Rheinische Post Duisburg

Andrea Nahles über die Krise der SPD

- VON CLEMENS GATERMANN

Die SPD dürfe „den schwierige­n Fragen nicht ausweichen”, sagte Andrea Nahles bei der Antrittsvo­rlesung an der Uni Duisburg-Essen (UDE), die online übertragen wurde. Sie sprach auch über neue Aufgaben für die Parteien.

NEUDORF So hatte sich die ehemalige Bundesmini­sterin Andrea Nahles (SPD) die Antrittsvo­rlesung ihrer Mercator-Professur an der Universitä­t Duisburg-Essen (UDE) sicherlich nicht vorgestell­t. Leere Ränge und virtuelles Publikum prägten die Kulisse am Dienstagab­end im Audimax der UDE. Wegen der Auswirkung­en der Corona-Pandemie konnte die Vorlesung der ehemaligen SPD-Vorsitzend­en nur auf dem Youtube-Kanal der “NRW School of Governance” gestreamt werden

Diese Umstände hinderten Andrea Nahles (SPD) jedoch nicht daran, unter dem Titel „Das Neue sozial denken”, über die Krise der Sozialdemo­kratie und die Bewältigun­g künftiger Herausford­erungen zu referieren. Nach der offizielle­n Begrüßung, bei der ihr Ulrich Radtke, Rektor der Universitä­t Duisburg-Essen (UDE) und Karl-Rudolf Korte, Direktor der „NRW School of Governance“an der UDE, die Urkunde ihrer Gastprofes­sur überreicht­en, startete Nahles inhaltlich.

Nachdem sich Nahles, in schwarzem Blazer auf der Bühne des verwaisten Hörsaales stehend, an einer wissenscha­ftlich fundierten Analyse des Niedergang­s sozialdemo­kratischer Parteien in Deutschlan­d, Österreich und Italien versuchte, kam sie auf zukunftswe­isende Themen, wie Datendemok­ratiesieru­ng und Wirtschaft­sdemokrati­esierung zu sprechen. Eindrückli­ch zeigte Nahles auf, dass keine Partei mehr Wähler für sich verbuchen könne. „Soziale Zugehörigk­eit spielt eine immer geringere Rolle bei dem Wahlakt“, erklärte die derzeitige Präsidenti­n der Bundesanst­alt für Post und Telekommun­ikation. Dies ließe sich mit dem Wandel der Gesellscha­ft erklären, welcher neue Konfliktli­nien entstehen lasse. Dennoch bedeute dies nicht das Ende der Sozialdemo­kratie und damit der SPD, betonte Nahles.

Vielmehr gehe es darum, dass die SPD „den schwierige­n Fragen nicht ausweichen darf”. Damit war Nahles

bereits bei ihrem Titelthema des Abends angekommen: „Das Neue sozial denken.” Das erfordere Neugier und Offenheit für Neues sowie viel politische Kommunikat­ion, so Nahles. Dabei gehe es in einem ersten Schritt darum, die Macht der Daten zu demokratis­ieren. “

„Daten sind für mich Gemeingut und nicht Eigentum von einigen wenigen”, betonte Nahles. Um diese Forderung umzusetzen könnte über eine Ergänzung der Datenschut­zgrundvero­rdnung (DSGVO) um eine Datennutzg­rundverord­nung nachgedach­t werden. Wichtig sei zudem, die Macht der Wirtschaft zu demokratis­ieren. Während früher eine gute Ausbildung noch eine Garantie für ein erfolgreic­hes Arbeitsleb­en gewesen sei, „ist das heute anders.” „Seit Jahren reden wir darüber, dass es den Beruf für das Leben nicht mehr gibt”, so Nahles. Nötig seien daher Maßnahmen, wie ein Recht auf Weiterbild­ung. „Wir müssen unser System des Ausgleichs zwischen Arbeit und Kapital

neu denken.” Nachdem Nahles ihren Vortrag beendet hatte, erhielten die Zuschauer – trotz physischer Distanz – die Möglichkei­t, über Social-Media-Plattforme­n Fragen zu stellen.

Darüber entstand auch in Coronazeit­en ein angeregter Austausch über verschiede­nste Themen, von einem europäisch­en Mindestloh­n bis zur Förderung von Frauen. Dabei erfahren die Zuschauer auch, dass Nahles ihre Forderung nach einem Jugendraum in ihrem Heimatdorf bis heute nicht durchsetze­n konnte, obwohl damit ihr politische­s Engagement angefangen habe. Ihren Auftritt beendet Andrea Nahles mit einem klaren Statement: „Ich werde mich immer für diese Demokratie einsetzten und hoffe, dass mir viele folgen.”

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FOTO: KOKOSKA Andrea Nahles hat ihre Gastprofes­sur an der Universitä­t Duisburg-Essen angetreten.

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