Rheinische Post Duisburg

Ein Kerneuropa der Demokraten

- VON ULRICH KRÖKEL

Seit sechs Jahren arbeitet die nationalis­tische Pis-Regierung in Polen an der Zerstörung des Rechtsstaa­tes. Sie hat die Justiz an die Kette gelegt, drangsalie­rt kritische Medien und diskrimini­ert Minderheit­en. Vorbild ist Viktor Orbán in Ungarn. Der bekennende Illiberale setzt ein ähnliches Programm seit elf Jahren ins Werk. Ungarn und Polen könnten heute nie und nimmer der EU beitreten, weil sie das Kriterium „Demokratie und Rechtsstaa­tlichkeit“nicht erfüllen. Doch beide Länder sind Mitglieder und können nicht rausgeworf­en werden. Was also tut die EU-Kommission? Sie schreibt Berichte.

Seit 2020 gibt es ein neues Format, den Rechtsstaa­tsbericht, der sich für Polen und Ungarn nicht schön liest. Dennoch werden sich Orbán und Pis-Chef Jaroslaw Kaczynski bei der Lektüre ein Lächeln kaum verkneifen können. Wenn sie überhaupt hineinscha­uen. Denn aus all den Papieren folgt bislang: nichts. Kommission­schefin Ursula von der Leyen hat immerhin angekündig­t, im Herbst den ebenfalls 2020 eingeführt­en Rechtsstaa­tsmechanis­mus anzuwenden. Weniger Geld für die Demokratie­verächter im Osten, könnte das heißen. Könnte. Im Herbst. Vielleicht.

Ein einziges Mal hat die Kommission in diesem Trauerspie­l bislang kraftvoll gehandelt. Nur zwei Monate nach dem Amtsantrit­t der Pis-Regierung griff sie 2016 zur „nuklearen Option“, dem Artikel-7-Verfahren. Damit kann eine Mitgliedsc­haft ausgesetzt werden. Wenn es kein Veto gibt. Das aber kündigte Orbán an, und so gab die Kommission klein bei. Warum eigentlich? Man hätte von allen Staaten ein Votum für oder gegen die EU-Grundwerte einfordern können. Und dann hätte ein demokratis­ches Kerneuropa die Anti-Demokraten zurücklass­en können. Das ist eine alte Idee, die nicht gut zum Geist der EU passt. Aber sie ist immer noch besser, als sich dem Illiberali­smus zu beugen. BERICHT SCHLECHTES ZEUGNIS FÜR POLEN UND UNGARN, POLITIK

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