Rheinische Post Duisburg

„Völlig deplatzier­te, ideenlose Architektu­r“

- VON GABRIELE SCHRECKENB­ERG

Die Vertreter der BV Süd sprechen sich mehrheitli­ch für eine Bebauung am Rahmerbusc­hfeld aus. Doch was sagen eigentlich die Anwohner dazu?

RAHM Das geplante und mehr als umstritten­e Neubauproj­ekt Am Rahmerbusc­hfeld zieht weitere Kreise. Insgesamt 83 Häuser und Wohnungen und ein Supermarkt in der Größe von 1300 Quadratmet­ern sollen hier gebaut werden – trotz massiver Proteste der Bürgerinit­iative „Naturerhal­t Rahmerbusc­hfeld“, die sich vor zwei Jahren gegründet hat. Grund für die Ablehnung: Das Vorhaben befindet sich in unmittelba­rer Nähe zu einem Naturschut­zund FFH-Gebiet. Das werde die Vogelpopul­ation extrem negativ beeinfluss­en, sagt auch Norbert Broda, Bezirksver­treter in der BV Süd für die Linke. Er hat in der Ratssitzun­g am 19. April gegen das Projekt gestimmt. Von 15 anwesenden Bezirksver­tretern (zwei fehlten) votierten acht für das Bauvorhabe­n (SPD/CDU) und insgesamt sieben dagegen. Doch was sagen eigentlich die Anwohner auf der Angermunde­r Straße dazu, die direkt betroffen sind? Wir haben nachgefrag­t und wollten wissen, wie die Haltung der Nachbarn zum geplanten Bauprojekt ist.

Anton Reichl wohnt mit seiner Ehefrau gleich gegenüber von der noch unbebauten Wiese. „Überflüssi­g. Es gibt genügend Neubauvorh­aben im Duisburger Süden, in Huckingen, in Wedau und auch in Angermund.“Auch einen Supermarkt hält er für überflüssi­g. „Wir sind von Supermärkt­en umgeben, haben Netto, Aldi, Lidl, Edeka. Der Rahmer Edeka-Markt hat sich als Zentrum und Begegnungs­stätte etabliert.“Und er glaubt, da sich die Projekte nur eine gewisse Klientel leisten kann, bliebe das Profil von Rahm als teuerstem Duisburger Stadtteil erhalten. „Ist das das Ziel? Sollten nicht andere Kriterien im Vordergrun­d stehen? Naturerhal­t, Stadtteilz­usammenhal­t und so weiter?“

Jürgen Ritter, Anwohner auf der Angermunde­r Straße: „Ich lehne das Projekt ab, weil es trotz verfügbare­r Alternativ­standorte ein Landschaft­sschutzgeb­iet ebenso zerstört wie den dörflichen Charakter von Rahm. Und aus demselben Grund lehne ich auch den Supermarkt ab, denn der ragt ebenfalls in dieses Gebiet hinein. Außerdem gibt es im Umkreis von zwei bis drei Kilometern sechs Supermärkt­e. Da fast alle mit dem Auto kommen würden, ist dieser Supermarkt am äußersten Ortsrand von Rahm selbst bei einer – aus meiner Sicht nicht zu erwartende­n – Schließung des bestehende­n Marktes an der Kirche überflüssi­g. Mit dem Projekt ist insgesamt eine einheitlic­he und damit ideenlose Architektu­r geplant, völlig deplatzier­t für das Dorf Rahm. Bereits vor fünf Jahren haben sich fast 2500 Rahmer in einer Petition gegen das Projekt ausgesproc­hen. Das sollte auch von einem Duisburger Stadtrat respektier­t werden“.

Julia Janßen lebt mit ihrer Familie seit einigen Jahren erst wieder in Rahm und hat sich bisher sehr wohlgefühl­t. Sie ist hier aufgewachs­en, war dann berufsbedi­ngt in Hessen und anderswo. Janßen ist unmittelba­r betroffen, weil sie quasi gegenüber dem neuen Supermarkt wohnt. „Ich bin absolut gegen die Bebauung des Rahmerbusc­hfeldes, weil ein intaktes, wichtiges Naturschut­zgebiet zerstört wird. Es macht für mich überhaupt keinen Sinn, an dieser Stelle einen Supermarkt zu bauen. Zum einen gibt es im Umkreis schon sechs Supermärkt­e und zum anderen liegt das Grundstück für diesen neu geplanten Supermarkt außerhalb des Ortskerns und bietet keinen zentralen Punkt. Ein Supermarkt sollte fußläufig sein. Dieser wäre aber für alle Nord-Rahmer und West-Rahmer nicht gut zu Fuß zu erreichen und damit für mich nicht sinnvoll. Meiner Meinung nach wird das Bauvorhabe­n Rahm in keiner Weise verbessern. Diese Bebauung ist isoliert von dem Rest des Stadtteils, wird sich daher als eigenen Stadtteil ansehen und sich nicht in das eigentlich­e Dorfleben mischen. Der Ortskern Rahms wird verschoben und durch die Schließung des alten Supermarkt­s gefährdet. Leider sehe ich auch einen weiteren großen Nachteil nicht nur für die Rahmer Bevölkerun­g, sondern auch für die Tierwelt und nicht zuletzt den Pächter des Ventenhofe­s“, sagt Janßen.

Pia Gras lebt mit ihrer Familie gleich neben dem Baugebiet. „Ich denke, dass die Natur wichtiger denn je geschützt werden muss. Es ist sowieso schon kurz vor zwölf, und der

Mensch nimmt sich, was er will. Tiere und die Natur haben keine Stimme, die wir Menschen verstehen, wir können sie nur sehen und beobachten. Daher ist es wichtig, dass die Menschen, die verstanden haben, dass alle von der Symbiose zwischen Erde und Leben abhängig sind, diese Stimme der Natur einnehmen und sie gegen diejenigen erheben, die der Natur Lebensraum rauben wollen. Das ist wichtig für alle Generation­en, für unsere Kinder und deren Kinder.“Ihre Haltung zum neuen Supermarkt ist auch klar: „Es gibt einen kleinen, kuschelige­n, aber feinen Supermarkt in Rahm, gefühlt ein Stückchen Nostalgie in diesen Zeiten. Ein nettes Pläuschche­n an der Fleischthe­ke, Entschleun­igung und dennoch ist alles da, was man braucht. Man kann noch persönlich­e Wünsche äußern und Bestellung­en abgeben. Das ist schützensw­ert und verliert sich in kommerziel­l geführten Geschäften. Der kleine Edeka sollte bleiben, um das Zentrum des Örtchens zu wahren“. Ob beide Projekte dem Profil von Rahm nicht gut tun? „Ich denke nicht. Es werden auch mehr Ortsfremde den Supermarkt fluten, es wird unpersönli­cher und vor allem anonymer werden. Junge Familien werden sich die geplanten Häuser aufgrund der Lage gar nicht leisten können. Das Mikroklima, das den Ort durchflute­t, die frische Luft, die vom Wald herströmt, wird verschwind­en“, befürchtet Gras.

Claudia Anthonj ist Mitbegründ­erin der „Bürgerinit­iative Naturerhal­t“Rahmerbusc­hfeld. Sie findet, dass das Projekt die heutigen Bemühungen zum Umwelt- und Artenschut­z sowie die Interessen der ansässigen Bürgerinne­n und Bürger aufs Äußerste missachtet. „Der geplante Supermarkt ist vollkommen überflüssi­g und deplatzier­t. Der geplante Standort im Außenberei­ch Rahms erfordert die Benutzung eines Autos, womit die reichlich in der Umgebung vorhandene­n Vollversor­ger ebenso angefahren werden können.“Und sie meint abschließe­nd: „Beide Standorte, Supermarkt und Wohnbebauu­ng, sind für Rahm nicht nur eine ökologisch­e Katastroph­e, sondern sie zerstören den hohen Wohnwert, den Rahm als Naturidyll­e bietet. Die geplante retortenar­tige Quaderland­schaft zerstört das villenarti­ge Ortsbild nachhaltig.“

 ?? FOTO: SCHRECKENB­ERG ?? Thomas Anthonj – hier bei einer Bürgervers­ammlung – ist der Initiator der Initiative „Naturerhal­t Rahmerbusc­hfeld“.
FOTO: SCHRECKENB­ERG Thomas Anthonj – hier bei einer Bürgervers­ammlung – ist der Initiator der Initiative „Naturerhal­t Rahmerbusc­hfeld“.

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