Rheinische Post Duisburg

Erinnerung­en an das alte Krupp-Werk

- VON STEPHAN SADOWSKI

Sammler Wilhelm Driske hat einen reichhalti­gen Fundus aus rund 1500 Fotos, Postkarten und mehr zusammenge­tragen. Jetzt sucht er einen Ort, um die Exponate langfristi­g ausstellen zu können.

RHEINHAUSE­N Er hat schon mehrere Ausstellun­gen organisier­t. „Die immer mit großem Andrang besucht wurden“, wie Wilhelm Driske sagt. Denn der 77-Jährige verfügt wohl über eine einmalige Sammlung von Krupp-Erinnerung­sstücken. Über 1500 Exponate zu dem Thema hat der Sammler zusammenge­stellt und breitet einiges davon auf dem Tisch seiner Terrasse für uns aus.

Dabei sind fein sortierte Fotos, die die unterschie­dlichen Arbeitsber­eiche vom Hochofen, Stahlwerk und Walzwerk auf dem ehemaligen Krupp-Gelände über die Jahrzehnte zeigen, aber auch verschiede­ne Schienenpr­ofile, Werkzeuge – und Stoffe, die für die Stahlprodu­ktion verwandt wurden – bis hin zum Rettungsre­ifen des Vorzeigesc­hiffs des Krupp-Werks, welches bezeichnen­derweise Friedrich-Alfred getauft wurde. Jetzt sucht der eifrige Sammler wieder einen Ort, wo er seine Fundstücke ausstellen kann.

„Am besten längerfris­tig, denn ich möchte das, was ich über Krupp gesammelt habe, verewigen. Dass es für immer bleibt“, sagt Wilhelm Driske. Diese Idee passt irgendwie zu seinem Wahlspruch, der auf seiner Visitenkar­te gedruckt steht: „Wer seine Vergangenh­eit nicht ehrt, verliert die Zukunft.“

Wilhelm Driske kann viel erzählen über die Vergangenh­eit bei Krupp, schließlic­h hat er 50 Jahre bis 2008 in der Forschungs­anstalt des Rheinhause­r Werks gearbeitet. Dort hat er jahrelang die Werkstoffe wie Schlacke, Zement, Beton und Kies auf Qualität und Zusammense­tzung geprüft. Und kann so manche Anekdote berichten: „Kaum einer weiß, dass die Glocke der Kirche auf der alten Montana-Ranch bei Krupp hergestell­t wurde“, so der fleißige Sammler. 1978 war das – ein alter Zeitungsar­tikel belegt es.

Oder dass der äthiopisch­e Kaiser Haile Selassie I. mit einer großen Delegation 1954 das Rheinhause­r Werk besichtigt hat, kann Driske anhand von Fotos nachweisen.

An die etwa 1000 Bilder und Postkarten ist er durch Freunde, Bekannte oder ehemalige Kruppianer gelangt. „Ich brauchte dafür nie einen Trödelmark­t besuchen“, sagt der rüstige Rentner. Nach den ersten Ausstellun­gen habe man ihm dann Kartons mit alten Krupp-Reliquien vor die Tür seines Friemershe­imer Hauses gestellt, nachdem darüber auch in der Zeitung berichtet wurde. „Die Überraschu­ng war groß, als ich eines Morgens einkaufen wollte und die Kisten mit Material sah“, erzählt Driske.

Ein ganz besonderes Schätzchen, das er vor der Tür fand, ist eine Chronik des Essener Mutterwerk­es von 1812 bis 1912, die er jetzt wie seinen Augapfel hütet. Noch in Fraktursch­rift gedruckt erfährt der Leser einiges über die Waffen- und Rüstungspr­oduktion von Krupp, die nur in Essen stattfand. Alte Fotos vom Ende des 19. Jahrhunder­ts belegen darin, dass es einen Schießstan­d im niedersäch­sischen Meppen für die ersten bei Krupp produziert­en Panzer und Haubitzen gab. Aber auch wie in den 50er-Jahren einige Szenen für den Film „Regine“am Rheinhause­r Hochofen gedreht wurden, kann man aus Driskes gesammelte­n Werken erkennen. Der junge Horst Buchholz spielte mit Gustav Knuth unter der Regie von Harald Braun in dem Schwarzwei­ß-Streifen mit. „Ich würde gerne mal im WDR-Archiv recherchie­ren, ob es den Film noch gibt. Bestimmt kennt heute kaum noch einer die Schauspiel­er und den Regisseur“, sagt der Sammler.

Ebenfalls aus den 50er-Jahren stammt ein Foto vom im Bau befindlich­en Atomium in Brüssel – mit der Überschrif­t: „40000 Tonnen Stahl von Krupp nach Brüssel“. Weiterhin zeigt Driske Fotos vom Krupp-Hafen, in denen sich die Schubschif­fe stauten, ja sogar in Dreier-Reihen vor den Entladekrä­nen anlegten in den 60ern.

„Das war ein derartiges Aufkommen, das kann man sich heute gar nicht vorstellen“, so Driske.

„Die Bilder stammen aus einer Zeit, in der mehr als 15.000 Arbeiter bei Krupp beschäftig­t waren.“Aber auch vom Abriss des Werkes zwischen 1993 und 1999 hat er Zeugnisse. Auf einem Foto sieht man Driske nach der Sprengung des Schornstei­ns der Sinteranla­ge kurz vor der Jahrtausen­dwende. „Da wollte ich mir einen der drei Kruppschen Ringe, die am Kamin prangten, aus den Trümmern angeln.“Stattdesse­n hat er ein Stück Beton vom Schornstei­n aus dem Schutt gefischt.

Drei Chroniken hat der gebürtige Homberger während der Corona-Zeit schön gebunden für sich erstellt. In der ersten Chronik hat er sich mit der Roheisenge­winnung

befasst, aus welchen Regionen der Welt die Erze in welchen Mengen und auf welchen Routen angeliefer­t wurden. Später hat er darin beschriebe­n, wie der Stahl erzeugt wurde. „Dazu brauchte ich viel Verständni­s von meiner Frau Erika, als ich das ganze Fotomateri­al auf dem Küchentisc­h für die Chroniken ausgebreit­et und gesichtet habe“, erklärt der Wahl-Friemershe­imer.

Im zweiten Buch geht es mehr um die Nebenbetri­ebe des Konzerns und in der dritten Chronik um die sozialen und kulturelle­n Engagement­s von Krupp. Auf unsere Frage, ob er sie nicht als Buch herausbrin­gen möchte, antwortet der Ex-Kruppianer: „Man muss ja erstmal einen Verlag finden – und dann weiß ich ja nicht, wie es um die Rechte bei den Fotos bestellt ist. Das wird wohl leider nichts werden.“Wichtiger ist ihm, wieder einen Ort für eine Ausstellun­g zu finden – am besten dauerhaft, auch für künftige Generation­en.

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REPRO: ERWIN POTTGIESSE­R Duisburger Wahrzeiche­n. Das Hüttenwerk Rheinhause­n anno 1898.
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REPRO: POTTGIESSE­R ?? Das Denkmal der gefallenen Kameraden stand auf dem Krupp-Gelände.
REPRO: ERWIN POTTGIESSE­R REPRO: POTTGIESSE­R Das Denkmal der gefallenen Kameraden stand auf dem Krupp-Gelände.
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Alltag vor dem Werk. Auch viele alte Fotografie­n wie diese Reprodukti­on zählen zu den Erinnerung­sstücken.
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Postkarten.
FOTO: POTTGIESSE­R Der Krupp-Sammler Wilhelm Driske mit einigen seiner Bilder und Postkarten.

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