Ausbildung in Teilzeit? Das funktioniert!
Seit 2005 ermöglicht der Gesetzgeber eine vollwertige duale Ausbildung mit 25 bis 30 Stunden pro Woche. Wer davon profitiert.
MOERS Die Trennung von ihrem Mann hat für Lisa Meester fast alles verändert. Von jetzt auf gleich stand sie alleine mit sich und einem Berg an Verantwortung da. Der Job als Teamleiterin Housekeeping in einem Vier-Sterne-Hotel machte der dreifachen und jetzt alleinerziehenden Mutter zwar Spaß. Mit den Bedürfnissen von kleinen Kindern war die Arbeit, die in der Gastronomie und Hotellerie nur selten ohne regelmäßige Wochenend- und Feiertagsdienste auskommt, aber kaum zu vereinba- ren. Und dann war da auch noch die Sache mit dem Geld.
„Mir war immer wichtig, nicht nur Mutter, sondern auch berufstätig und finanziell unabhängig zu sein“, sagt Lisa Meester, die eine Ausbildung zur Hotelfachfrau begonnen, aber nicht beendet hat. „Von dem Gehalt im Hotel alleine hätte ich meine Kinder auch nicht ernähren können. Gleichzeitig wollte ich nicht bis in alle Ewigkeit zusätzlich vom Amt abhängig sein.“
Seit September macht die 33-Jährige deshalb jetzt eine Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten bei der Stadt Moers – in Teilzeit. Statt 39 Stunden in der Woche lernt sie 30 Stunden und kann so Ausbildung und Familie besser vereinbaren. Wenn alles glatt läuft, legt sie wie die Vollzeit-Azubis nach drei Jahren ihre Prüfung ab. Eine Ausbildung in Teilzeit zu absolvieren, ermöglicht das Berufsbildungsgesetz bereits seit 2005. Zunächst nur für Menschen mit Familienpflichten oder gesundheitlichen Einschränkungen. Seit Anfang 2020 hat der Gesetzgeber die Teilzeit-Variante aber für alle Interessierten geöffnet, um denen, deren Lebenslage keine Vollzeit-Ausbildung zulässt, dennoch die Chance auf einen vollwertigen Berufsabschluss zu geben.
„Auch für Arbeitgeber ist die Teilzeitausbildung eine Chance“, sagt Christiane Naß, Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt der Agentur für Arbeit Wesel. „Zum einen, weil sie sich dadurch am Markt beim Werben um Nachwuchs abheben können, zum anderen, weil sie an Personen herankommen, an die sie sonst nicht kommen würden. Für Ausbildungsbetriebe mit Nachwuchssorgen vergrößert sich dadurch das Potenzial an Bewerberinnen und Bewerbern.“Teilzeit-Azubis gehörten auffällig häufig zu den Prüfungsbesten, so Naß.
Das kann auch Sascha Angenendt, Ausbildungsleiter bei der Stadt Moers, bestätigen. Bereits seit 2003 bildet die Kommune regelmäßig künftige Mitarbeiter in Teilzeit aus. „Tatsächlich ist es ganz oft so, dass diese Kollegen motivierter und belastbarer sind“, sagt er. „Man merkt, dass viele bereits Verantwortung für eine Familie tragen und ihr Leben jeden Tag organisieren müssen.“
Das Alter spielt bei der Teilzeitausbildung überhaupt keine Rolle. Jeder kann jederzeit neu anfangen. Dass sie mit 33 Jahren jetzt wieder zur (Berufs-)Schule gehe, sei für niemanden ein Problem, sagt Lisa Meester. „Ich bin mit deutlichen Abstand die Zweitälteste in unserer Klasse, auf diese Erfahrung habe ich mich sogar richtig gefreut.“
Ausreden, warum dies oder das vielleicht nicht möglich ist, lässt die dreifache Mutter darum auch nicht gelten. „Wenn ich montags und dienstags pünktlich um 8 Uhr in der Berufsschule in Wesel sein muss, die Kita aber erst um 8 Uhr öffnet, bringe ich die Kinder um 6 oder 7 Uhr zur Tagesmutter, damit die sie dann zur Kita oder in die Schule begleitet. Randzeitenbetreuung nennt sich das. Es gibt diese Möglichkeiten, man muss sich nur informieren – und wissen, was man will.“