„Wir haben ganz viel nachzuholen“
Wie läuft das Lernen an den Grundschulen? Wir haben uns im Duisburger Süden umgehört: An der Schule Am Knappert in Rahm, der Albert-Schweitzer-Grundschule in Huckingen und den Schulen Großenbaumer Allee und Lauenburger Allee.
Wie es theoretisch laufen soll, erklärt die Schulaufsicht der Bezirksregierung Düsseldorf: Der Unterricht, so erklärt die Sprecherin der Bezirksregierung, findet ausschließlich als Distanzunterricht statt. Und für alle Schüler, die von den Eltern nicht zu Hause betreut werden können, gibt es vor Ort in den Schulen eine pädagogische Betreuung, die so genannte Notbetreuung. Im Distanzunterricht können sich die Pennäler ihre Zeit frei einteilen. Nur für Videokonferenzen gibt es feste Uhrzeiten. Auch die digitale Ausstattung spielt dabei eine große Rolle, weil sie an den Schulen unterschiedlich gut ist. Die Schüler bekommen Wochenpläne über digitale Lernplattformen zugeschickt, sofern sie digitale Endgeräte haben. Ihre Ergebnisse schicken sie auf diesem Weg auch zurück an die Lehrer. Wenn extra Materialien oder Lernzubehör gebraucht werden, können die Eltern diese an der Grundschule abholen. Dabei gibt es für sie bestimmte Zeitfenster, um Kontakte zu vermeiden. Manche Schulen händigen die kompletten Wochenpläne auf diese Weise aus. Ein Padlet (eine elektronische Pinnwand) und Videokonferenzen runden das Angebot ab.
Und wie sieht die Praxis aus? Andreas Geselbracht, Rektor der Albert-Schweitzer-Grundschule in Huckingen, gibt zu, dass der Schulbetrieb holprig angelaufen ist: „Wir arbeiten mit IServ, wie die übrigen Grundschulen auch. Was am ersten Tag nach den Weihnachtsferien schlecht lief, konnten wir bereits am zweiten Tag ausbügeln“. Die Eltern haben sie nach den technischen Möglichkeiten abgefragt, dabei war die Rückmeldung von 80 bis 90 Prozent positiv, was die digitale Ausstattung angeht. Die Eltern, so Geselbracht, haben gut vorgesorgt. 26 Kinder werden derzeit in der Notbetreuung bis 16 Uhr versorgt, Mittagessen und Hausaufgabenbetreuung inklusive. Die Tage müssen die Eltern für drei Wochen im Voraus anmelden. Die Disziplin der Kinder lobt der Rektor ausdrücklich. Man könne ihnen viel mehr zutrauen, als viele denken, Kinder würden einen immer wieder mit ihrer Flexibilität überraschen. Ein schönes Extra: Zwei Sportlehrer stellen in der Turnhalle gedrehte Sportvideos ins Netz, genannt „Schranki & Steini“, die die Kinder während Corona begeistert annehmen.
An der Grundschule Am Knappert erzählt Schulleiterin Edith Winter von der Realität in Rahm. Dass die Schule keine WLAN-Verbindung hat, erschwere den Distanzunterricht. 30 Kinder sind in der Notbetreuung, die hier von 7.30 bis 14 Uhr läuft. Alle Lehrkräfte sind sehr engagiert und eingespannt, dreimal pro Woche finden Videokonferenzen zwischen den Klassenlehrerinnen und den Schulkindern statt. Dass die PCs der Lehrkräfte nicht funktionieren und Edith Winter schon Mitte Dezember diese Fehlermeldung an die dafür zuständige Störungsstelle in Duisburg weitergeben hat, konnte nichts bewirken. Der Fehler liege wohl bei Vodafone, und die konnten den Defekt noch nicht beheben, sagt sie. Die Rahmer Kinder seien digital recht gut ausgestattet, meint sie. Für die 17 iPads, die die Schule zur Verfügung hat, gebe es keine Schutzhüllen. Deshalb konnten sie noch nicht an die Kinder verteilt werden. Lieferengpässe seien der Grund. Unterrichtsmaterialien werden auch hier nach Terminvergabe an die Eltern ausgegeben.
Was Corona mit Kindern und Familien macht, darüber denkt Edith Winter viel nach. „Wir haben ganz viel nachzuholen, nicht nur den Sportunterricht auf dem Fußballplatz, den wir bis zu den Ferien nutzen durften“, fügt sie hinzu. Thomas Schroeder, Vater eines Zweitklässlers, Arzt und Vorsitzender der Schulpflegschaft, lobt das Kollegiums. „Diese Schule ist exzellent und alle sehr engagiert. Dass die digitale Infrastruktur hier eine Katastrophe ist, müssen wir betonen. Wir haben nur fest installierte Computer für die Schulkinder, die seit Dezember schon defekt sind. Die Lehrkräfte müssen den Spagat zwischen Homeschooling und Notbetreuung hinbekommen. Die machen einen richtig guten Job. Ganz im Gegensatz zur Landesregierung. Wie die Strategie für die nächsten Monate ist, das interessiert ihn sehr. Werde es Schnelltests für die Schüler geben? Warum sei in den vergangenen elf Monaten hier so wenig passiert?
Wie empfinden das die Kinder? Felix, Zweitklässler der Gemeinschaftsgrundschule Lauenburger
Allee: „Mir fehlen meine Klassenkameraden. Wir sind 19. Nun beginne ich morgens um 8 Uhr zu Hause zu lernen. Dreimal pro Woche darf ich das mit meinem besten Freund machen, der zu uns kommt oder ich gehe zu ihm. Fußballspielen und Klettern auf dem Schulhof, das fehlt mir auch.“
Seine Mutter erzählt, dass die Schule Lernpatenschaften gegründet hat. Jeweils zwei dürfen es sein, immer mit einem festen Partner. Das helfe den Kindern bei der Motivation. Sie erzählt, dass die Klassenlehrerin alle Schüler mit dem Fahrrad abgefahren und Lernpakete abgegeben hat: „Das nenne ich eine Superbetreuung.“Sie selbst hat auch eine Teilzeitstelle an der Schule in Großenbaum und unterrichtet Sonderpädagogik. Die Kinder mit Lernschwierigkeiten kämen gerade viel zu kurz, betont sie. Sie brauchen einfach mehr Anleitung und mehr Zeit, beides sei im Moment nicht verfügbar.
Eine Drittklässlerin aus Rahm erzählt, dass sie jeden Tag mit ihrer Mama zusammen lernt. „Wir haben einen festen Lernplan und auch schöne Pausen für die ganze Woche. Der Sportunterricht fehlt mir nicht so, aber Kunst. Ich male so gerne. Videokonferenzen mit meinem Lehrer habe ich zweimal die Woche. Doch die meisten Fragen kann meine Mama mir schon vorher beantworten“, erzählt sie.
André Lengsfeld ist Rektor an der Gemeinschaftsgrundschule Lauenburger Allee. Den Schulbetrieb an der Lüderitzallee haben sie vorübergehend eingestellt, um die Organisation zu erleichtern. 33 Kinder sind hier in der Notbetreuung, ein Sportlehrer hilft als Seiteneinsteiger mit. Der Unterricht läuft auch hier über IServe. Alternativen wie Videokonferenzen, bei denen etwa eine Klasse von 25 Kindern in Fünfergruppen aufgeteilt wird, soll Wissen zu Corona-Zeiten vermitteln. Es sei alles ein Ausprobieren und Herantasten. Dass nicht alle seine Schützlinge digitale Endgeräte zur Verfügung haben, gerade Drucker manchmal fehlen, war Grund, „Druckerpaten“zu suchen. Die Eltern helfen sich untereinander, die Solidarität ist da.