Mit 50, 55 oder 60 in Rente
Die Politik redet inzwischen gerne von der Rente mit 70, doch viele wollen ihr Berufsleben deutlich früher beenden. Damit das klappt, muss das Einkommen stimmen. Und es zählen Sparsamkeit und die richtige Strategie.
DÜSSELDORF Ist die Rente mit 55 Jahren möglich? Einer der prominentesten Aussteiger des Jahrzehnts bestätigt es auf seine Weise: Amazon-Chef Jeff Bezos gibt den Chefposten beim Online-Händler mit nun 57 Jahren ab, aber eine Reihe Aktivitäten begeistern ihn weiter – sein Raumfahrt-Unternehmen will er vorantreiben, die Zeitung „Washington Post“fördern.
Zugegeben: So gigantische Reserven wie der mehr als 100-fache Milliardär Bezos hat fast niemand; trotzdem liegt der Traum von einem Ende des regulären Berufslebens mit 50, 55 oder 60 Jahren im Trend. „Immer häufiger wollen Berufstätige dem Trott entfliehen“, sagt der Finanzberater Werner Siepe, „dafür stocken sie die reguläre Rente wo möglich auf. Dafür legen sie oft viel Geld zurück.“
Eine Sehnsucht, früher aufzuhören, bemerkt auch Petra Anton von der Evolog-Rentenberatung in Hürth: „Das spielt bei der Finanzplanung eine große Rolle.“Und auch beim Berliner Portal Finanztip gehöre die Beratung über sehr frühen Ruhestand zum Geschäft, sagt Expertin Henriette Neubert: „Gerade in wohlhabenderen Kreisen wird über eine vorzeitige Rente oft nachgedacht. Diese Menschen wägen ihre Optionen ab. Oft hilft das für den verfrühten Ruhestand zurückgelegte Kapital dann wenigstens, um in den letzten Berufsjahren auf eine Teilzeitstelle zu wechseln.“
Disziplin, die richtige Strategie, Sparsamkeit und ein hohes Einkommen sind die Schritte zum großen
Ziel. So ist erstens klar, dass nur diejenigen Geld für den vorzeitigen Ruhestand ansparen können, die gut verdienen und relativ wenig Geld ausgeben. „Für eine alleinstehende Verkäuferin ist es oft schon schwer, überhaupt mit dem Geld auszukommen“, sagt Bernhard Freytag, Niederlassungsleiter der Quirin-Privatbank in Düsseldorf: „Aber bei
Akademikern oder Facharbeitern mit Doppeleinkommen sind hohe Sparraten von 1500 Euro im Monat oder mehr nicht völlig ungewöhnlich.“
Diese hohe Sparrate hat mehrere Vorteile: Die Bürger können für ein Eigenheim Geld zurücklegen. Sie sparen für den früheren Ruhestand. Sie haben Reserven. Zudem zählt ein langer Atem. Wer fünf Jahre lang jeden Monat 1500 Euro zurücklegt, hat auch ohne Zinsen eine Summe von 90.000 Euro angespart. Das reicht als Eigenkapital für den Kauf einer Immobilie, doch als Rücklage für den frühzeitigen Ruhestand ist es nur ein Mini-Polster.
Anders sieht es bei einer 30-jährigen Sparphase aus: Dann kommen ohne jeden Zins 540.000 Euro zusammen. Bei zwei Prozent Verzinsung sind es 738.000 Euro. Bei vier Prozent Zins sind es 1,03 Millionen Euro, wovon knapp die Hälfte aus Zinsen stammt. Und bei sechs Prozent sind 1,469 Millionen Euro drin, bei acht Prozent sogar 2,127 Millionen Euro, wovon nur 540.000 Euro eingezahlt wurden.
Wie viel Geld sollte angespart werden, und wie wird eine hohe Rendite erreicht? Das Sparziel hängt immer vom angepeilten Ruhestandstermin
ab. Wer als nach 1964 geborgener Bürger hofft, mit 55 Jahren aufhören zu können, muss zwölf Jahre bis zum regulären Rentenbeginn überbrücken. Bei 3000 Euro im Monat erhoffter Auszahlung kommen 432.000 Euro zusammen. Hinzu kommt, dass zwölf Beitragsjahre zur
Rente fehlen – das würde bei Gutverdienern nach aktuellem Stand zu einer Rentenkürzung von rund 900 Euro führen. „Um das abzusichern, sollten zum 67. Lebensjahr rund 200.000 Euro angespart sein“, sagt Freytag.
Beim langfristigen Ansparen von
Kapital für den Ruhestand sind Sparbücher und Festgeld nicht sinnvoll in der aktuellen Niedrigzins-Zeit. Bankier Freytag, Finanztip und die Stiftung Warentest raten zu sogenannten Indexfonds (ETFs), die das Geld der Kunden breit gestreut mit niedrigen Verwaltungsgebühren anlegen. „Im historischen Rückblick kann dies mehr als sieben Prozent an Rendite bringen“, sagt Freytag, „aber Anleger müssen auch Schwächephasen am Kapitalmarkt aushalten können.“Sein Rat: „Je breiter man streut, desto besser lässt sich das Risiko eingrenzen.“
Dauerhaft stabile Zahlungen senken das Risiko weiter. Freytag: „Wenn es an den Börsen bergab geht, profitieren Anleger von niedrigeren Einstiegskursen, wenn es wieder hochgeht, steigt das Depot im Wert. Dieser Cost-Average-Effekt belohnt regelmäßig einzahlende Anleger.“Im Alter sollte der Aktienanteil am Ersparten kleiner werden, um vor Börsencrashs geschützt zu sein, rät er. Dann könnte der Kauf einer Immobilie sinnvoll sein. Freytag: „Wenn ich keine Miete zahle, ist das ein steuerfreier Vorteil auf Lebenszeit. Dann muss ich dauerhaft viel niedrigeres Bruttoeinkommen haben, um klarzukommen.“