„Völlig deplatzierte, ideenlose Architektur“
Die Vertreter der BV Süd sprechen sich mehrheitlich für eine Bebauung am Rahmerbuschfeld aus. Doch was sagen eigentlich die Anwohner dazu?
RAHM Das geplante und mehr als umstrittene Neubauprojekt Am Rahmerbuschfeld zieht weitere Kreise. Insgesamt 83 Häuser und Wohnungen und ein Supermarkt in der Größe von 1300 Quadratmetern sollen hier gebaut werden – trotz massiver Proteste der Bürgerinitiative „Naturerhalt Rahmerbuschfeld“, die sich vor zwei Jahren gegründet hat. Grund für die Ablehnung: Das Vorhaben befindet sich in unmittelbarer Nähe zu einem Naturschutzund FFH-Gebiet. Das werde die Vogelpopulation extrem negativ beeinflussen, sagt auch Norbert Broda, Bezirksvertreter in der BV Süd für die Linke. Er hat in der Ratssitzung am 19. April gegen das Projekt gestimmt. Von 15 anwesenden Bezirksvertretern (zwei fehlten) votierten acht für das Bauvorhaben (SPD/CDU) und insgesamt sieben dagegen. Doch was sagen eigentlich die Anwohner auf der Angermunder Straße dazu, die direkt betroffen sind? Wir haben nachgefragt und wollten wissen, wie die Haltung der Nachbarn zum geplanten Bauprojekt ist.
Anton Reichl wohnt mit seiner Ehefrau gleich gegenüber von der noch unbebauten Wiese. „Überflüssig. Es gibt genügend Neubauvorhaben im Duisburger Süden, in Huckingen, in Wedau und auch in Angermund.“Auch einen Supermarkt hält er für überflüssig. „Wir sind von Supermärkten umgeben, haben Netto, Aldi, Lidl, Edeka. Der Rahmer Edeka-Markt hat sich als Zentrum und Begegnungsstätte etabliert.“Und er glaubt, da sich die Projekte nur eine gewisse Klientel leisten kann, bliebe das Profil von Rahm als teuerstem Duisburger Stadtteil erhalten. „Ist das das Ziel? Sollten nicht andere Kriterien im Vordergrund stehen? Naturerhalt, Stadtteilzusammenhalt und so weiter?“
Jürgen Ritter, Anwohner auf der Angermunder Straße: „Ich lehne das Projekt ab, weil es trotz verfügbarer Alternativstandorte ein Landschaftsschutzgebiet ebenso zerstört wie den dörflichen Charakter von Rahm. Und aus demselben Grund lehne ich auch den Supermarkt ab, denn der ragt ebenfalls in dieses Gebiet hinein. Außerdem gibt es im Umkreis von zwei bis drei Kilometern sechs Supermärkte. Da fast alle mit dem Auto kommen würden, ist dieser Supermarkt am äußersten Ortsrand von Rahm selbst bei einer – aus meiner Sicht nicht zu erwartenden – Schließung des bestehenden Marktes an der Kirche überflüssig. Mit dem Projekt ist insgesamt eine einheitliche und damit ideenlose Architektur geplant, völlig deplatziert für das Dorf Rahm. Bereits vor fünf Jahren haben sich fast 2500 Rahmer in einer Petition gegen das Projekt ausgesprochen. Das sollte auch von einem Duisburger Stadtrat respektiert werden“.
Julia Janßen lebt mit ihrer Familie seit einigen Jahren erst wieder in Rahm und hat sich bisher sehr wohlgefühlt. Sie ist hier aufgewachsen, war dann berufsbedingt in Hessen und anderswo. Janßen ist unmittelbar betroffen, weil sie quasi gegenüber dem neuen Supermarkt wohnt. „Ich bin absolut gegen die Bebauung des Rahmerbuschfeldes, weil ein intaktes, wichtiges Naturschutzgebiet zerstört wird. Es macht für mich überhaupt keinen Sinn, an dieser Stelle einen Supermarkt zu bauen. Zum einen gibt es im Umkreis schon sechs Supermärkte und zum anderen liegt das Grundstück für diesen neu geplanten Supermarkt außerhalb des Ortskerns und bietet keinen zentralen Punkt. Ein Supermarkt sollte fußläufig sein. Dieser wäre aber für alle Nord-Rahmer und West-Rahmer nicht gut zu Fuß zu erreichen und damit für mich nicht sinnvoll. Meiner Meinung nach wird das Bauvorhaben Rahm in keiner Weise verbessern. Diese Bebauung ist isoliert von dem Rest des Stadtteils, wird sich daher als eigenen Stadtteil ansehen und sich nicht in das eigentliche Dorfleben mischen. Der Ortskern Rahms wird verschoben und durch die Schließung des alten Supermarkts gefährdet. Leider sehe ich auch einen weiteren großen Nachteil nicht nur für die Rahmer Bevölkerung, sondern auch für die Tierwelt und nicht zuletzt den Pächter des Ventenhofes“, sagt Janßen.
Pia Gras lebt mit ihrer Familie gleich neben dem Baugebiet. „Ich denke, dass die Natur wichtiger denn je geschützt werden muss. Es ist sowieso schon kurz vor zwölf, und der
Mensch nimmt sich, was er will. Tiere und die Natur haben keine Stimme, die wir Menschen verstehen, wir können sie nur sehen und beobachten. Daher ist es wichtig, dass die Menschen, die verstanden haben, dass alle von der Symbiose zwischen Erde und Leben abhängig sind, diese Stimme der Natur einnehmen und sie gegen diejenigen erheben, die der Natur Lebensraum rauben wollen. Das ist wichtig für alle Generationen, für unsere Kinder und deren Kinder.“Ihre Haltung zum neuen Supermarkt ist auch klar: „Es gibt einen kleinen, kuscheligen, aber feinen Supermarkt in Rahm, gefühlt ein Stückchen Nostalgie in diesen Zeiten. Ein nettes Pläuschchen an der Fleischtheke, Entschleunigung und dennoch ist alles da, was man braucht. Man kann noch persönliche Wünsche äußern und Bestellungen abgeben. Das ist schützenswert und verliert sich in kommerziell geführten Geschäften. Der kleine Edeka sollte bleiben, um das Zentrum des Örtchens zu wahren“. Ob beide Projekte dem Profil von Rahm nicht gut tun? „Ich denke nicht. Es werden auch mehr Ortsfremde den Supermarkt fluten, es wird unpersönlicher und vor allem anonymer werden. Junge Familien werden sich die geplanten Häuser aufgrund der Lage gar nicht leisten können. Das Mikroklima, das den Ort durchflutet, die frische Luft, die vom Wald herströmt, wird verschwinden“, befürchtet Gras.
Claudia Anthonj ist Mitbegründerin der „Bürgerinitiative Naturerhalt“Rahmerbuschfeld. Sie findet, dass das Projekt die heutigen Bemühungen zum Umwelt- und Artenschutz sowie die Interessen der ansässigen Bürgerinnen und Bürger aufs Äußerste missachtet. „Der geplante Supermarkt ist vollkommen überflüssig und deplatziert. Der geplante Standort im Außenbereich Rahms erfordert die Benutzung eines Autos, womit die reichlich in der Umgebung vorhandenen Vollversorger ebenso angefahren werden können.“Und sie meint abschließend: „Beide Standorte, Supermarkt und Wohnbebauung, sind für Rahm nicht nur eine ökologische Katastrophe, sondern sie zerstören den hohen Wohnwert, den Rahm als Naturidylle bietet. Die geplante retortenartige Quaderlandschaft zerstört das villenartige Ortsbild nachhaltig.“