Die Ungewissheit wächst
Beim Impfgipfel wollen Bund und Länder über das weitere Vorgehen entscheiden.
BERLIN Die vorläufige Aussetzung des Impfstoffes von Astrazeneca hat große Ungewissheit beim weiteren Vorgehen mit dem Impfen ausgelöst. Forderungen nach Flexibilität werden laut. Am Mittwoch empfahl die Weltgesundheitsorganisation (WHO), vorerst weiter mit dem Astrazeneca-Vakzin zu impfen. „Die WHO ist der Meinung, dass die Vorteile die Risiken überwiegen“, teilte die Organisation mit. Sie betonte, dass eine Impfung gegen Covid-19 keine Krankheiten oder Todesfälle durch andere Ursachen reduziere. Thrombosen, also Blutgerinnsel, würden zu den häufigsten Herz-Kreislauferkrankungen weltweit gehören, argumentierte die WHO. Dass Zwischenfälle bei Impfkampagnen registriert und untersucht werden, zeige, dass die Überwachungssysteme funktionierten.
In Deutschland richtet sich der Blick nun auf die Reaktion der Europäischen Arzneimittelagentur (Ema). Sie soll heute eine Empfehlung zur Sicherheit des Impfstoffs geben. Danach wollen Bund und Länder auf einem Impfgipfel das weitere Vorgehen beraten. Dieser sollte bereits am Mittwoch stattfinden, wurde nun aber auf voraussichtlich Freitag verschoben.
Laut NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) müsse man von der Impfbürokratie herunterkommen und schneller werden. Zugleich betonte er Dienstagabend in der ARD, wenn es Warnungen der Wissenschaft gebe, sollte die Politik Ratschläge übernehmen. CSU-Generalsekretär Markus Blume forderte, im Falle einer Entwarnung solle es mehr Flexibilität beim Impfen geben. Wenn es Menschen gebe, die bereit seien, sich das Astrazeneca-Vakzin impfen zu lassen, sollte man sie nicht ausbremsen, sondern mit Hausärzten dafür sorgen, diesen Impfstoff so schnell wie möglich an die Bevölkerung zu bringen, sagte Blume bei „Markus Lanz“im ZDF.
Unterdessen arbeitet die von der Bundesregierung eingesetzte „Taskforce Impfstoffproduktion“daran, die Produktion der bereits bestellten Impfstoffmengen abzusichern. „Dafür schaffen wir im Austausch mit den Unternehmen Transparenz, eine Art Monitoring der Produktion, um Störungen im besten Fall gleich zu verhindern oder aber früh zu erkennen und zu beseitigen“, sagte Christoph Krupp, der Sonderbeauftragte der Bundesregierung, unserer Redaktion. Er leitet die
Taskforce seit Anfang März. Krupp verfolgt zugleich das Ziel, langfristig die eigene Produktion in Deutschland und Europa auszubauen, um „auch zukünftig eine sichere Versorgung“zu gewährleisten. „Dafür werden wir bis Mai ein Konzept zu Produktionskapazitäten in Deutschland ab 2022 erstellen“, kündigt er an. Im Vordergrund würden neuartige Technologien wie mRNA stehen, mit denen man sehr schnell auf Mutationen oder neue Viren reagieren kann. Die deutschen Start-ups Biontech und Curevac seien bei der mRNA-Entwicklung „internationale Vorreiter“. „Auch zur weltweiten Produktion sollte Deutschland daher zukünftig signifikant beitragen“, sagte Krupp. Man sei aber im Austausch mit allen Herstellern.
Die Pläne des US-Herstellers Johnson & Johnson, ab April seinen Impfstoff auch über die Firma IDT Biologika in Dessau produzieren zu lassen, nannte Krupp einen „wichtigen Schritt“. Die Vorbereitungen dafür liefen bereits, erklärte ein Sprecher von IDT Biologika. „Was wir brauchen, ist ein Netzwerk von Unternehmen, das möglichst die gesamte Wertschöpfungskette abdeckt – von der Rohstoffbeschaffung über die Produktion und Abfüllung der Impfstoffe bis zur Produktion und Lieferung von Nebenprodukten und Impfzubehör“, sagte der der Impfstoff-Beauftragte Krupp.
Die Vakzin-Produktion in Deutschland soll ausgebaut werden