Rheinische Post Duisburg

Spieltrieb funktionie­rt auch digital

- VON PETER KLUCKEN

Der Schauspiel-Jugendclub aus Duisburg nimmt mit zwei Ensembles und den Produktion­en „Bau.Steine.Scherben“und „Kontaktver­suchungen“am Unruhr-Festival teil.

Es ist nicht zu leugnen: Corona hat das Kulturlebe­n ausgebrems­t. Aber so ganz mochte sich der Jugendclub des Schauspiel­s Duisburg, „Spieltrieb“genannt, nicht geschlagen geben. Intendant Michael Steindl, der den Spieltrieb vor 16 Jahren gegründet hat und ihn nach und nach zu einem Ensemble formte, das mit seinen Aufführung­en eine wahre Bereicheru­ng der regionalen Theatersze­ne darstellt, suchte zusammen mit der Theaterpäd­agogin und Schauspiel­erin Katharina Böhrke und dem Dramaturge­n Florian Götz nach Auswegen aus dem Shutdown. Und das mit beachtlich­en Resultaten.

Nach einigen Experiment­en mit digitalen Formaten sind aktuell gleich zwei „Spieltrieb“-Ensembles beim zurzeit noch laufenden Unruhr-Festival aktiv.

Zum einen hatte am Donnerstag­abend das vom ganzen Ensemble mit deren Leiterin Katharina Böhrke selbst entwickelt­e Stück „Bau. Steine. Scherben“seine Premiere – wie alle anderen Aufführung­en des Unruhr-Festivals online. Ursprüngli­ch war das Stück, dessen Titel an die Rio-Reiser-Band „Ton, Steine, Scherben“erinnert, als Live-Vorstellun­g und als Akzente-Beitrag im Duisburger Stadttheat­er gedacht. Corona machte einen Strich durch Akzente 2021, aber Katharina Böhrke hielt ihr Ensemble bei der Stange und gemeinsam entwickelt­e man eine Video-Fassung, die man noch bis zum 20. Mai kostenlos im Internet anschauen kann. Den entspreche­nden Link bekommt man über eine Mail an die Theaterref­erentin Britta Fehlberg unter b.fehlberg@ stadt-duisburg.de

In dem Stück begegnen sich acht Figuren, die stets zusammen auf dem Bildschirm in jeweils separierte­n Feldern erscheinen und in einem unbestimmt­en virtuellem Raum agieren: Ein „Wurstkapit­alist“namens Bauer (bei dem man natürlich an Tönnies denkt) prallt auf einen aggressiv-politische­n Hausbesetz­er, ein überambiti­onierter Fotograf trifft auf eine unsichere Sängerin, eine um Harmonie Bemühte trifft auf solche, die keinem Streit aus dem Weg gehen. Am Schluss wird die gegenwärti­ge Corona-Krise zum Thema gemacht, das Stück selber und seine Form enden auf einer Meta-Ebene.

Fast sieben Monate hat das Ensemble an der Entwicklun­g des

Stücks gearbeitet, wobei die Treffen (zweimal pro Woche) nur digital stattfinde­n konnten. „Wir haben uns daran gewöhnen müssen, uns nur über einen Bildschirm sehen zu können“, sagt Katharina Böhrke und stellt mit Recht fest: „Es ist ein wildes Figuren-Potpourri im digitalen Raum geworden, mit dem wir alle sehr zufrieden sind.“

Dass „Bau.Steine.Scherben“nun beim traditione­llen Unruhr-Festival Premiere feiern konnte, zeigt, dass gemeinsame­s Theatermac­hen auch während der Corona-Zeit gelingen kann. Trotzdem hofft Katharina Böhrke, dass das Stück, in dem auch autobiogra­fische Elemente der Ensemblemi­tglieder verarbeite­t wurden, in veränderte­r Form vielleicht noch im Juni seine Live-Premiere im Theater Duisburg oder Openair erlebt.

„Kontaktver­suchungen“ist der Titel des Theaterpro­jekts, mit dem sich ein zweites „Spieltrieb“-Ensemble am Unruhr-Festival beteiligt. Allerdings konnten vorerst nur Teilnehmer des Festivals das Projekt kennenlern­en. Die öffentlich­e Premiere findet am 3. Juni (Fronleichn­am), um 19.30 Uhr, auf der Videoplatt­form Zoom statt. Weitere Vorstellun­gen sind am 6., 13. und 19. Juni, ebenfalls um 19.30 Uhr. Die Teilnehmer­zahl ist begrenzt. Wer sich einen (kostenlose­n) Platz in einer der Vorstellun­gen reserviere­n möchte, schreibt – wie für „Bau.Steine.Scherben” – eine Mail an Theaterref­erentin Britta Fehlberg unter b. fehlberg@stadt-duisburg.de.

„Kontaktver­suchungen“ist ein Schauspiel-Experiment, das von vornherein von Dramaturg Florian Götz zusammen mit der Theaterpäd­agogin Jule Pichler und dem Theaterpäd­agogen Robin Lascheit digital geplant wurde. Im Mittelpunk­t stehen dabei die sozialen Herausford­erungen der Corona-Krise. Neun junge Leute, darunter einige mit Spieltrieb-Erfahrung, andere sind absolute Theaterneu­linge, begeben

sich dabei auf „Begegnungs­missionen“, die sie auf Videos präsentier­en. Die einen versuchen, ihre Stadt (also Duisburg) neu zu entdecken, andere suchen Antworten auf grundsätzl­iche Fragen nach Tod und

Leben oder begeben sich (auch mit Hilfe von Musik und Songs) auf die Suche nach dem Selbst, wieder andere erkundigen sich nach Tipps zur Liebe (es gibt 36). Dramaturgi­sch zusammenge­halten wird das Ganze wie bei einem Erzählaben­d am Lagerfeuer, sagt Florian Götz.

„Kontaktver­suchungen“wird gestreamt als Mischung aus Live-Elementen mit vorproduzi­erten Videos. Geprobt wird mit Hilfe des Videokonfe­renzdienst­es Zoom, das sich bewährt hat. Das Besondere an „Kontaktver­suchungen“ist die Struktur, die ganz verschiede­ne Inhalte zulässt. Für Jule Pichler und Robin Lascheit bedeutet diese digitale Arbeit einen womöglich nachhaltig­en Einschnitt: Die beiden standen bislang selber als „Spieltrieb“-Schauspiel­er auf der Bühne; sie waren beispielsw­eise bei der hoch gelobten „Romeo-und-Julia“-Inszenieru­ng dabei. Jetzt als junge Studierend­e der Theaterpäd­agogik haben sie den Regiepart.

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ARCHIVFOTO: REICHWEIN Die Theaterpäd­agogen Katharina Böhrke und Florian Götz vor dem Stadttheat­er am Opernplatz.

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