Wo das Alt zu Hause ist
Düsseldorf blickt auf mehr als 150 Jahre Bierkultur zurück und ist stolz auf seine Hausbrauereien. Der Besuch jeder einzelnen lohnt sich, denn Alt ist nicht gleich Alt.
Der Kölner schwört auf sein Kölsch und der Düsseldorfer auf sein Alt. In den zwei größten Städten Nordrhein-Westfalens sind die Menschen stolz auf die Biere ihrer heimischen Braumeister. In Düsseldorf sind es die fünf Hausbrauereien Füchschen, Kürzer, Schlüssel, Schumacher und Uerige, die über die Stadtgrenzen hinaus bekannt sind. Allerdings weiß nicht jeder, dass Kölsch und Alt viel gemein haben. Wenn
Ebo Fischer über die Beziehung der beiden spricht, sagt er sogar einen Satz, der jedem Kölner Bierfreund wegen der rheinischen Dauerrivalität wehtun dürfte: „Ein
Kölsch ist eigentlich ein
Alt – nur ein helles.“
Fischer ist Bierexperte, kennt sich mit beiden Sorten aus. Er arbeitete früher für die Brauerei Sünner, die seit 1906 Kölsch braut. Heute organisiert er mit der Altbier-Safari täglich Entdeckungsreisen durch die Düsseldorfer Bierkultur. Er erklärt, in welch enger Verbindung Kölsch und Alt stehen: „Beides sind obergärige Biere. Das Alt heißt Alt, weil es nach alter Brauart hergestellt wird, aber früher hieß es noch Düsselbier. Das kam aber in Köln nicht so gut an, sodass man dort die teuren Röstmalze wegließ, weniger Hopfen nahm und so ein helles, eigenes Bier mit einem weniger bitteren Charakter als das Alt braute, das man dann Kölsch nannte. Sünner war damals die erste Brauerei.“
Düsseldorf kann inzwischen auf mehr als 150 Jahre Bierkultur zurückblicken, 1896 gab es mehr als 100 Brauereien in der Altstadt. Mit dem Füchschen, Kürzer, Schlüssel, Schumacher und dem Uerige sind fünf Hausbrauereien geblieben, die jeden Tag sowohl Einheimische als auch Touristen in die Stadt locken. Der Besuch jedes einzelnen Brauhauses lohnt sich, sei es auf eigene Faust oder mit der geführten Altbier-Safari,
denn Alt ist nicht gleich Alt. Auch der Laie schmeckt Unterschiede, denn die Biere haben verschiedene Bitterwerte.
Das Schlüssel Alt, das im Juni den Meininger’s Craft Beer Award gewann, ist mit 28 Bittereinheiten das mildeste. Es folgen laut Ebo Fischer das Kürzer (30), Füchschen (32) und das Schumacher (38). „Mit bis zu 50 Bittereinheiten ist das Uerige das bitterste Bier in Düsseldorf“, sagt der Kenner, der Altstadtbesuchern nur empfehlen kann, in den Brauhäusern nicht nur in Maßen zu trinken, sondern auch zu essen. Die Traditionshäuser Füchschen, Schlüssel, Schumacher und Uerige bieten eine deftige Küche, das Kürzer spricht dagegen eher ein jüngeres Publikum an, das oft bis spät nachts zusammenkommt und auch einen Chicken-Wrap mit Honig-Senf-Soße auf der Speisekarte findet.
Dass Düsseldorf die längste Theke der Welt hat, ist hinlänglich bekannt. Aber welche Rolle spielen dabei die Brauhäuser? Das erklärt Oberbürgermeister Stephan Keller: „Die Brauhäuser sind nicht nur ein Ort, wo man die lokale Bierkultur erleben, sondern auch rheinisches Essen und die besondere, rheinisch-globale Lebensart genießen kann. Wenn jemand die typische Düsseldorfer Willkommenskultur verstehen will, braucht er sich einfach nur draußen an die Stehtische der Brauhäuser zu begeben. Das macht eigentlich die längste Theke der Welt aus – und das müssen wir uns bewahren.“
Die Brauhäuser sind also ein Ort, an dem Jung auf Alt trifft und jede Gesellschaftsschicht zusammenkommt. Auch für Ebo Fischer gibt es keinen offeneren Ort als ein Brauhaus, an den Stehtischen ist das Dazustellen für jedermann erlaubt. Der Gast muss sich aber im Klaren sein, dass er in der Hierarchie des Hauses an letzter Stelle steht. An erster steht der Baas, der Chef, dann der Bierzapfer, genannt Zappes, der Köbes als Kellner und zu guter Letzt der Gast, der nicht bestellt, sondern dem immer wieder ein neues Alt vorgesetzt wird – bis er einen Bierdeckel auf sein Glas legt oder signalisiert, zahlen zu wollen.
Früher trat ein Köbes oft sehr ruppig auf, war bei der Bedienung fast schon frech und drückte den Gästen auch einmal einen Spruch rein. „Stück Seife dazu?“, war etwa die Frage, wenn jemand statt eines Bieres ein Wasser bestellte. „Geduzt wird immer noch, und es werden auch noch Späße gemacht, aber wir sind nicht mehr so rau wie früher. Die Gäste waren manchmal beleidigt, die ruppige Art kam auch wegen des internationalen Tourismus nicht mehr überall gut an und war nicht mehr gewünscht“, berichtet Schlüssel-Köbes Matthias Schramm von heute anderen Zeiten.
Der freundlichere Umgang ist aber nicht der einzige neue Trend: Die Hausbrauereien werden auch
erfinderisch. Im Füchschen gibt es etwa ein eigenes Pils, das Schumacher hat mit dem Ungerweibchen eine Mischung aus Sekt, Zitronenlimonade und Bier auf der Karte, es gibt die Schlüssel-Altbierbowle, und das Uerige arbeitet seit Jahren mit den Toten Hosen zusammen, mit denen das Hosen Hell kreiert wurde. Warum sie als Düsseldorfer Band ausgerechnet ein Helles herausgebracht hätten, wurde Sänger Campino einmal gefragt. Seine Antwort: „Es gibt in Düsseldorf schon so viele gute Altbiere.“
Ein typischer Altstadtabend verläuft für viele so, dass sie von einer Kneipe in die nächste ziehen, zwischendurch etwas essen und mit vielen Menschen ins Gespräch kommen. Oberbürgermeister Keller bezeichnet Düsseldorf als eine Bierstadt. Dass es noch so viele Hausbrauereien auf wenigen Quadratmetern gibt wie in der Altstadt, sei deutschlandweit eine Besonderheit. Und warum ein Alt dann doch auch besser als ein Kölsch schmeckt, kann er auch erklären: „Weil es in der schönsten Stadt am Rhein getrunken wird.“