Die Versäumnisse von Astrazeneca
Die Entwicklung eines Impfstoffs ist eine große Herausforderung und dauert meist Jahre. Dass es allein in Europa schon drei Herstellern gelungen ist, binnen eines Jahres ein Vakzin gegen das Coronavirus zu entwickeln und zu produzieren, ist ein großer Erfolg. Der Impfstoff ist das Ticket zurück zur Normalität, er kann die Pandemie stoppen. Dass es angesichts der weltweiten Nachfrage zu Engpässen kommt, kann nicht verwundern. Doch wie Astrazeneca damit umgeht, ist zweifelhaft. Das britische Unternehmen hatte die EU-Staaten unlängst mit der Nachricht überrascht, nun deutlich weniger zu liefern als geplant. Beim Konkurrenten Biontech kann man die Verzögerungen nachvollziehen, da er Kapazitäten aufstocken will. Doch der Stopp von Astrazeneca wirft die Frage auf, ob die EU-Staaten zwar gerne Vorauszahlungen leisten dürfen, dann aber bei Problemen zugunsten anderer Länder zurückstehen sollen. Nach ehrbarem Kaufmann sieht das Ganze nicht aus.
Zudem ist Astrazeneca bei seinen Zulassungsstudien schnell, aber nicht gründlich gewesen. An Älteren haben die Briten ihren Stoff kaum erprobt. Das ist problematisch, weil der Bund voll auf Astrazeneca gesetzt hat – was Mengen und Einsatzorte angeht. Anders als Biontechs Impfstoff soll der von Astrazeneca auch in Praxen und bei Hausbesuchen eingesetzt werden. Man kann nur hoffen, dass die Zulassungsbehörde nun unabhängig entscheiden kann, ob sie den Impfstoff trotz der beschränkten Studien für alle zulässt. Wenn nicht, muss Gesundheitsminister Jens Spahn die Reihenfolge auf den Prüfstand stellen – schnell und transparent. Womöglich kann die nächste Gruppe der Älteren erst geimpft werden, wenn Biontech oder Moderna mehr liefern. Umso wichtiger ist es, dass die EU hier auf die Erfüllung der Verträge dringt.
BERICHT SPAHN WILL IMPFREIHENFOLGE PRÜFEN, TITELSEITE