Alles auf Anfang
Von Harmonie kann nach dem Machtkampf zwischen Armin Laschet und Markus Söder keine Rede sein. Der Frust über den Ablauf der Nominierung ist groß, auch in der CDU. Jetzt heißt es, vorsichtig aufeinander zuzugehen.
BERLIN „Markus Söder unterstützen? Bei uns möglich!“, heißt es auf einem Twitter-Konto. So weit, so gut. Pikant nur, dass das Twitter-Konto der offizielle CSU-Account ist. Damit macht die Partei bundesweit Werbung für ihre Onlinemitgliedschaft. Nicht nur das: CSU-Generalsekretär Markus Blume hieß zudem einen Mann aus Schleswig-Holstein willkommen, der nach eigenen Angaben als „deutliches Zeichen“Onlinemitglied wurde. Das „deutliche Zeichen“ist eine Stichelei gegen die Kanzlerkandidatur von CDU-Chef Armin Laschet, der aus dem Streit mit CSU-Chef Söder als Sieger hervorging.
Dieser Streit hat der CSU nach eigenen Angaben einen „sprunghaften“Anstieg von Online-Mitgliedschaften in ganz Deutschland beschert. Bei dem kostenpflichtigen Angebot, das die CSU seit September 2020 anbietet, handelt es sich nicht um eine Vollmitgliedschaft. „Die CSU kommt bei der Bearbeitung derzeit kaum hinterher. Es sind in den vergangenen Tagen mehrere Hundert Anträge eingegangen“, sagt ein CSU-Sprecher. Im Konrad-Adenauer-Haus, der CDU-Zentrale in Berlin, gibt es dazu nur stummes Kopfschütteln.
Wie man es auch dreht und wende: Die Union ist drei Tage nach der Nominierung ihres Kanzlerkandidaten von einer Annäherung noch weit entfernt, von Harmonie ganz zu schweigen. Auch wenn es an offiziellen Beschwörungen nicht mangelt. Der Vorsitzende der Jungen Union (JU), Tilman Kuban, spricht zwar von einer „durchaus gedrückten Stimmung“an der Basis der Unionsnachwuchsorganisation, die mehrheitlich Söder unterstützt hatte. Die JU habe aber „auch immer deutlich gemacht, dass wir gemeinsam mit CDU und CSU und dem Kanzlerkandidaten in den Wahlkampf ziehen werden“, sagte Kuban.
Der Chef der Jungen Union Bayern, Christian Doleschal, wird deutlicher. Er dankt den CDU-Landesverbänden für ihre Unterstützung für Söder. Es sei nicht selbstverständlich, dass diese sich so deutlich positioniert hätten. „Wir akzeptieren das Ergebnis. Die Stimmung ist aber noch nicht da, wo sie hingehört.“Nun sei es wichtig, dass auch von Laschet Signale kämen. Es gehe vielleicht nicht um Umfragen, am Ende aber um Wahlergebnisse.
Telefoniert man im Südwesten, Osten und Norden mit Funktionsträgern, so berichten führende CDU-Leute von einem „riesigen
Frust“und „großer Angst, vieles zu verlieren“. Viele Mitglieder seien „in heller Panik“. Laschet werde menschlich geschätzt, aber auf seine Zugkraft im Wahlkampf wage keiner so richtig zu setzen. „Söder hätte noch einen Tag durchhalten müssen und sich von Wolfgang Schäuble nicht ins Bockshorn jagen lassen dürfen“, schimpft einer der ersten Reihe. Zitieren lassen will sich jedoch keiner. Man verschickt lieber Umfragen der „Wirtschaftswoche“, wonach die grüne Spitzenkandidatin Annalena Baerbock die Favoritin von Führungskräften in der Wirtschaft für die Nachfolge Angela Merkels ist. Unions-Spitzenkandidat Laschet folgt dort hinter FDPChef Christian Lindner auf Patz drei.
Auch an der Basis in Nordrhein-Westfalen
herrscht Katerstimmung. „Ich frage mich, wie man das noch bis September gedreht bekommt“, sagt ein ranghohes Mitglied aus Westfalen. Derzeit verfange doch der Eindruck, dass „die da oben“gegen die Basis entschieden hätten. Er sieht die Gefahr, dass sich die Wahl im September zu einer Denkzettelveranstaltung auswachsen werde. „Entweder bleiben dann unsere Mitglieder zu Hause oder wählen die FDP.“Es sei nicht so, dass man vor Ort die große Söder-Fangemeinde habe, aber die Mitglieder störten sich massiv am Umgang der Parteispitze mit der Basis.
Ein Hauptverwaltungsbeamter der CDU versucht sich in Ironie: „Gott sei Dank haben wir nicht denjenigen mit den guten Umfragewerten
genommen, dann können wir jetzt schön das Feld von hinten aufrollen und angreifen.“
Auf Funktionsträger-Ebene ist die Lage anders. Der Chef des Arbeitnehmerflügels in NRW, Dennis Radtke, sagt, in der CDA herrsche große Zufriedenheit. „Ich kann natürlich nicht für jedes Mitglied sprechen, aber auf der mittleren Führungsebene höre ich keine Klagen.“Aus seiner Sicht stünden jetzt die Mandatsträger in der Verantwortung voranzugehen. „Wir gewinnen diese Wahl nicht mit Wehklagen und Selbstbeschäftigung, sondern nur mit durchgedrücktem Kreuz, Geschlossenheit, mutigem Programm und Team.“Doch an Geschlossenheit und Team hapert es gerade. Da hilft nur ein Neuanfang.