Impftourismus als Zukunftsmodell?
Der Duisburger Reisebüro-Betreiber Uwe Gerste wirbt seit einigen Tagen für Impfreisen. Das Angebot hat für viel Aufmerksamkeit gesorgt. Ob und wann die Idee allerdings wirklich konkret wird, ist derzeit noch unklar.
Ein Facebook-Post hat Uwe Gerste eine unruhige Woche beschert. Erst rief der WDR an, dann „Bild“und irgendwann sogar die israelische Botschaft. Der Reisebüro-Betreiber hatte auf ein Angebot der Firma „Fitreisen“hingewiesen. Diese will in ein paar Monaten Impfreisen anbieten. Dann, wenn Länder wie Israel ihre eigene Bevölkerung durchgeimpft haben.
„Das hat uns in der Dimension schon überrascht“, sagt Gerste über den Rummel, den sein Text ausgelöst hat. „Die Aufmerksamkeit spricht dafür, dass wir wahrscheinlich eines der wenigen Reisebüros in Deutschland waren, die das aufgegriffen haben.“Gerste arbeitet mit dem Gesundheitstourismus-Anbieter bereits seit vielen Jahren zusammen. Die Impfreisen-Idee habe ihn gleich überzeugt. „Das ist doch in der Situation ein sehr gescheites Angebot“, sagt er.
Die Idee von „Fitreisen“ist schnell erklärt. Der Veranstalter setzt darauf, dass irgendwann in diesem Jahr Urlaubsreisen wieder einfacher möglich sein werden. Und darauf, dass es zu diesem Zeitpunkt Länder gibt, die mit ihren Corona-Impfkampagnen deutlich weiter sind als Deutschland. Dann könne ein „dreibis vierwöchiger Erholungs- und Gesundheitsurlaub“mit einer Impfung verbunden werden.
Zunächst nannte das Unternehmen auf seiner Website auch konkrete Reiseziele und denkbare Zeiträume. Diese Rubrik ist, unter anderem nach einer Intervention der israelischen Botschaft, mittlerweile von der Seite verschwunden. „Wir stehen derzeit ganz am Anfang der Planung, ob Impfreisen unter sinnvollen und seriösen Voraussetzungen möglich sind“, teilt
„Fitreisen“-Geschäftsführererin Claudia Wagner auf Anfrage unserer Redaktion mit. „Aktuelle Angebote führen wir jedoch noch nicht.“Sind die Impfreisen also nur ein PR-Gag? Gerste widerspricht vehement. Es sei eine Sache von Angebot und Nachfrage. Und eins sei auf jeden Fall gesichert. „Die Nachfrage gibt es“, sagt er. Schnell hätten sich bei ihm im Reisebüro erste Interessenten gemeldet. „Es wird Menschen geben, die versuchen werden, sich auf anderem Wege Impfstoff zu beschaffen“, sagt Gerste. Dann sei es doch besser, ein seriöses Produkt anzubieten. „Wir hoffen, dass es zur Marktreife kommt und dann auch gebucht werden kann.“
Die Nachfrage hängt natürlich nicht zuletzt davon ab, wie schnell der deutschen Bevölkerung „Impfangebote“zu Hause unterbreitet werden können. Nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNO) werden derzeit im Schnitt rund 280 Menschen pro Tag in Duisburg gegen Covid-19 geimpft. In diesem Tempo würde es knapp fünf Jahre dauern, bis jeder Duisburger an der Reihe wäre. Zwar rechnet die KVNO mit einer baldigen Erhöhung der „örtlichen Impfkapazitäten“. Deutschland wird Israel, wo bis Freitag bereits 68 Impfdosen pro 100 Einwohnern verabreicht wurden, aber ziemlich sicher nicht mehr einholen können. „Es gäbe bei keinem Anbieter überhaupt die Idee so etwas zu entwickeln, wenn die Impfstoffthematik in Deutschland vernünftig gelöst wäre“, sagt Gerste. Als EU-Bürger finde er das „todtraurig“.
Bleibt das Problem des Angebots. Kein Land hat bislang öffentlich um deutsche Impftouristen geworben. Es ist äußerst fraglich, dass sich das zeitnah ändern wird. Und auch die deutsche Politik bremst bereits. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sprach sich im WDR bereits gegen Impfreisen aus. Er halte es für sinnvoller überschüssigen Impfstoff zu den Menschen zu bringen, die ihn in anderen Ländern benötigen. Impfstoffreisen statt Impfreisen.
Gerste ist von solchen Einwänden nicht allzu überzeugt, will sich allerdings auch nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Er sei „Touristiker und in sowas nicht fit genug“, sagt er. Eins ist für ihn allerdings klar: Ein moralisches Problem sieht er in dem Angebot nicht. „Alles, was man ethisch in Frage stellen könnte, hat ‚Fitreisen’ sehr gut gelöst“, sagt er. So etwas mit der Zustimmung der jeweiligen Regierung anzubieten, sei absolut in Ordnung. Wenn es denn wirklich einmal so weit kommt.