Bitte lächeln!
Während mancher mit dem Smiley Millionen scheffelte, verdiente sein Erfinder damit nur 45 Dollar. Er nahm es gelassen. Die Geschichte eines Welterfolgs – ohne Nase.
1982 erfand der Informatiker Scott Fahlman, wonach unter anderem Vladimir Nabokov vergeblich gesucht hatte: die maschinelle Entsprechung des mit der Hand schnell mal hingekritzelten Smileys, eben das :-). Mit Nase. Vor gut drei Jahrzehnten hatte man noch Zeit für solchen unerhörten Luxus.
Ein Smiley ohne Nase, dafür mit X-förmigen Augen und heraushängender Zunge grinste in den 90er-Jahren von Hunderttausenden Nirvana-Fan-Shirts. Und aus der Rave-Szene ist das Symbol schon deshalb nicht wegzudenken, weil es in unzählige Partydrogenpillen geprägt wurde und wird. Bis heute wird der Smiley tagtäglich verwendet, auf unzählige Arten abgewandelt oder in neue Kontexte gestellt, etwa von Street-Art-Ikone Banksy, der damit Graffitis schwerbewaffneter Polizisten oder des Sensenmanns verziert.
In der Pandemie erfährt der Smiley eine neue Welle der Popularität. In vielen Schau-, Büro- und Küchenfenstern klebt ein Lächeln, das den erzwungenen Verzicht auf die echte Mimik unserer Mitmenschen wenigstens etwas erträglicher macht. Und knapp 400 Menschen aus aller Welt finanzierten mit insgesamt 15.000 Euro den Druck des Foto-Buchs „Sm;)e”. Darin dokumentieren die Künstler Rich Browd und DB Burkeman alias DJ DB die Geschichte des Strahlemanns, die sie in den vergangenen Jahren erforscht hatten. Das Ergebnis: 60 Seiten Sonnenschein (32 Euro inkl. Versand unter www.thesmilebookshop.com).
Doch nicht alles ist Friede, Freude, Eierkuchen. Das „Wall Street Journal” schreibt von einem „schockierend riesigen Geschäft” mit dem Smiley. Gemeint ist The Smiley Company, die das Logo in mehr als 100 Ländern rechtlich geschützt hat. Firmenchef Nicolas Loufrani schwärmte vor der Pandemie von knapp 300 Lizenznehmern. Der Umsatz mit Smiley-Kleidung und -Spielzeug betrage knapp 400 Millionen Dollar. Gegründet hatte die Firma sein Vater Franklin Loufrani, der seine Version des Smileys ursprünglich genutzt hatte, um auf gute Nachrichten in der Zeitung „France Soir” hinzuweisen. So viel Geld steht auf dem Spiel, dass sich die Firma mit dem US-Handelsriesen Walmart einen Rechtsstreit lieferte, der erst 2010 nach zehn Jahren endete – mit einem Vergleich, dessen Inhalt geheim blieb.
Vielen Lego-Männchen ist das für die ersten knapp 1000 verschiedenen Figuren noch alternativlose Lächeln längst vergangen. Inzwischen gibt es Hunderte Gesichtsausdrücke. Von manchen der Plastikköpfchen prangt noch das bekannte Lächeln, teils in Kombination mit Brille, Sonnenbrille, Sommersprossen oder Haaransatz. Einige grinsen oder lachen auch herzlich. Sehr viele aber schauen traurig, entsetzt oder grimmig.
So hätte auch Harvey Ball enden können, doch der ließ sich die gute Laune nicht davon verderben, dass er die Gelegenheit verpasste, Millionen zu verdienen. „Er war kein von Geld getriebener Typ”, sagte sein Sohn Charles einmal erklärt. „Er sagte immer: ,Hey, ich kann doch eh nicht mehr als ein Steak essen oder mehr als ein Auto fahren.’” Stattdessen gründete Ball die Welt-Lächel-Stiftung („Die zweite gute Idee, die ich je hatte!”). Die gemeinnützige Organisation erinnert zum World Smile Day am ersten Oktober-Freitag daran, wie leicht es ist, die Welt etwas besser zu machen: „Tu eine gute Tat – bring jemanden zum Lächeln.”
Als Harvey Ross Ball am 12. April 2001 starb, hinterließ er seine Frau Winifred, vier Kinder, sieben Enkel und zwei Urenkel. Sowie natürlich die Mutter aller Smileys, die auch an diesem Tag ihr Lächeln nicht verlor. Und raten Sie mal, was seinen ansonsten schlichten schwarzen Grabstein ziert.