Der vergessene Mittelstand
Als vor einem Jahr die Schlagbäume und Ladengitter heruntergingen, machte sich Entsetzen breit. Die Lieferketten der Industrie rissen, eine Rezession tiefer als 2009 drohte. Doch es kam anders. Die Schlagbäume gingen wieder hoch, die deutsche Industrie erholte sich rasch dank Chinas Auferstehung. Und so fiel die Schrumpfung 2020 glimpflicher aus als zur Finanzkrise. Auch jetzt sehen die Weisen nicht schwarz. Sie senken zwar ihre Prognose, sind aber zuversichtlich, dass die Wirtschaft bis zum Jahreswechsel das Vorkrisenniveau erreicht. Das zeigt, wie robust die deutsche Industrie ist. Doch die Wirtschaft ist tief gespalten: Gastronomie, Kultur und Teile des Handels blicken weiter in den Abgrund. Es ist zu befürchten, dass es mit Öffnungen weiter nichts wird. Für das Schicksal der Branchen zeigen Weise wie Politik erstaunlich wenig Interesse.
Für das Coronavirus kann die Politik nichts, für das Management der Pandemie schon. Gerade dem Mittelstand schlägt das Versagen der Bundesregierung ins Kontor: Während die Hälfte der Briten geimpft ist, schleppt sich die deutsche Kampagne dahin. Dabei würden rasche Impfungen gerade kontaktstarken Branchen den Weg aus der Krise weisen. Das Gleiche gilt für eine gute Teststrategie. Zudem lässt der Minister, der die Wirtschaft im Namen führt, diese im Stich: Es ist März, und noch immer sind die Dezemberhilfen nicht überall angekommen. Stattdessen schickt Peter Altmaier Lobeshymnen zum deutschen Corona-Management an die EU. So geht es nicht. Nur zaghaft fordern die Weisen ein Umsteuern ein, vielleicht weil das Gremium nach dem Ausscheiden seines Vorsitzenden zwischen Machtkämpfen und politischem Opportunismus gefangen ist. Egal ob Politik oder Wissenschaft – der Mittelstand hat mehr verdient als warme Worte: eine Politik, die ihn die Krise überleben lässt. BERICHT WIRTSCHAFT FÜRCHTET DIE DRITTE WELLE, WIRTSCHAFT