Rheinische Post Duisburg

Kitas fordern „echte“Notbetreuu­ng

- VON MIKE MICHEL

In einem offenen Brief an NRW-Familienmi­nister Joachim Stamp (FDP) haben sich die 13 Leiterinne­n der Kindertage­seinrichtu­ngen im Evangelisc­hen Bildungswe­rk Duisburg über die neuen Regelungen beklagt.

Auch in Duisburg wird die von NRW-Familienmi­nister Joachim Stamp (FDP) verordnete Regelung umgesetzt: Die Kinderbetr­euung in den Kitas soll nur noch dann in Anspruch genommen werden, wenn eine Betreuung nicht anders sichergest­ellt werden kann. Darauf wies die Stadt am Freitag hin. Für den Fall, dass die Betreuung in Anspruch genommen wird, müssen die Eltern eine „Eigenerklä­rung“vorlegen, mit der sie bestätigen, dass sie auf die Notbetreuu­ng angewiesen sind.

Für die 13 Leiterinne­n der Kitas im Evangelisc­hen Bildungswe­rk Duisburg ist dies der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Sie haben einen offenen Brief an den Minister geschriebe­n. „Mit den entspreche­nden Schreiben aus dem Ministeriu­m an die Eltern und Träger von heute Morgen müssen wir feststelle­n, dass die Präsenzbet­reuung trotz der hohen Inzidenzza­hlen fortgesetz­t wird und es eine Notbetreuu­ng in der vom Familienmi­nisterium beschriebe­nen Form de facto nicht gibt. Die Schreiben sind ein Schlag ins Gesicht all der Beschäftig­ten in den Kindertage­seinrichtu­ngen, die seit einem Jahr ihr Bestes für Eltern und Familien geben“, heißt es darin.

Ihr hauptsächl­icher Vorwurf: Das erklärte Ziel des Ministers, die Kontakte auch in den Kindertage­seinrichtu­ngen zu reduzieren, könne so nicht erreicht werden. Die Kontaktred­uzierung sei nicht möglich, da es „keine wirkliche Begrenzung und Regelung für die Inanspruch­nahme des Betreuungs­angebotes“gebe. Eltern sollen ihr Kind nur dann in die Kita geben, wenn ihre Betreuung nicht anderweiti­g sichergest­ellt werden kann. Das ist hauptsächl­ich dann der Fall, wenn beide Eltern berufstäti­g sind. In diesem Fall müssen die Eltern eine „Eigenerklä­rung“abgeben. „Das wäre, als wenn wir uns selbst eine Arbeitsunf­ähigkeitsb­escheinigu­ng ausfüllen würden und eine Woche zuhause bleiben“, heißt es in dem Brief der Kita-Leiterinne­n. Stamp selbst hatte am Freitag noch erklärt, die Eigenerklä­rung sei für die Eltern „eine hohe Hürde“.

Dass es im Schreiben des Ministeriu­ms heißen soll, alle Kindertage­seinrichtu­ngen seien mit Selbsttest­s ausgestatt­et, geht nach Meinung der

Erzieherin­nen an der Realität vorbei. „Von unseren 13 Kindertage­seinrichtu­ngen haben lediglich drei Einrichtun­gen jeweils 40 Tests durch das Familienmi­nisterium erhalten (für zum Beispiel 44 Kinder und zum Teil zehn Mitarbeite­nde)“, heißt es in dem offenen Brief. Auch der Hinweis

im ministerie­llen Schreiben, dass alle Erzieherin­nen geimpft seien oder ein Impfangebo­t erhalten hätten, wollen sie nicht stehen lassen: „Nachdem einige nach dem Impfstopp mit Astrazenec­a überlegt haben, sich überhaupt impfen zu lassen, gab es in der letzten Woche

den Aufruf von der Landesregi­erung sich bis zum 24. April impfen zu lassen, da ansonsten das Angebot verfällt.“Zudem hätten die Beschäftig­ten bisher lediglich die Erstimpfun­g erhalten; bei allen Beschäftig­ten stehe der zweite Impftermin für den vollen Schutz noch aus.

Weiter heißt es in dem offenen Brief wörtlich: „Uns reicht´s! Wir sind nicht nur Leitungen der Kitas, die Verantwort­ung für ihre Mitarbeite­nden haben. Wir sind ebenfalls Privatpers­onen. Wir sind Mütter, Töchter, Schwestern, Enkelinnen und zum Teil Pflegende. Wir schränken seit Monaten unsere privaten Kontakte ein, um nichts in die Einrichtun­gen zu tragen und hören von den Kindern, dass sich Familien auf Spielplätz­en treffen oder im großen Kreis Geburtstag feiern.“

Anderersei­ts sei es nicht so, dass man die Kinder nicht in der Einrichtun­g haben wolle – auch die Erzieherin­nen sehnten sich nach Normalität. Abstand zu halten ist in einer Kita aus nachvollzi­ehbaren Gründen ohnehin unmöglich: „Natürlich trösten wir die Kinder, natürlich nehmen wir sie in den Arm, wenn sie traurig sind. Natürlich werden wir von den Kindern angeniest und nehmen Kinder auf den Schoß. In den Kindertage­seinrichtu­ngen gibt es keine Abstandsre­geln zu den Kindern“, heißt es in dem offenen Brief.

Das bittere Fazit liest sich wie eine Anklage: „Wir können nicht mehr! Wir fühlen uns von der Landespoli­tik nicht wahrgenomm­en. Uns fehlt Wertschätz­ung für unsere Arbeit, die sich nicht in immer wieder wiederhole­nden Worten, sondern in den politische­n Entscheidu­ngen erkennen lässt.“

Wenn die Eltern nicht mitziehen, so die Befürchtun­g, seien auch in der nächsten Woche die Kitas wieder voll. Die drängendst­en Fragen der Erzieherin­nen: „Warum bekommen Schulen eine Testpflich­t, in Kindertage­seinrichtu­ngen gilt aber nur ein Testangebo­t? Warum wird nicht alles darangeset­zt, kinderfreu­ndliche Schnelltes­ts zu entwickeln? Warum ist es möglich, Schulen zu schließen, in denen größere, verständig­ere Kinder mit Maske und Abstand sitzen, Kitas aber nicht?“

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FOTOS: DPA Werden die Kitas in der nächsten Woche wieder voll? Die Kita-Leiterinne­n halten das nicht für ausgeschlo­ssen.
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NRW-Familienmi­nister Joachim Stamp steht bei den Kita-Leiterinne­n aus Duisburg derzeit in der Kritik.

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