„Corona sorgt für Schub bei der Digitalisierung“
Das Datenvolumen der Schulen hat sich 2020 versiebenfacht. Das KRZN in Kamp-Lintfort hilft Schulen, die Kapazitäten anzupassen.
NIEDERRHEIN Mehr als 40 Gemeinden, Städte und Kreise zwischen Viersen und Kleve, Mettmann und Bottrop werden digital vom Kommunalen Rechenzentrum Niederrhein (KRZN) mit Sitz in Kamp Lintfort betreut. Dazu kümmert es sich um die Digitalisierung von rund 200 Schulen am erweiterten Niederrhein. Im Gespräch erläutert Geschäftsleiter Jonas Fischer, wie das Coronajahr 2020 die digitale Welt von Kommunen und Schulen verändert hat.
Überall ist zu hören, in Schulen laufe die Digitalisierung nicht wie eine Welle, sondern wie ein Wasserhahn. Zum Beispiel seien viele Unterrichtsräume nicht ans WLAN angebunden ….
JONAS FISCHER Bei den Schulen klappt die Umstellung viel besser, als von vielen Menschen wahrgenommen wird. Im direkten Umkreis des Rechenzentrums betreuen wir zum Beispiel die Schulen in Rheinberg, Alpen und Neukirchen-Vluyn. Mit dem ersten Lockdown ab dem 13. März 2020 hat sich das Schulleben grundlegend geändert. Er hat für einen Schub bei der Digitalisierung gesorgt. So haben wir teilweise siebenfach höhere Last im digitalen Netz. Es wurden also sieben Mal mehr Daten übertragen als in der Zeit vor der Pandemie – und das fast von jetzt auf gleich. Arbeitsblätter werden digital verschickt und Unterrichtsstunden digital übertragen. Das stellt auch uns als Rechenzentrum vor Herausforderungen. Wir passen deshalb die Infrastruktur und die Ressourcen für die Schuldienste kontinuierlich und immer wieder umfassend an. Zudem sind weitere Serverkapazitäten im Zulauf. Trotzdem kann es bei starker Belastung zu Wartezeiten bei den Schulplattformen kommen. … wenn WLAN vorhanden ist und der Unterricht digital übertragen werden kann. Warum sind in Schulen nicht alle Räume über Funk mit dem digitalen Netz verbunden, wenn sich im eigenen Haus oder in der eigenen Wohnung so leicht eine Fritzbox installieren lässt?
FISCHER Im Detail ist es viel schwieriger, WLAN in einer Schule zu installieren als zuhause. Das hängt schon mit dem Gebäude zusammen, das in einer Schule oft aus dicken Mauern und Decken mit Stahlbeton besteht. Das WLAN muss genau ausgeleuchtet werden, wie es in der Fachsprache heißt, bevor es installiert werden kann. Im Eingangsbereich ist ein stärkerer WLAN-Hotspot zu setzen, weil es dort viele Nutzer gibt. Er darf aber auch nicht zu stark gesetzt werden. Sonst wirkt er sich negativ auf die weiteren WLAN-Hotspots aus. Endgeräte würden dann immer zwischen diesem starken
Hotspot und dem schwächeren in den Räumen hin- und herspringen. Kleinere Hotspots in den Räumen können diese komplett ausleuchten, die großen zentralen nicht. Wir haben Mitarbeiter, die sich auf das WLAN-Ausleuchten spezialisiert haben. Ein digitales Netz muss an die Schule angepasst sein und ordnungsgemäß verkabelt sein, damit es funktioniert. Das ist möglich, weil die Anzahl der Nutzer an Schulen nahezu konstant ist, da die Anzahl der Schüler und Lehrer sich über die Jahre nur leicht ändert.
Von der Schule aus beginnt der
Weg über das digitale Netz zu den Schülern zuhause. Heißt er digitale Datenautobahn, weil er manchmal genauso verstopft ist, wie zum Beispiel morgens die Autobahn A 57 zwischen dem Autobahnkreuz Moers und Krefeld-Gartenstadt? FISCHER Während der Pandemie haben wir die Bandbreite unserer Netzanbindung wesentlich erhöht. Beim Datenverkehr ist es aber wie beim Autoverkehr. Wenn ich eine Engstelle ausbaue, zum Beispiel einen Autobahnabschnitt von zwei auf drei Spuren erhöhe, läuft es dort erst einmal besser. Aber dann kann es zum Beispiel an einer Ausfahrt zu Staus kommen. Dort ist anschließend der Fluss zu verbessern. Ein digitales Netzwerk kann nur Schritt für Schritt ausgebaut werden. Das dauert eine gewisse Zeit, wenn zum Beispiel für den Ausbau neue Glasfaserkabel zu verlegen sind. Die Kommunen, die mit uns zusammenarbeiten, sind über das Niederrheinnetz mit uns verbunden. Über Systeme des Rechenzentrums gelangen sie ins Internet. Dadurch erhalten sie eine besondere Absicherung.
Das KRZN legt sehr großen Wert auf Sicherheit. Spricht es sich deshalb dagegen aus, dass Schüler eigene Rechner mitbringen, weil ihre Schulen zum Beispiel nicht genügend Ipads bereits stellen können. FISCHER Private Endgeräte bergen immer das Risiko,
Viren zu enthalten. Ob regelmäßig Sicherheits-Updates und Software-Updates aufgespielt werden, ist kaum zu überprüfen. Die Problematik ist hinlänglich bekannt. Deshalb haben solche Geräte in unserem Netz keinen Zugriff auf sensible Daten. Ein anderes Problem entsteht für die Lehrer. Es gibt Anwendungen, die bei einigen Endgeräten nicht funktionieren oder nicht sofort funktionieren. Während die Lehrer das Problem beheben, können sie nicht im Unterricht fortfahren. Damit eine solche Problembehebung nicht zu Lasten der Unterrichtszeit geht, plädieren wir für ein professionelles Management der in Schulen eingesetzten Hardund Software.
Aber auf dem Markt sind Endgeräte, wie Ipads, zurzeit nur zu bekommen, wenn sie zehn Wochen vorher bestellt wurden.
FISCHER Wartezeiten von sechs bis acht Wochen sind normal, manchmal auch längere. Das Coronajahr 2020 ist ein Jahr der Digitalisierung. Unternehmen und Stadtverwaltungen fragen Endgeräte genauso nach wie Schulen, um ihren Mitarbeitern Homeoffice zu ermöglichen. So ist der Markt leergefegt. Bei der Diskussion um die Wartezeiten gerät die Frage der Wartungszeiten aus dem Blickfeld. Dazu zählen Sicherheits-Updates und Software-Updates für die Endgeräte. Wenn sie gut gewartet werden, halten sie fünf und mehr Jahre. Da die Endgeräte weniger als 500 Euro kosten, falle so weniger als 100 Euro Abschreibungskosten pro Jahr und Gerät an.
Dabei ist die Frage der Finanzierung umstritten. Klassisch zahlen die Kommunen bei den Schulen das Gebäude und die Möbel, das Bundesland das Personal. Danach hätten die sie die Hardware, also die Rechner, zu zahlen, das Bundesland die Software und die Personalkosten für die Wartung.
FISCHER Ich will mich nicht in diese Frage einmischen, zumal es Zuschüsse von Landes- und Bundesseite für die Digitalisierung gibt. Ich bin überzeugt, ein Land wie Deutschland, das von seinem Wissen und Wissensvorsprung lebt, sollte bei der Digitalisierung vorne dabei sein. So gibt es das Onlinezugangsgesetz. Es schreibt vor, dass die öffentliche Verwaltung bis 2022
Leistungen über Verwaltungsportale auch digital anbieten muss. Im KRZN-Verbandsgebiet sind die technischen Voraussetzungen hierfür in den allermeisten Fällen bereits gegeben.
Mit dem Coronajahr hat sich das KRZN verändert, das bei seiner Gründung für die Datenverarbeitung der Kommunen und Kreise im Verbandsgebiet zuständig war. 2009 nahm es erste digitale Angebote für Schulen ins Programm, zum Beispiel „schulen online“. Es hat 2020 diese Angebote stark ausgebaut …
FISCHER …außerdem haben wir Schulen hinzugewonnen, die wir bei der Digitalisierung betreuen. Früher hatte das KRZN zum Beispiel keine Videokonferenzen für Schulen im Angebot, seit dem Januar 2021 schon. Die Anforderungen steigen aber ebenso im Verwaltungsbereich. Das schlägt sich auch in der wachsenden Mitarbeiterzahl nieder. Zurzeit haben wir rund 400 Mitarbeitende. Wir können offene Stellen besetzen, obwohl es auf dem Arbeitsmarkt kaum IT-Arbeitskräfte zu finden sind. Wir punkten mit gutem Betriebsklima. Wir zahlen entsprechend des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst. Zudem gibt es flexible Arbeitszeitmodelle und seit langem die Möglichkeit zur Arbeit im Homeoffice. Und unsere Zentrale ist gut mit dem Auto zu erreichen. Sie liegt an der Friedrich-Heinrich-Allee in Kamp-Lintfort nahe der B 528, der Verlängerung der A 42 über das Autobahnkreuz Kamp-Lintfort nach Westen. 2027 soll der Bahnhaltepunkt Kamp-Lintfort Süd eröffnen. Er befindet sich 300 Meter entfernt. Wir sind nachhaltig aufgestellt. Wir produzieren den Strom in unserer Zentrale mit einem Blockheizkraftwerk, das wir mit Gas oder Öl beschicken können. Mit der entstehenden Wärme heizen wir unsere Gebäude. So können wir die eingesetzte Energie fast komplett nutzen. Ich denke, unsere Strategie, langsam, aber kontinuierlich zu wachsen, ist gut. Unsere Kunden, die Kommunen und Kreise, sind mit unserer Arbeit zufrieden. Das zeigen Umfragen, die wir regelmäßig machen. Auch unsere Mitarbeiter sind zufrieden. Sie bleiben uns lange treu.