Athen und Ankara stehen vor schwierigen Verhandlungen
ATHEN Noch vor wenigen Monaten standen Griechenland und die Türkei im Streit um die Bodenschätze im östlichen Mittelmeer am Rand eines militärischen Konflikts. Jetzt ist die akute Kriegsgefahr zumindest vorerst gebannt: Die Regierungen in Athen und Ankara kehren an den Verhandlungstisch zurück. Eine schnelle Einigung ist aber nicht zu erwarten.
Seit rund 50 Jahren streiten Griechenland und die Türkei um die Abgrenzung der Wirtschaftszonen im östlichen Mittelmeer. Besondere Brisanz hat der Konflikt bekommen, nachdem in den 90er-Jahren dort Erdgasvorkommen entdeckt wurden. Im vergangenen Jahr spitzte sich der Streit gefährlich zu: Die Türkei kreuzte bei der Erdgassuche mit Forschungs- und Kriegsschiffen in Seegebieten auf, die nach den Regeln der Seerechtskonvention der Vereinten Nationen (Uno) den EU-Staaten Griechenland und Zypern als ausschließliche Wirtschaftszonen zustehen. Die Türkei erkennt die Uno-Konvention nicht an. Auf dem Höhepunkt der Spannungen im Sommer 2020 versuchten Bundeskanzlerin Angela Merkel und Außenminister Heiko Maas, die Nachbarstaaten an den Verhandlungstisch zu bringen. Der Vermittlungsversuch scheiterte aber.
Dass sich Ankara und Athen jetzt doch noch auf Verhandlungen einigten, hat mit dem wachsenden Druck der EU zu tun. Sie droht der Türkei wegen der als „illegal“erachteten Gas-Explorationen mit Sanktionen. Das Thema soll im März beim EU-Gipfel auf die Tagesordnung kommen. Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan hofft offenbar, mit der Aufnahme von Verhandlungen Strafmaßnahmen abwenden zu können. Ende Dezember zog die Türkei ihr Forschungsschiff „Oruç Reis“aus den umstrittenen Seegebieten zurück. Für mindestens sechs Monate will Ankara auf Explorationen in der Region verzichten. Damit erfüllt die Türkei eine Forderung Griechenlands. Athen hatte den Abzug des Schiffes zur Bedingung für Verhandlungen gemacht.
Das erste Treffen soll am 25. Januar in Istanbul stattfinden. Damit nehmen beide Länder die bereits 2002 begonnenen Sondierungsgespräche wieder auf. Sie wurden nach 60 Gesprächsrunden 2016 ohne greifbare Ergebnisse abgebrochen. Auch jetzt ist keine schnelle Beilegung des Konflikts in Sicht. Schon der Streit um die Wirtschaftszonen ist wegen der zahlreichen griechischen Inseln kompliziert genug. Der griechische Premier Kyriakos Mitsotakis hat vorgeschlagen, den Internationalen Gerichtshof in Den Haag als Schlichter anzurufen.