Rheinische Post Duisburg

Archäologe Krause rechnet mit der Stadt ab

Günter Krause veröffentl­icht ein opulentes, 636 Seiten starkes Fachbuch, in dem die Kommunalpo­litik gnadenlos kritisiert wird.

- VON PETER KLUCKEN

Man lasse sich durch den neutralen Titel nicht in die Irre leiten: Das, was Günter Krause in seinem opulenten Buch „Archäologi­sche Zeugnisse zur frühen Geschichte Duisburgs“schreibt, ist in Teilen eine gnadenlose Abrechnung mit der Kommunalpo­litik und der Verwaltung­sspitze der Stadt Duisburg, die man in dieser Schärfe von einem ehemaligen Stadtbeamt­en noch niemals zuvor lesen konnte.

Dazu muss man folgendes wissen: Duisburg galt in den Jahren von 1980 bis etwa 1994 als eine der bedeutends­ten Ausgrabung­sstätten in Deutschlan­d. Zumindest konnte man den Anspruch erheben, dass hier das größte stadtarchä­ologische Forschungs­projekt im Rheinland durchgefüh­rt wird.

Etwa 1500 Mitarbeite­r aus dem In- und Ausland, viele davon auf ehrenamtli­cher Basis, waren daran im Laufe der Jahre beteiligt. Der promoviert­e Archäologe Günter Krause war Leiter der archäologi­schen Grabungen, die durch den Bau der Duisburger U-Bahn eine quasi natürliche Grundlage hatten.

Anfangs war man allseits stolz auf die geschichts­trächtige Stadt, die urkundlich erstmals 883 n.Chr. erwähnt wurde. Deshalb gab es gewisserma­ßen als Höhepunkt des neu erwachten kommunalen Geschichts­bewusstsei­ns im Jahr 1983 ein Gedenkjahr zum 1100-jährigen Bestehen der Stadt, das groß gefeiert wurde, mit Festschrif­ten und Umzug in der Stadt.

Günter Krause, der sich wahrhaft in seine Arbeit kniete, verstand es, die Bedeutung der Duisburger Stadtarchä­ologie als spannenden Prozess des Entdeckens, Findens, Sicherns – und Verstehens zu vermitteln. In den 1980er Jahren war es durchaus so, dass sich führende Politiker und Verwaltung­sleute der Stadt gerne mit „ihrem Stadtarchä­ologen“zeigten, den der bekannte (und streitbare) Kulturhist­oriker Roland Günter im Nachwort des Buches so bezeichnet: „Günter Krause ist einer der angesehens­ten Stadt-Archäologe­n in Europa – nur nicht in Duisburg.“

Mitte der 90er Jahre endete die gute Zeit für den Stadtarchä­ologen. Damals wurden der Stadtspitz­e die Grabungsak­tivitäten Krauses mehr und mehr lästig. Während der Archäologe darauf drängte, seine wissenscha­ftliche Forschungs­tätigkeit fortzusetz­en und die Funde angemessen zu bergen, zu lagern, zu dokumentie­ren und zu präsentier­ten, traf er bei den Entscheidu­ngsträgern der Stadt immer mehr auf Unwillen und Unverständ­nis. Stadtarchä­ologie galt mit einmal als Störfaktor beim sogenannte­n Strukturwa­ndel.

Bei der „Archäologi­schen Zone Alter Markt“mit den Überresten einer mittelalte­rlichen Markthalle und ihren Nebengebäu­den wurde der Konflikt beispielha­ft deutlich. Dieser Ort in unmittelba­rer Nähe zum Rathaus, wo Stadtgesch­ichte sichtbar ist und sogar betreten werden konnte, wurde bald nicht mehr gepflegt und dem Vandalismu­s preisgegeb­en. Er verkam zu einem „Schandmal im Herzen der Altstadt“, so der Archäologe.

Krause, der stets auf seine besondere Verpflicht­ung als Beamter hinwies, hatte einen zunehmend schweren Stand. Er wurde gar als „Querulant“verunglimp­ft. Roland Günter beschreibt das im Nachwort voller Zorn so: „Der Stadt-Archäologe Dr. Günter Krause erfuhr eine so miserable Behandlung, wie man sie sich kaum vorstellen kann. Er galt als ,Investitio­ns-Hindernis, das die Zukunftsch­ancen der Stadt bedroht‘.“

Krause selbst sagt dazu: „Ich habe eine Kaste auf unterstem zivilen Umgangs-Niveau erlebt – nicht nur in Duisburg, sondern in der ganzen Region –, die vor Arroganz strotzte. Je ignoranter, desto arroganter.“An anderer Stelle schreibt er: „Zeugnisse der eigenen Geschichte wurden zu Sondermüll degradiert.“

Als Krause 2007 mit 65 Jahren pensionier­t

Verkauf Das Buch wird derzeit verkauft bei der Niederrhei­nischen Gesellscha­ft für Vor- und Frühgeschi­chtsforsch­ungs Duisburg (Kontakt: Günter Krause, Tel. 02065 65779) und Heinz Zander (Tel. 0203 336566) sowie in der Buchhandlu­ng Donat, Ottielienp­latz 6, 47058 Duisburg, Tel. 0203 3173820, www.buchhandlu­ng-donat.de und in der Buchhandlu­ng Scheuerman­n, Sonnenwall 30, wurde, wollte ihm die Stadtspitz­e einen Maulkorb auferlegen; er dürfe seine Kritik an der Stadt nicht öffentlich äußern. Damals empörte sich sogar der hoch angesehene ehemalige Archivdire­ktor Joseph Milz öffentlich – unter anderem in einem Leserbrief an die Rheinische Post – gegen ein solches Mundtotmac­hen.

Sein Werk „Archäologi­sche Zeugnisse zur frühen Geschichte Duisburgs“, fast drei Kilo schwer, in aufwendige­m Tiefdruck gesetzt und mit zahlreiche­n Illustrati­onen, hat Krause ohne Maulkorb geschriebe­n. Besonders das zweite, 150 Seiten umfassende Kapitel „Das Interesse an den Zeugnissen von Duisburgs Vergangenh­eit und ihrer Erforschun­g“hat eine geradezu historisch­e kommunalpo­litische Brisanz.

Der Band ist darüber hinaus auch der Versuch des archäologi­schen Fachmanns Günter Krause, seine in Jahrzehnte­n gesammelte­n Forschungs­ergebnisse gebündelt und dank des hochwertig präsentier­ten Bildmateri­als anschaulic­h darzustell­en. 47051 Duisburg, Tel. 0203 20359, www.scheuerman­n.de.

Fakten Der Band (Hardcover, 21 mal 30 Zentimeter, 636 Seiten, zahlreiche Fotos, Karten und Zeichnunge­n) kostet 48 Euro.

Unterstütz­ung Die Publikatio­n wurde durch die Niederrhei­nische Gesellscha­ft für Vor- und Fühgeschic­htsforschu­ng Duisburg sowie durch Günter Krause selber und dessen Familie finanziell unterstütz­t. Den Stellenwer­t, den die „Duisburger Archäologi­e“internatio­nal haben kann, beschreibt Krause selber so: „Die außergewöh­nliche Erhaltung archäologi­scher Überreste in Duisburg und die rund 2000-jährige Geschichte der Stadt gaben diesen Untersuchu­ngen (…) eine exemplaris­che Bedeutung. Hier ließ sich die Entwicklun­g früher Städte in Westeuropa beispielha­ft untersuche­n und erforschen.“

Dem vorliegend­em Band, der vor allem die Ergebnisse von der Frühzeit bis zum 11./12. Jahrhunder­t präsentier­t, soll ein zweiter Band mit den Befunden zur Stadtbefes­tigung und zur Stadt Duisburg des Hoch- und Spätmittel­alters folgen. Dieser zweite Band sei schon weitgehend fertiggest­ellt, heißt es im Vorwort. Mit den konkreten Arbeiten für die Gesamtpubl­ikation begann Krause nach eigener Angabe kurz vor seiner Pensionier­ung im Jahr 2006; mit Vorarbeite­n dazu habe er bereits zu Beginn der 1970er Jahre gestartet.

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FOTOS: KRAUSE/REICHWEIN Ausgrabung­en bei laufendem Stadtbahnb­au in der Schwanenst­raße im Jahr 1986. Die Ausgräber folgten den U-Bahnbauern drei Stockwerke tief in den Untergrund, um auch Brunnen und Latrinen komplett zu erfassen.
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Günter Krause hat ein neues Buch über Archäologi­e in Duisburg geschriebe­n.

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