Die „Neustadt“im Miniatur-Format
Ein Kunstprojekt in der Nähe zum Landschaftspark Nord zeigt insgesamt 23 Gebäude im Spielzeugformat. Das Besondere daran: Alle Vorbilder wurden in den vergangenen 20 Jahren abgerissen.
(dab) Der Kunstweg entlang der Emscher im nördlichen Ruhrgebiet wird um ein Kunstwerk reicher: Am Landschaftspark Duisburg-Nord entsteht eine Miniaturstadt aus mehr als 20 Gebäude-Modellen etwa von Schulen, Hochhäusern und Kirchen. Auf der Grünfläche zwischen der Alten Emscher, einem Fahrradweg und der Autobahn 42 entstehen zwei Straßenzüge einer fiktiven Stadt. Das Besondere: Die Skulpturen stellen Gebäude aus dem Ruhrgebiet dar, die nach der Jahrtausendwende abgerissen wurden.
Die „Neustadt“haben die Berliner Künstler Julius von Bismarck und Marta Dyachenko das Werk genannt. Sie ist das jüngste Werk des Emscherkunst-Projekts, das jetzt Duisburg erreicht hat. Die Installation kann ab dem 1. Mai besichtigt werden. Als kostenlos zugängliche Kunst im öffentlichen Raum soll sie dauerhaft dort bleiben.
NRW-Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen (parteilos) nannte die Installation am Donnerstag bei einer Online-Präsentation ein „sehr poetisches Gesamtkunstwerk“und sagte über die Gebäude: „Jetzt möchte man sie irgendwie beschützen, sie nach ihrer Geschichte fragen und nach den Gründen für ihr Verschwinden.“
Über zwei Jahre Planung und Recherche sind der Umsetzung von „Neustadt“vorausgegangen. Der Künstler Julius von Bismarck, der in seinen teils extremen Kunstaktionen mit Naturgewalten wie Blitzen, Stürmen und Feuersbrünsten gearbeitet hat, und die in Kiew geborene Künstlerin und Architektin Marta Dyachenko haben die Bauwerke im Maßstab 1:25 angefertigt – im gleichen Format wie ein bekanntes Kinderspielzeug. Auf einer Fläche von fast 2000 Quadratmetern werden neben nicht mehr existenten Wohnhäusern auch eine Schwimmhalle oder ein Bunker gezeigt.
Die Auswahl der Gebäude folgte den Angaben zufolge keinem strengen System, sondern ästhetischen Kriterien und dem Wunsch, einen Querschnitt des lokalen Städtebaus aufzuzeigen. So steht etwa neben einem Essener Mietshaus aus der Gründerzeit der Wohnkomplex einer einstigen Modellsiedlung von 1965 aus Marl. Die Lebenszyklen der Paulskirche aus Duisburg von 1970 oder der Kirche St. Joseph aus Essen-Kupferdreh, die 1904 im neugotischen Stil fertiggestellt und 2015 abgerissen wurde, stehen für den gesellschaftlichen Wandel, der sich auch in den Gemeinden zeigt.
Den kleinen Nachbauten begegnet man hier auf Augenhöhe, die
Skulpturen lassen durchaus architektonische Qualitäten erschließen. Die Installation soll die Besucher zum Nachdenken anregen, etwa über Fragen zur Entwicklung von Städten und zur Bewertung von Architektur. Gleichzeitig geht es den Künstlern um das Thema Nachhaltigkeit. Der Vorstandsvorsitzende des Wasserwirtschaftsverbandes Emschergenossenschaft, Uli Paetzel, nannte das Kunstwerk einen „gedanklichen Stolperstein“, der mit den Bürgerinnen und Bürgern interagiere.