gesagt auch so aus.
Die Produktion hat eine Rahmenhandlung, die gut in die pandemiegebeutelte Gegenwart passt. Ausgerechnet der chaotische Scooter soll die Änderungswünsche der verschiedenen Muppets für die neue Sendung einarbeiten. Man sieht den Desktop seines Computers, darauf viele Dateien und Kacheln mit Videocall-Teilnehmern und hereinrieselnden Kurznachrichten. Das Problem: Scooter hat das ganze Material bereits aus Versehen hochgeladen, und der Zuschauer sieht es nun. Muppetleaks.
Miss Piggy hat nun einen Video-Styling-Blog, und weil die Grafik nicht fertiggeworden ist, heißt es „Lifesty mit Miss Biggy“. Kermit hat ein Interviewformat, bei dem Ru Paul zu Gast ist. Und natürlich geht immer überall alles schief. Als neue Figur wird die Truthenne Beverly Plume eingeführt, die mit dem schwedischen Koch die Sendung „Økeÿ Døkeÿ Køøkïñ“präsentiert. Muppet-Fans kennen Beverly schon: In der „Weihnachtsgeschichte“war sie als Truthahn zu sehen.
Das Ganze plätschert so dahin und hält nicht, was man sich selbst davon versprochen hat. Vielleicht wird es in den ausstehenden Folgen besser, aber in „Muppets Now“ist noch zu wenig Allzumenschliches zu sehen. Die notorische Melancholie von Kermit. Das Zugewandte unter dem Krawalligen bei Miss Piggy. All das also, wofür man die Muppets als eine der besten Freunde-Gangs der Fernsehwelt neben den Peanuts ins Herz geschlossen hat.
Kurz noch ein letztes Mal vorstellen, man wäre TV-Boss, bitte. Was würde man dem Hippie sagen, wenn er den Namen des Wissenschaftlers nennen würde, der in seiner Serie mitspielt? Prof. Dr. Honigtau Bunsenbrenner? Genial!