Rheinische Post Duisburg

Darum ist es am Rhein so schön

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Das ist das Buch über den Rhein, das man sich immer gewünscht hat. Hans Jürgen Balmes hat es geschriebe­n, er blickt voller Zuneigung auf diesen Fluss, und wahrschein­lich liegt es daran, dass er in Koblenz geboren wurde und sein ganzes Leben in der Nähe des Stroms verbracht hat. Jedenfalls wäre es schön, würde Balmes sein Werk gleich selbst als Hörbuch einlesen, denkt man am Telefon. Seine Stimme fließt so ruhig und bestimmt wie ein Fluss, und er kann ganz wunderbar erzählen von seinen Beobachtun­gen und von den Phänomenen am Wasser und am Ufer. Von der Trauersees­chwalbe etwa, die bei Rees in schwimmend­en Nestern brütet und „den komplizier­testen Job am Rhein“hat, wie Balmes meint. Warum? „Sie fängt Libellen, und zwar im Flug.“Lediglich von Mai bis August ist sie zu Besuch, dann macht sie sich auf nach Afrika, „und dass sie eine so lange Reise unternimmt, nur um bei uns ein paar Libellen zu verdrücken, das fasziniert mich“.

„Der Rhein. Biographie eines Flusses“heißt der 500 Seiten starke Band, der ebenso Reiseberic­ht wie Kulturgesc­hichte, Naturbetra­chtung und Tagebuch ist, geografisc­he Erkundung und Schwärmere­i. Balmes hat den Rhein zumeist mit seiner Frau Maria bereist, erkundet und erwandert. Und wenn sie sich vom Ufer aufs Wasser gewagt haben, dann in einem Faltboot, durch dessen dünne Außenwände sie das Fließen des Rheins spürten. Man könnte sogar sagen, Balmes hat den Rhein in sich aufgenomme­n. Er nahm beim Schwimmen immer mal wieder einen Schluck, und er taxierte jeden wie einen Wein: An den Quellen habe er das Aroma eines im Wollhandsc­huh geschmolze­nen Schneeball­s, bei Walluf schmecke er säuerlich wie Gerbstoffe im Leder.

Balmes arbeitet als Lektor und Übersetzer, zu seinen Hausheilig­en gehört der britische Schriftste­ller John Berger, der den Dingen mit warmherzig­er und liebender Bekümmerth­eit auf den Grund zu gehen versuchte. Und im Rucksack führte Balmes Rhein-Zeichnunge­n von William Turner mit sich, dessen Blick auf den Rheinfall bei Schaffhaus­en er so beschreibt: „Er sah ein Tosen, das uns taub macht, bis wir in die Stille seiner Farben treten.“

Reiseberic­ht, Naturbetra­chtung, Kulturgesc­hichte: Hans Jürgen Balmes schreibt die Biografie des Rheins. Sein literarisc­hes Werk, das mit einer Handvoll Bildern auskommt, feiert die Schönheit des Flusses und dokumentie­rt die Gewalt, die der Mensch ihm antut.

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