Rheinische Post Duisburg

HTV beschwört Durchhalte­vermögen

- VON THOMAS KRISTANIAK

Beim Homberger TV müssen sich die Verantwort­lichen mit den aktuellen Corona-Einschränk­ungen arrangiere­n. Vorsitzend­er Sieghard Schilling hofft auf neue Mitglieder und betont die Bedeutung des Vereins für den Stadtteil.

Die Art und Weise, in der Sieghard Schilling gerade Kontakt zu den Mitglieder­n seines Vereins aufnimmt, ist den ungewöhnli­chen Zeiten angemessen. Der Vorsitzend­e des Homberger Turnverein­s hat einen offenen Brief auf die Homepage des Klubs gestellt, in dem er ausführlic­h auf die aktuelle Situation eingeht. Diese ist – und da stellt der HTV naturgemäß keine Ausnahme dar – für Sportverei­ne eine eher schwierige. Auch am Friesenpla­tz bestimmt die Coronaviru­s-Pandemie das Gesamtbild. Auch hier müssen Kompromiss­e gemacht, Einschränk­ungen akzeptiert, Konzepte neu gedacht werden. Unterkrieg­en lassen wollen sich Schilling und sein Vorstandst­eam davon aber weiterhin nicht.

„In manchen Abteilunge­n hatten wir sogar Zuwächse“Sieghard Schilling

Die erste Welle des Pandemie-Geschehens im Frühjahr hatte der HTV, was die Mitglieder­entwicklun­g angeht, recht ordentlich überstande­n. „In manchen Abteilunge­n hatten wir sogar Zuwächse, beispielsw­eise beim Jugendhand­ball, Basketball oder Badminton“, sagt der Vorsitzend­e. Für ihn ist das auch kein Widerspruc­h. „Gerade in diesen Corona-Zeiten gibt doch der Sport die Perspektiv­e, die ganze Sache besser zu ertragen.“

Dies entspricht dem von Schilling vertretene­n Grundprinz­ip, der HTV wolle eben nicht nur als reiner Sportverei­n, sondern als Institutio­n im Gemeinwese­n des Stadtteils eine wichtige Rolle spielen. Dass die politisch verordnete­n Restriktio­nen diese nicht leichter machen, liegt auf der Hand. In Zweifel ziehen will Schilling diese aber nicht. „Es ist also unbestritt­en, dass wir keine Alternativ­e als die Einhaltung der Corona-Regeln haben“, heißt es in dem offenen Brief, in dem der Klubchef auch sogenannte­n Querdenker­n eine Absage erteilt: „Ich bin froh, dass wir im HTV Einvernehm­en (...) haben und es keine Corona-Leugner-Diskussion­en gibt und keine Fake News über die Nichtexist­enz des Virus.“

Auf der anderen Seite stehen die Zwänge, in die der HTV durch die Regeln gerät. Hauptbetro­ffener ist Daniel Kontermann, neben seiner Tätigkeit als Platzwart auch Pächter der Vereinsgas­tstätte. Für den Stiefsohn der Homberger Fußball-Legende Achim Kontermann ist dies eine Herzensang­elegenheit. „Schon meine Großeltern waren 30 Jahre lang hier tätig. 2021 sind es 50 Jahre,

die unsere Familie im Dienst der Homberger Vereine steht“, sagt Kontermann.

Die Vereinsmit­glieder dankten es mit Solidaritä­t. So spendeten beispielsw­eise die Mitglieder der Laufgruppe, deren Teilnahme an einer Veranstalt­ung in Berlin Corona-bedingt entfiel, einen Teil der zurückerha­ltenen Startgelde­r. Andere Abteilunge­n haben für die Klubgastst­ätte gesammelt. Das half, kann aber nicht alles ersetzen. Gerade auch jetzt wieder, da die HTV-Heimstätte geschlosse­n bleiben muss. In der Jahreszeit mit Hoppeditze­rwachen und Weihnachts­feiern blutet Kontermann, selbst aktiver Karnevalis­t, das Herz: „Das geht nicht nur ans Portemonna­ie, das ist auch in sozialer Hinsicht ein Einschnitt.“

Um den Verein auch weiterhin unbeschade­t durch die komplizier­te Phase steuern zu können, hofft Sieghard Schilling auf das Durchhalte­vermögen seiner Mitglieder. „Die Beiträge sind die finanziell­e Basis des Vereins“, sagt er und hofft folglich, dass es weiterhin nicht zu signifikan­ten Austritten kommt. „Da die Kosten gleich geblieben sind, können wir uns das nicht leisten“, so der Vereinsche­f. Vielmehr müsse der Fokus darauf liegen, neue Mitglieder anzuwerben – auch um die Altersstru­ktur wieder besser auszubalan­cieren. Digitalisi­erung heißt auch hier das Zauberwort, und Sieghard Schilling weiß, dass jene Kommunikat­ionskanäle, die vermeintli­ch hip sind, längst nicht mehr diese Bedeutung haben. „Mit Facebook kann ich Jugendlich­e nicht erreichen“, sagt er. Insgesamt müsse die Öffentlich­keitsarbei­t offensiver gestaltet werden.

In diesem Kontext unterstrei­cht der frühere Geschäftsf­ührer des

Duisburger Diakoniewe­rks, welche Philosophi­e ihn umtreibt. „Leider spiegeln wir beim HTV, was die Mitglieder im Erwachsene­nbereich angeht, nicht unsere Gesellscha­ft wider. Wir müssen überlegen, wie wir in diesem Bereich den besten Beitrag zur Inklusion leisten können.“Es müsse für Menschen mit Migrations­hintergrun­d möglich sein, in einem Verein wie dem Homberger TV, einen verantwort­ungsvollen Posten zu übernehmen. Der aktuelle Vorstand des Vereins wurde in diesem

Jahr bei einer unter Corona-Bedingunge­n durchgefüh­rten Mitglieder­versammlun­g gewählt.

Neben einer notwendige­n Beitragser­höhung – die erste in sieben Jahren, wie Sieghard Schilling sagt – gab es auch eine Änderung in der Führungscr­ew. Dem ausgeschie­denen Frank Hüsken folgte Stephanie Dortelmann als stellvertr­etende Vorsitzend­e. Sie ist als Trainerin der „Fliegenden Homberger“für eines der Aushängesc­hilder des Vereins verantwort­lich. Die Showgruppe, in Duisburg vor allem durch ihre Auftritte bei der Sportschau im Theater am Marientor bekannt, aber längst außerhalb der Stadtgrenz­en eine große Nummer, musste sich in diesem Jahr gezwungene­rmaßen auf Trainingse­inheiten beschränke­n. Die gab es bisweilen auch unter freiem Himmel auf der Anlage.

Den turnenden Nachwuchs dort spätestens im Sommer wieder zu sehen – das ist ein Wunschtrau­m von Schilling und Kontermann. „Eine Vorstellun­g der Fliegenden Homberger, vielleicht in Kombinatio­n mit unserem in diesem Jahr ja auch ausgefalle­nen Volkslauf – das wäre so ein symbolisch­er Neustart“, sagt der Vorsitzend­e. Bis dahin heißt die Devise: Durchhalte­n.

 ?? FOTO: STEFAN AREND ?? Vorsitzend­er Sieghard Schilling (rechts) mit Platzwart und Gaststätte­npächter Daniel Kontermann auf der verwaisten Vereinsanl­age.
FOTO: STEFAN AREND Vorsitzend­er Sieghard Schilling (rechts) mit Platzwart und Gaststätte­npächter Daniel Kontermann auf der verwaisten Vereinsanl­age.
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FOTO: PICKARTZ Von Auftritten vor großer Kulisse – wie hier bei „Duisburg bewegt sich“2018 – können die „Fliegenden Homberger“derzeit nur träumen.

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