Konzerte für den Bildschirm
Seit einem Jahr gibt es so gut wie keine Livekonzerte mehr. Immerhin: Die Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Sender bieten eine Auswahl an Auftritten großer Künstler.
Das öffentlich-rechtliche Fernsehen bietet nicht nur Futter für die Augen. Auch das Ohr wird sehr vornehm bedient. Viele Konzerte aus allen erdenklichen Genres sind in den Mediatheken abrufbar. Nicht selten stößt man dort auf Raritäten.
Alexandre Tharaud und
Le Balcon – drei Klavierkonzerte
Im November 2020 nahmen die Musiker des französischen Orchesters Le Balcon Platz auf der Bühne der Pariser Philharmonie und führten die Hörer in einem knapp einstündigen Ritt einmal durch die Musikgeschichte – und zwar mit drei gänzlich unterschiedlichen Klavierkonzerten. Zuerst gab es unter Leitung von Maxime Pascal das 5. Konzert f-Moll von Johann Sebastian Bach, danach Mozarts aus Salzburger Jahren stammendes „Jenamy“-Konzert, schließlich – als Pointe mit fabelhafter Wirkung – das hierzulande kaum bekannte, aber hinreißende, spritzige, erlebnisreiche Konzert „Kuleshov“von Oscar Strasnoy, einem 1970 in Buenos Aires geborenen Komponisten. Am Klavier sitzt einer der pianistischen Großmeister der Moderne: der in Paris lebende Pianist Alexandre Tharaud. Er musiziert wie immer bescheiden, diskret, aber voller Stilgefühl und mit ritterlichem Schwung, wenn es drauf ankommt. Der Saal ist selbstverständlich leer, trotzdem gibt es Applaus, denn die Musiker sind spür- und hörbar voneinander begeistert. Ja, das ist eine Musizierstunde von hoher spiritueller Verdichtung. (Arte Concert) w.g.
Amy Macdonald im Bauhaus-Konzert beim ZDF
Die schottische Songwriterin in Wohnzimmeratmosphäre, quasi eine exklusive Bandprobe de luxe – dies kann man beim ZDF-Bauhaus-Konzert erleben. Der Titel ist Programm, denn die Bühne ist in der Bibliothek der Bauhaus-Universität Weimar aufgebaut. Wenige Gitarren und ein Keyboard sind der akustische Background – im Mittelpunkt die 33-jährige Sängerin mit ihrer kräftigen Stimme und dem schottischen Zungenschlag. Auf sechs Millionen verkaufte Alben blickt Macdonald zurück, sie ist auf der ganzen Welt erfolgreich. Ihr neues Werk heißt „The Human Demands“, sie hat es mitten in der Pandemie produziert. Zwischen den jüngsten Stücken, die oft auch persönlich gefärbt sind, plaudert die sympathische Sängerin mit Jo Schück über ihre neuen Songs und ihre Projekte in der Pandemie. Und natürlich gibt’s zum Abschluss das großartige
„This Is The Life“in Spezialversion – nach diesen 60 Minuten sehnt man sich die Zeit der Live-Konzerte noch mehr herbei als zuvor. (ZDF-Mediathek) ha
The Cure im Hyde Park
Am 9. Juli 1978 traten The Cure zum ersten Mal auf, in einem Club in Sussex nämlich. Fast auf den Tag genau 40 Jahre später feierten sie beim British Summertime Festival ihr Jubiläum. 65.000 Menschen standen vor der mächtigen Bühne im Hyde Park, um Robert Smith genau so zu sehen, wie man ihn halt sehen möchte: schwarze Augen, roter Mund und schwere Stiefel, mit denen man auch bei Gegenwind nicht umfällt. Das Konzert, von dem ein einstündiger Zusammenschnitt in der ZDF-Mediathek zu finden ist, beginnt elegisch. Und als man sich noch fragt, ob das gut gehen kann, ein OpenAir-Konzert im Hellen fast drei Jahre später auf dem Monitor zu erleben, geht in London allmählich die Sonne unter, was die Atmosphäre sehr schön verdichtet. „Play For Today“und „A Forest“sind Höhepunkte. Die Playlist des Abends ist für eine Gruppe mit einem solch großartigen Songkatalog ohnehin ideal. Vor allem wenn es an die Zugaben geht, die im Dunkeln präsentiert werden. „Friday I’m In Love“natürlich und
„Boys Don’t Cry“. Von der Urbesetzung sind nur noch zwei Musiker dabei, aber das macht in diesem Fall nichts. (ZDF-Mediathek) hols
Sting: Live at the Olympia Paris
So unverbraucht, wie Sting immer noch daherkommt, klingt nicht jeder nach mehr als vier Jahrzehnten Musikkarriere. Die Stimme hat nichts von ihrer Kraft verloren, der Sound ist noch derselbe wie einst bei The Police, der Körper straff, vor allem aber die Begeisterung, die Hingabe sind absolut mitreißend. Wer einen solchen Sting auf der Bühne erleben will, möge sich das Konzert anschauen, das er im April 2017 in der Pariser Konzerthalle Olympia gegeben hat. Auch wenn das schon vier Jahre her ist, glaubt keiner, dass dieser Mann in diesem Jahr 70 wird. Unter anderem bei diesem großartigen Auftritt dabei: Stings Sohn Jo und Dominic Miller, der Gitarrist mit irisch-amerikanisch-argentinischen Wurzeln, der mit dem früheren Police-Frontman seit 1991 zusammenarbeitet. Das Konzert in Frankreichs Hauptstadt ist ein entspannter Spaziergang durch Stings eigene Musikgeschichte mit Stücken wie „Englishman In New York“, „So lonely“, „Every Breath You Take“, „Fragile“und natürlich „Roxanne“. (ZDF-Mediathek) bew
The Rolling Stones: No Security Tour Na ja, sie können es halt, die große, umwerfende Inszenierung ihrer Musik. Wie sie in edlen Schwarz-Weiß-Aufnahmen durch die Katakomben des Stadions in Richtung Bühne schreiten. Alles Terminatoren, die entschlossen sind, ihr Werk zu verrichten. Selbst die Trommelstöcke in den Händen von Charlie Watts wirken bedrohlicher als das Laserschwert in den Händen von Darth Vader. Und dann geht’s wirklich los auf ihrer „No Security Tour“1999 – und fast ein bisschen dezent zurückgenommen mit „Jumpin’ Jack Flash“zu Beginn – und mit Keith Richards ganz vorne, der seine Gitarre dazu immer ultratief hängen lässt und mit ihr einen irrwitzigen Tanz aufführt. Und dazwischen Mick Jagger als singender Derwisch. Alles wird aufgetischt, und das ist viel: von „Paint It Black“, „Honky Tonk Women“bis „Brown Sugar“. Dennoch stand diesmal nicht so sehr die Show im Vordergrund, sondern fast ein wenig puristisch die Musik. So entstand der Mitschnitt dieser Tour auch auf einer für die Stones vergleichsweise kleinen Bühne in der Mitte des Publikums in San Diego. Das Ganze ist absolut stimmungsvoll, sehens- und hörenswert. (3-Sat-Mediathek) los