Titel macht nachdenklich
Zu „Abschlussprüfung ohne Testpflicht“(RP vom 28. April): Es ist doch unglaublich! Den Bürgern werden drastische Einschränkungen bis zum Ausgehverbot zugemutet, und wir tun alles, damit wir diese unsägliche Pandemie in den Griff bekommen. Mich macht es sprachlos, dass eine Weigerung zum Testen, das jederzeit überall und kostenlos möglich ist, trotzdem eine Teilnahme an Abschlussprüfungen ermöglicht. Testverweigerer sind ein potenzielles Risiko für andere und scheinen eine Abschlussprüfung in Sozialverhalten zu brauchen.
Bei allen Diskussionsbeiträgen zum Thema wundern wir uns in der Familie darüber, dass nur über den Titel des geplanten Konzerts diskutiert wird, nicht jedoch über die Deutschland-Fahne auf dem Plakat. Hätte Heino statt ihrer ein Foto vom Wald oder ein Bild von Brahms oder Schumann als Hintergrund gewählt, hätte wohl niemand Fragen gestellt. Es ist die Wechselwirkung zwischen Fahne und Titel, die zu Nachdenklichkeit verleitet und Verständnis für die Sorgen von Michael Becker aufkommen lässt. Mit einem Bild der Komponisten würde außerdem viel schneller deutlich, dass er keine schwarzbraunen Haselnüsse besingen, sondern ein ganz anderes Publikum ansprechen will.
Klasse, dass Jan Josef Liefers trotz aller Medien-Kritik auf den offenen Brief der RP antwortet. Er und 52 andere Schauspieler machen ja gerade die unangenehme Erfahrung, dass Meinungsfreiheit 2021 nur noch für die „richtige Meinung“gilt. So kann man sich zwar als Andersdenkender gerade noch äußern, nicht aber ohne krasse Konsequenzen für Beruf, Privatleben und gesellschaftliche Existenz. Dabei ist es relativ egal, ob es um die Corona-Krise, die Asylfrage, das Klima oder irgendein anderes Thema mit politischer und gesellschaftlicher Bedeutung geht.
Die nunmehr bundeseinheitlich getroffenen Einschränkungen beziehungsweise Verschärfungen im Hinblick auf die Corona-Bekämpfung – insbesondere die Ausgangssperre
von 22 Uhr bis 5 Uhr bei einem Inzidenzwert von 100 und mehr – sind aus meiner Sicht ein unangemessener Eingriff in die Grundrechte Freizügigkeit und Unverletzlichkeit der Wohnung. Diese Einschränkungen allein an einem bestimmten Inzidenzwert festzumachen, ist keine überlegte Abwägung. Es ist klar, dass bei vermehrten Tests auch die Zahl der positiv Getesteten zunimmt. Viel logischer wäre es, die Entscheidung über Verschärfungen davon abhängig zu machen, wie viel Krankheitsfälle im Vergleich zu den positiv Getesteten auftreten, in welchem Umfang Intensivbetten in Anspruch genommen werden müssen und Todesfälle zu verzeichnen sind – letztere sind Gott sei Dank rückläufig.
Zu „Datenschutz ist Menschenrecht“(RP vom 28. April): Ich stimme Herrn Kowalewsky in seinem Beitrag in vielen Punkten zu. Auch die erfreuliche Entwicklung bei Apple mit dem iOS 14.5 halte ich für eine gute Sache. Allerdings muss immer wieder daran erinnert werden, das das Geschäftsmodell des Facebook-Konzerns gerade auf diesem Informationsgeschäft beruht. Sollte die Auswertung und Vermarktung der User-Daten entfallen, gibt es keine Erwerbsmöglichkeit für Facebook und Co. mehr. Hier zeigt sich mal wieder die schizophrene Denkweise der meisten User: Auf der einen Seite möchte man am Social-Media-Geschehen teilnehmen, auf der anderen Seite Facebook und Co. für sein Geschäftsmodell verurteilen. Wäre es nicht besser, man informiert sich vorher ausführlich über die Software und die Apps und die Konsequenzen, bevor man sie benutzt?