Kitas fordern „echte“Notbetreuung
In einem offenen Brief an NRW-Familienminister Joachim Stamp (FDP) haben sich die 13 Leiterinnen der Kindertageseinrichtungen im Evangelischen Bildungswerk Duisburg über die neuen Regelungen beklagt.
Auch in Duisburg wird die von NRW-Familienminister Joachim Stamp (FDP) verordnete Regelung umgesetzt: Die Kinderbetreuung in den Kitas soll nur noch dann in Anspruch genommen werden, wenn eine Betreuung nicht anders sichergestellt werden kann. Darauf wies die Stadt am Freitag hin. Für den Fall, dass die Betreuung in Anspruch genommen wird, müssen die Eltern eine „Eigenerklärung“vorlegen, mit der sie bestätigen, dass sie auf die Notbetreuung angewiesen sind.
Für die 13 Leiterinnen der Kitas im Evangelischen Bildungswerk Duisburg ist dies der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Sie haben einen offenen Brief an den Minister geschrieben. „Mit den entsprechenden Schreiben aus dem Ministerium an die Eltern und Träger von heute Morgen müssen wir feststellen, dass die Präsenzbetreuung trotz der hohen Inzidenzzahlen fortgesetzt wird und es eine Notbetreuung in der vom Familienministerium beschriebenen Form de facto nicht gibt. Die Schreiben sind ein Schlag ins Gesicht all der Beschäftigten in den Kindertageseinrichtungen, die seit einem Jahr ihr Bestes für Eltern und Familien geben“, heißt es darin.
Ihr hauptsächlicher Vorwurf: Das erklärte Ziel des Ministers, die Kontakte auch in den Kindertageseinrichtungen zu reduzieren, könne so nicht erreicht werden. Die Kontaktreduzierung sei nicht möglich, da es „keine wirkliche Begrenzung und Regelung für die Inanspruchnahme des Betreuungsangebotes“gebe. Eltern sollen ihr Kind nur dann in die Kita geben, wenn ihre Betreuung nicht anderweitig sichergestellt werden kann. Das ist hauptsächlich dann der Fall, wenn beide Eltern berufstätig sind. In diesem Fall müssen die Eltern eine „Eigenerklärung“abgeben. „Das wäre, als wenn wir uns selbst eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausfüllen würden und eine Woche zuhause bleiben“, heißt es in dem Brief der Kita-Leiterinnen. Stamp selbst hatte am Freitag noch erklärt, die Eigenerklärung sei für die Eltern „eine hohe Hürde“.
Dass es im Schreiben des Ministeriums heißen soll, alle Kindertageseinrichtungen seien mit Selbsttests ausgestattet, geht nach Meinung der
Erzieherinnen an der Realität vorbei. „Von unseren 13 Kindertageseinrichtungen haben lediglich drei Einrichtungen jeweils 40 Tests durch das Familienministerium erhalten (für zum Beispiel 44 Kinder und zum Teil zehn Mitarbeitende)“, heißt es in dem offenen Brief. Auch der Hinweis
im ministeriellen Schreiben, dass alle Erzieherinnen geimpft seien oder ein Impfangebot erhalten hätten, wollen sie nicht stehen lassen: „Nachdem einige nach dem Impfstopp mit Astrazeneca überlegt haben, sich überhaupt impfen zu lassen, gab es in der letzten Woche
den Aufruf von der Landesregierung sich bis zum 24. April impfen zu lassen, da ansonsten das Angebot verfällt.“Zudem hätten die Beschäftigten bisher lediglich die Erstimpfung erhalten; bei allen Beschäftigten stehe der zweite Impftermin für den vollen Schutz noch aus.
Weiter heißt es in dem offenen Brief wörtlich: „Uns reicht´s! Wir sind nicht nur Leitungen der Kitas, die Verantwortung für ihre Mitarbeitenden haben. Wir sind ebenfalls Privatpersonen. Wir sind Mütter, Töchter, Schwestern, Enkelinnen und zum Teil Pflegende. Wir schränken seit Monaten unsere privaten Kontakte ein, um nichts in die Einrichtungen zu tragen und hören von den Kindern, dass sich Familien auf Spielplätzen treffen oder im großen Kreis Geburtstag feiern.“
Andererseits sei es nicht so, dass man die Kinder nicht in der Einrichtung haben wolle – auch die Erzieherinnen sehnten sich nach Normalität. Abstand zu halten ist in einer Kita aus nachvollziehbaren Gründen ohnehin unmöglich: „Natürlich trösten wir die Kinder, natürlich nehmen wir sie in den Arm, wenn sie traurig sind. Natürlich werden wir von den Kindern angeniest und nehmen Kinder auf den Schoß. In den Kindertageseinrichtungen gibt es keine Abstandsregeln zu den Kindern“, heißt es in dem offenen Brief.
Das bittere Fazit liest sich wie eine Anklage: „Wir können nicht mehr! Wir fühlen uns von der Landespolitik nicht wahrgenommen. Uns fehlt Wertschätzung für unsere Arbeit, die sich nicht in immer wieder wiederholenden Worten, sondern in den politischen Entscheidungen erkennen lässt.“
Wenn die Eltern nicht mitziehen, so die Befürchtung, seien auch in der nächsten Woche die Kitas wieder voll. Die drängendsten Fragen der Erzieherinnen: „Warum bekommen Schulen eine Testpflicht, in Kindertageseinrichtungen gilt aber nur ein Testangebot? Warum wird nicht alles darangesetzt, kinderfreundliche Schnelltests zu entwickeln? Warum ist es möglich, Schulen zu schließen, in denen größere, verständigere Kinder mit Maske und Abstand sitzen, Kitas aber nicht?“
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