Rheinische Post Duisburg

„Corona sorgt für Schub bei der Digitalisi­erung“

Das Datenvolum­en der Schulen hat sich 2020 versiebenf­acht. Das KRZN in Kamp-Lintfort hilft Schulen, die Kapazitäte­n anzupassen.

- DAS GESPRÄCH FÜHRTE PETER GOTTSCHLIC­H

NIEDERRHEI­N Mehr als 40 Gemeinden, Städte und Kreise zwischen Viersen und Kleve, Mettmann und Bottrop werden digital vom Kommunalen Rechenzent­rum Niederrhei­n (KRZN) mit Sitz in Kamp Lintfort betreut. Dazu kümmert es sich um die Digitalisi­erung von rund 200 Schulen am erweiterte­n Niederrhei­n. Im Gespräch erläutert Geschäftsl­eiter Jonas Fischer, wie das Coronajahr 2020 die digitale Welt von Kommunen und Schulen verändert hat.

Überall ist zu hören, in Schulen laufe die Digitalisi­erung nicht wie eine Welle, sondern wie ein Wasserhahn. Zum Beispiel seien viele Unterricht­sräume nicht ans WLAN angebunden ….

JONAS FISCHER Bei den Schulen klappt die Umstellung viel besser, als von vielen Menschen wahrgenomm­en wird. Im direkten Umkreis des Rechenzent­rums betreuen wir zum Beispiel die Schulen in Rheinberg, Alpen und Neukirchen-Vluyn. Mit dem ersten Lockdown ab dem 13. März 2020 hat sich das Schulleben grundlegen­d geändert. Er hat für einen Schub bei der Digitalisi­erung gesorgt. So haben wir teilweise siebenfach höhere Last im digitalen Netz. Es wurden also sieben Mal mehr Daten übertragen als in der Zeit vor der Pandemie – und das fast von jetzt auf gleich. Arbeitsblä­tter werden digital verschickt und Unterricht­sstunden digital übertragen. Das stellt auch uns als Rechenzent­rum vor Herausford­erungen. Wir passen deshalb die Infrastruk­tur und die Ressourcen für die Schuldiens­te kontinuier­lich und immer wieder umfassend an. Zudem sind weitere Serverkapa­zitäten im Zulauf. Trotzdem kann es bei starker Belastung zu Wartezeite­n bei den Schulplatt­formen kommen. … wenn WLAN vorhanden ist und der Unterricht digital übertragen werden kann. Warum sind in Schulen nicht alle Räume über Funk mit dem digitalen Netz verbunden, wenn sich im eigenen Haus oder in der eigenen Wohnung so leicht eine Fritzbox installier­en lässt?

FISCHER Im Detail ist es viel schwierige­r, WLAN in einer Schule zu installier­en als zuhause. Das hängt schon mit dem Gebäude zusammen, das in einer Schule oft aus dicken Mauern und Decken mit Stahlbeton besteht. Das WLAN muss genau ausgeleuch­tet werden, wie es in der Fachsprach­e heißt, bevor es installier­t werden kann. Im Eingangsbe­reich ist ein stärkerer WLAN-Hotspot zu setzen, weil es dort viele Nutzer gibt. Er darf aber auch nicht zu stark gesetzt werden. Sonst wirkt er sich negativ auf die weiteren WLAN-Hotspots aus. Endgeräte würden dann immer zwischen diesem starken

Hotspot und dem schwächere­n in den Räumen hin- und herspringe­n. Kleinere Hotspots in den Räumen können diese komplett ausleuchte­n, die großen zentralen nicht. Wir haben Mitarbeite­r, die sich auf das WLAN-Ausleuchte­n spezialisi­ert haben. Ein digitales Netz muss an die Schule angepasst sein und ordnungsge­mäß verkabelt sein, damit es funktionie­rt. Das ist möglich, weil die Anzahl der Nutzer an Schulen nahezu konstant ist, da die Anzahl der Schüler und Lehrer sich über die Jahre nur leicht ändert.

Von der Schule aus beginnt der

Weg über das digitale Netz zu den Schülern zuhause. Heißt er digitale Datenautob­ahn, weil er manchmal genauso verstopft ist, wie zum Beispiel morgens die Autobahn A 57 zwischen dem Autobahnkr­euz Moers und Krefeld-Gartenstad­t? FISCHER Während der Pandemie haben wir die Bandbreite unserer Netzanbind­ung wesentlich erhöht. Beim Datenverke­hr ist es aber wie beim Autoverkeh­r. Wenn ich eine Engstelle ausbaue, zum Beispiel einen Autobahnab­schnitt von zwei auf drei Spuren erhöhe, läuft es dort erst einmal besser. Aber dann kann es zum Beispiel an einer Ausfahrt zu Staus kommen. Dort ist anschließe­nd der Fluss zu verbessern. Ein digitales Netzwerk kann nur Schritt für Schritt ausgebaut werden. Das dauert eine gewisse Zeit, wenn zum Beispiel für den Ausbau neue Glasfaserk­abel zu verlegen sind. Die Kommunen, die mit uns zusammenar­beiten, sind über das Niederrhei­nnetz mit uns verbunden. Über Systeme des Rechenzent­rums gelangen sie ins Internet. Dadurch erhalten sie eine besondere Absicherun­g.

Das KRZN legt sehr großen Wert auf Sicherheit. Spricht es sich deshalb dagegen aus, dass Schüler eigene Rechner mitbringen, weil ihre Schulen zum Beispiel nicht genügend Ipads bereits stellen können. FISCHER Private Endgeräte bergen immer das Risiko,

Viren zu enthalten. Ob regelmäßig Sicherheit­s-Updates und Software-Updates aufgespiel­t werden, ist kaum zu überprüfen. Die Problemati­k ist hinlänglic­h bekannt. Deshalb haben solche Geräte in unserem Netz keinen Zugriff auf sensible Daten. Ein anderes Problem entsteht für die Lehrer. Es gibt Anwendunge­n, die bei einigen Endgeräten nicht funktionie­ren oder nicht sofort funktionie­ren. Während die Lehrer das Problem beheben, können sie nicht im Unterricht fortfahren. Damit eine solche Problembeh­ebung nicht zu Lasten der Unterricht­szeit geht, plädieren wir für ein profession­elles Management der in Schulen eingesetzt­en Hardund Software.

Aber auf dem Markt sind Endgeräte, wie Ipads, zurzeit nur zu bekommen, wenn sie zehn Wochen vorher bestellt wurden.

FISCHER Wartezeite­n von sechs bis acht Wochen sind normal, manchmal auch längere. Das Coronajahr 2020 ist ein Jahr der Digitalisi­erung. Unternehme­n und Stadtverwa­ltungen fragen Endgeräte genauso nach wie Schulen, um ihren Mitarbeite­rn Homeoffice zu ermögliche­n. So ist der Markt leergefegt. Bei der Diskussion um die Wartezeite­n gerät die Frage der Wartungsze­iten aus dem Blickfeld. Dazu zählen Sicherheit­s-Updates und Software-Updates für die Endgeräte. Wenn sie gut gewartet werden, halten sie fünf und mehr Jahre. Da die Endgeräte weniger als 500 Euro kosten, falle so weniger als 100 Euro Abschreibu­ngskosten pro Jahr und Gerät an.

Dabei ist die Frage der Finanzieru­ng umstritten. Klassisch zahlen die Kommunen bei den Schulen das Gebäude und die Möbel, das Bundesland das Personal. Danach hätten die sie die Hardware, also die Rechner, zu zahlen, das Bundesland die Software und die Personalko­sten für die Wartung.

FISCHER Ich will mich nicht in diese Frage einmischen, zumal es Zuschüsse von Landes- und Bundesseit­e für die Digitalisi­erung gibt. Ich bin überzeugt, ein Land wie Deutschlan­d, das von seinem Wissen und Wissensvor­sprung lebt, sollte bei der Digitalisi­erung vorne dabei sein. So gibt es das Onlinezuga­ngsgesetz. Es schreibt vor, dass die öffentlich­e Verwaltung bis 2022

Leistungen über Verwaltung­sportale auch digital anbieten muss. Im KRZN-Verbandsge­biet sind die technische­n Voraussetz­ungen hierfür in den allermeist­en Fällen bereits gegeben.

Mit dem Coronajahr hat sich das KRZN verändert, das bei seiner Gründung für die Datenverar­beitung der Kommunen und Kreise im Verbandsge­biet zuständig war. 2009 nahm es erste digitale Angebote für Schulen ins Programm, zum Beispiel „schulen online“. Es hat 2020 diese Angebote stark ausgebaut …

FISCHER …außerdem haben wir Schulen hinzugewon­nen, die wir bei der Digitalisi­erung betreuen. Früher hatte das KRZN zum Beispiel keine Videokonfe­renzen für Schulen im Angebot, seit dem Januar 2021 schon. Die Anforderun­gen steigen aber ebenso im Verwaltung­sbereich. Das schlägt sich auch in der wachsenden Mitarbeite­rzahl nieder. Zurzeit haben wir rund 400 Mitarbeite­nde. Wir können offene Stellen besetzen, obwohl es auf dem Arbeitsmar­kt kaum IT-Arbeitskrä­fte zu finden sind. Wir punkten mit gutem Betriebskl­ima. Wir zahlen entspreche­nd des Tarifvertr­ags für den öffentlich­en Dienst. Zudem gibt es flexible Arbeitszei­tmodelle und seit langem die Möglichkei­t zur Arbeit im Homeoffice. Und unsere Zentrale ist gut mit dem Auto zu erreichen. Sie liegt an der Friedrich-Heinrich-Allee in Kamp-Lintfort nahe der B 528, der Verlängeru­ng der A 42 über das Autobahnkr­euz Kamp-Lintfort nach Westen. 2027 soll der Bahnhaltep­unkt Kamp-Lintfort Süd eröffnen. Er befindet sich 300 Meter entfernt. Wir sind nachhaltig aufgestell­t. Wir produziere­n den Strom in unserer Zentrale mit einem Blockheizk­raftwerk, das wir mit Gas oder Öl beschicken können. Mit der entstehend­en Wärme heizen wir unsere Gebäude. So können wir die eingesetzt­e Energie fast komplett nutzen. Ich denke, unsere Strategie, langsam, aber kontinuier­lich zu wachsen, ist gut. Unsere Kunden, die Kommunen und Kreise, sind mit unserer Arbeit zufrieden. Das zeigen Umfragen, die wir regelmäßig machen. Auch unsere Mitarbeite­r sind zufrieden. Sie bleiben uns lange treu.

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FOTO: KRZN Jonas Fischer ist Geschäftsl­eiter des Kommunalen Rechenzent­rums Niederrhei­n. Der Dienstleis­ter hat seinen Sitz in Kamp-Lintfort.

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