Rheinische Post Duisburg

„Wie merkt man im Liegenscha­ftsamt, dass das Sabbatjahr anfängt?“

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Heiko Seidel kriegt als hibbeliger Ralf die Kamera nicht flott. Überhaupt hat er Probleme mit dem Anschluss, das Netz in Geilenkirc­hen ist leider zu schlecht. Nebenbei muss der Beamte im Homeoffice noch seine quengelnde­n Sprössling­e in Schach halten: „Nicht den Papa nervös machen.“

Die Klippen der Technik befeuern den ersten Song: „Kann das nicht einfach sofort funktionie­ren

Hallo!“klagt das Ensemble. Martin Maier-Bode ist der vermeintli­ch überlegene Christoph, Erbe der elterliche­n Krawattenf­irma. Die habe er ja verscherbe­lt, wirft man ihm vor. „Nein, gerettet“, widerspric­ht er. Er hat es eilig. Ungeduldig blättert er vor der Skyline Chicagos in der Rheinische­n Post und schimpft mit Ralf: „Kannst du nicht den Krach abstellen?“Der zischt zurück: „Das ist kein Krach, das sind meine Kinder.“Er sei übrigens gerade im Sabbatjahr. „Wie merkt man im Liegenscha­ftsamt, dass das Sabbatjahr anfängt?“spöttelt Christoph.

Regisseur Hans Holzbecher inszeniert das Geplänkel flott und vergnüglic­h, als Assistenti­n unterstütz­t ihn Lorentz-Tochter Luzie. Dann kommt Marie auf den Punkt. Die Goldene Hochzeit der Eltern steht an, man brauche natürlich ein Geschenk. Sie habe bereits vorgesorgt, ein Tablet gekauft und es mit Daten gefüttert. Eine Stunde Musik, Spielfilme aus 50 Jahren und obendrein ein Netflix-Abo.

Klingt durchdacht, wird aber von den Brüdern abgelehnt. Sie machen eigene Vorschläge, ein jeder birgt Zündstoff und erweist sich als Steilvorla­ge für politische, gesellscha­ftliche und weltanscha­uliche Auseinande­rsetzungen. Mit halbherzig­en oder diktatoris­chen Argumenten schälen sich die Charaktere der Geschwiste­r heraus. Und weil die Pandemie allerlei Wildwuchs mit sich bringt, plustert sich einer als Verschwöru­ngsanhänge­r, Impfgegner und Corona-Leugner auf. „Eine bessere Grippe“, behauptet Thommy. Marie schäumt vor Wut bei Stolperste­inen

wie Rassismus, Kolonialis­mus und Gendergere­chtigkeit. Singend verschafft sie sich Luft: „Alter weißer Mann, warum die Trübsal? Dir gehörte schließlic­h mal die ganze Welt!“

An Pointen, Witz und gut abgelausch­ten Befindlich­keiten mangelt es nicht in „Crash“. Fassaden werden zerstört, Lügen entlarvt, Haltungen aufgeweich­t. Das 65-Minuten-Stück mag vielleicht nicht ganz so bissig sein wie mancher Vorgänger. Doch wie immer im Kommödchen werden sich die Konturen mit der Zeit verschärfe­n. Bei dem eingeschrä­nkten Spielraum fürs Ensemble tut es dem Kopfkino gut, wenn mal jemand aus seinem Kasten springt oder Bierflasch­en herumreich­t. Das Ende klingt versöhnlic­h, Überraschu­ngseffekt inklusive. Den Applaus können wir leider nur virtuell spenden. Er ist auch diesem spritzigen Programm gewiss.

Martin Meier-Bode

 ?? FOTO: HORST KLEIN/KOMMÖDCHEN ?? Das Düsseldorf­er Kommödchen-Ensemble in der Besetzung des Stücks „Crash – ein Drama in vier Fenstern“: Martin Maier-Bode, Maike Kühl, Daniel Graf und Heiko Seidel (von links nach rechts).
FOTO: HORST KLEIN/KOMMÖDCHEN Das Düsseldorf­er Kommödchen-Ensemble in der Besetzung des Stücks „Crash – ein Drama in vier Fenstern“: Martin Maier-Bode, Maike Kühl, Daniel Graf und Heiko Seidel (von links nach rechts).

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