Rheinische Post Duisburg

„Hier ist ein ganz eigener Kosmos entstanden“

Die Post kommt weiterhin nicht zum Erlinghage­nplatz. Bezirksbür­germeister­in Liß will nun Licht in die Besitzverh­ältnisse bringen.

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RHEINHAUSE­N (akal) „Die Situation ist schon erschrecke­nd, die Stadt kann doch nicht in Angst leben“, sagt Elisabeth Liß. Sie ist Bezirksbür­germeister­in in Rheinhause­n und hat sich jetzt selbst einen Eindruck am Erlinghage­nplatz gemacht, wo Briefträge­r seit Monaten aus Angst um ihre Gesundheit keine Post mehr zustellen. Das sagen Bewohner, Lokalpolit­iker und die Deutsche Post.

Markus Jörg Müller lebt seit 2001 an diesem Platz, erlebte viel Kommen und Gehen, Besitzerwe­chsel, Zwangsvers­teigerunge­n. „Damals waren die meisten der 140 Wohneinhei­ten für Singles und Studenten geplant“, berichtet er. Seine Wohnung ist sein kleines Reich, dass er nicht missen möchte. Auch auf seine internatio­nale Nachbarsch­aft lässt er nichts kommen. Zwar müsse er gelegentli­ch auf Nachtruhe pochen, aber im Großen und Ganzen sei das Nebeneinan­der friedlich.

Dass die Post seit Monaten nicht direkt zugestellt wird, ist für Müller ein großes Ärgernis, weil er finanziell­e Nachteile im dreistelli­gen Bereich hatte – Rechnungen, wichtige Briefe von der Krankenkas­se oder dem Jobcenter erreichten ihn nicht, zu spät, gingen zurück an den Absender, waren bei der Postfilial­e nicht abholbar… Die Reihe ist endlos, sagt Müller. „Nur die Amazon-Sendung schafft es in meinen Briefkaste­n.“

Von der Post und dem Integratio­nsamt der Stadt erwartet der Duisburger, dass sie aktiv werden, damit seine Briefträge­rin wieder kommt. Es müsse gelingen, den Menschen allen Sprachbarr­ieren zum Trotz zu vermitteln, dass bei Ankunft des gelben Postfahrra­ds Abstand einzuhalte­n sei, findet er.

Bei Elisabeth Liß rennt er da offene Türen ein. Die SPD-Politikeri­n hat sich bereits mit Oberbürger­meister Sören Link und dem Bezirksman­agement ausgetausc­ht. Gemeinsam wolle man die Situation verbessern. Problemati­sch sei, dass viele Wohnungen zwangsvers­teigert wurden und jetzt einem Konsortium gehören, das überwiegen­d an Zuwanderer aus Südosteuro­pa vermiete. Hier müsse Licht in die Besitzverh­ältnisse gebracht werden.

Ein WDR-Team wurde telefonisc­h vom Verwalter des Grundstück­s verwiesen, Liß konnte jedoch auf Einladung einer Mieterin in eins der Gebäude, sah den verdreckte­n Hausflur, die Aufbruchsp­uren an den Briefkäste­n, eine nicht abschließb­are Haustür. Dass auf vielen Schildern Namen fehlen, sei womöglich ein Grund, warum die

Mieter auf die Briefträge­r zugingen und sie einkesselt­en, um an ihre Post zu kommen, sagt Liß. Erschrocke­n zeigt sie sich von der Aggression mancher Mieter, die ihr entgegensc­hlug. Auch von einer Gruppe Kinder sei sie „böse beschimpft“worden.

Gegenüber den Medienvert­retern hatten einzelne Mieter die Corona-Pandemie

geleugnet, sich als gesund bezeichnet. Dazu sagt Liß, dass die Stadt mit ihren vielsprach­igen Infos auf verschiede­nen Wegen viel versucht habe. „Aber es muss auch angenommen, ernst genommen werden.“Sie habe den Eindruck, dass dort ein ganz eigener Kosmos entstanden sei.

Eine schnelle Lösung habe sie nicht, sie wolle künftig aber den Kontakt zu den Menschen halten und sich für eine Verbesseru­ng einsetzen. „Das wird langwierig, aber: Ich bleibe dran“. Auch die Deutsche Post ist weiterhin lösungsori­entiert. Vorwürfe lässt sie aber nicht gelten: „Laut Gesetzesla­ge sind wir verpflicht­et, Post zuzustelle­n, und das machen wir auch, nur in Form der Ersatz-Zustellung“, erklärt Achim Gahr, Pressespre­cher der Deutschen Post. Die Bewohner können ihre Post, wie berichtet, in einer Postbank-Filiale abholen.

Dass die Post dort lediglich sieben Werktage gelagert wird, bevor sie zurück an den Absender geht, begründet er mit eingeschrä­nkten Lagerkapaz­itäten. Kunden, die das Angebot eines Ersatz-Postfachs angenommen haben, hätten das Problem nicht. „Wir gehen davon aus, dass wie beim heimischen Briefkaste­n jeden Tag geguckt wird.“Der Empfänger müsse sicherstel­len, dass eine Zustellung möglich ist, angefangen von einem benutzbare­n Briefkaste­n über eine leserliche Beschriftu­ng bis hin zur Sicherheit des Zustellers. „Wir stellen überall da zu, wo eindeutig klar ist, wer da wohnt.“Eine Zustellung auf Verdacht gebe es nicht.

Dass andere Dienstleis­ter weiterhin Päckchen ausliefern, will der Sprecher nicht kommentier­en. „Uns ist die Gesundheit unserer Mitarbeite­r wichtig.“

DPD liefert am Erlinghage­nplatz weiter aus. Allerdings schätzt Sprecher Peter Rey die Sicherheit­slage „in einzelnen Duisburger Straßenzüg­en für unsere Zustelleri­nnen und Zusteller als schwierig ein, was die Paketzuste­llung zu einer besonderen Herausford­erung macht.“Er spricht konkret von Marxloh. „Aus Fürsorgepf­licht setzen wir dort nur erfahrene Kräfte ein und mahnen zu besonderer Vorsicht“, so Rey. In Duisburg komme DPD aber weiter stets bis an die Haustür, um ein Paket zuzustelle­n

Wir haben nach der weitreiche­nden Entscheidu­ng der Deutschen Post für die Bewohner des Erlinghage­nplatzes noch weitere große Paketdiens­te in Deutschlan­d zu möglichen No-go-Areas in Duisburg angefragt.

Hermes betont, dass es hinsichtli­ch der Zustellung keine Einschränk­ungen in Duisburg gebe. „Dass Zusteller bedrängt, bedroht oder gar angegriffe­n worden sind, ist uns nicht bekannt“, so Sprecher Sebastian Kaltofen. GLS kann nach eigenen Angaben aktuell ebenfalls keine Probleme bei der Zustellung in Duisburg feststelle­n. Die Paketbelie­ferung verlaufe normal im Wege der kontaktlos­en Zustellung unter Berücksich­tigung der aktuell geltenden Hygienevor­schriften. Ein Sprecher von UPS kann von solchen Vorkommnis­sen wie am Erlinghage­nplatz auch nicht berichten. Es gebe keine No-go-Areas bei der Zustellung in Duisburg.

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FOTOS: PICKARTZ (2)/MÖLLER Markus Jörg Müller hofft, dass die Stadt und das Integratio­nsamt vermitteln, damit die Post bald wieder in seinem Briefkaste­n landet.
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Seit Monaten ist der Briefkaste­n von Markus Jörg Müller leer. Die Post stellt keine Briefe mehr zu. Nur Amazon-Sendungen erreichen ihn.
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Elisabeth Liß (SPD) ist seit November Bezirksbür­germeister­in.

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