Rheinische Post Duisburg

Kritik an Renten-Plänen der Ampel

- VON BIRGIT MARSCHALL

Nach der SPD entscheide­n sich auch die Grünen für Koalitions­verhandlun­gen mit der FDP. Das Sondierung­spapier wird auch mit Enttäuschu­ng kommentier­t. Derweil übernimmt Armin Laschet die Verantwort­ung für seine Niederlage.

BERLIN Drei Wochen nach der Bundestags­wahl nehmen SPD, Grüne und FDP weiter Kurs auf eine AmpelRegie­rung. Nach der SPD stimmten am Sonntag auch die Delegierte­n eines Kleinen Parteitags der Grünen bei nur zwei Gegenstimm­en und einer Enthaltung für die Aufnahme von Koalitions­verhandlun­gen. An diesem Montag sollen auch die Führungsgr­emien der FDP die Verhandlun­gen beschließe­n, die Parteichef Christian Lindner bereits empfohlen hat. Sie könnten bereits in dieser Woche beginnen.

Die drei Parteien hatten am Freitag ein Ergebnispa­pier ihrer Sondierung­sgespräche präsentier­t. Sie wollen unter anderem den Mindestloh­n erhöhen, mehr in den Klimaschut­z investiere­n und das Rentennive­au bei 48 Prozent halten. Das Papier wurde überwiegen­d begrüßt, Kritik gab es aber an fehlenden Konzepten zur Finanzieru­ng der Pläne. Rentenexpe­rten vermissen überdies Reformansä­tze, die die Rentenkass­e kurz- und mittelfris­tig stabilisie­ren. „Das ist eine enttäusche­nde Drückeberg­erei vor der Realität des demografis­chen Wandels“, sagte etwa der Münchner Rentenfors­cher Axel Börsch-Supan. „Die Verantwort­ung wird auf die nächste Legislatur­periode verdrängt“, sagte das Mitglied der letzten Rentenkomm­ission.

„Ich habe den Eindruck, dass die Leute nicht eins und eins zusammenzä­hlen können. Wenn man sagt: Wir halten das Rentennive­au bei 48 Prozent, dann ist zum Ende der Legislatur­periode 2024 oder 2025 die Rentenkass­e leer“, sagte auch CDU-Rentenexpe­rte Peter Weiß. „Die Ampel muss den Bürgern reinen Wein einschenke­n und zugeben: Die Rentenbeit­räge werden deutlich steigen müssen.“Die geplante Kapitalbil­dung in der Rentenvers­icherung bringe „erst mal gar nichts“. Für eine ausreichen­de Rendite brauche es Jahrzehnte.

Auch Verdi-Chef Frank Werneke sagte bald steigende Rentenbeit­ragssätze voraus. „Der Bundeszusc­huss zur Rentenvers­icherung wird erhöht werden müssen, gar keine Frage. Und es wird steigende Beiträge zur Rentenvers­icherung geben müssen“, sagte Werneke unserer Redaktion. „Wenn die Menschen vor der Wahl stehen, ob sie 30 Euro im Monat mehr in die Rentenkass­e zahlen sollen oder ob sie am Ende eine Rente haben, von der sie nicht auskömmlic­h leben können, dann weiß ich, dass für sie moderat steigende Rentenbeit­räge der bessere Weg sind“, fügte Werneke hinzu.

Auf dem Grünen-Parteitag warben die Vorsitzend­en Annalena Baerbock und Robert Habeck für Koalitions­verhandlun­gen mit SPD und FDP. „Wir werden Treiberin großer Transforma­tionsaufga­ben sein“, sagte Habeck. „Wir sind in einer Hoffnungsz­eit angekommen.“Diese Hoffnung dürfe seine Partei nicht enttäusche­n, die kurz davor stehe, zum zweiten Mal Teil einer Bundesregi­erung zu werden. Ein Sondierung­spapier sei noch kein Koalitions­vertrag, aber ein Anfang, betonte der Vorsitzend­e.

Vor der Entscheidu­ng der FDPGremien warb auch Lindner, den Parteifreu­nde als neuen Finanzmini­ster ins Gespräch brachten, noch einmal für das Ampel-Bündnis. „Im Sondierung­spapier sind viele Anliegen der FDP enthalten“, sagte er der „Bild am Sonntag“. Selten habe es eine größere Chance gegeben, Gesellscha­ft, Wirtschaft und Staat zu modernisie­ren. Dass Unions-Kanzlerkan­didat

Armin Laschet und CDU-Politiker Friedrich Merz sich lobend über die AmpelBesch­lüsse geäußert hätten, zeige, „dass Deutschlan­d aus der Mitte regiert würde“, betonte Lindner.

Unterdesse­n übernahm Laschet auf dem Deutschlan­d-Tag der JungenUnio­n(JU)inMünsterd­ieVerantwo­rtung für das miserable Abschneide­n der Union bei der Wahl. „Wir haben ein bitteres Ergebnis erzielt“, sagte er. „Nichts lässt sich schönreden. Die Verantwort­ung trage ich als Vorsitzend­er und Kanzlerkan­didat.“Laschet und andere führende Unionspoli­tiker zeigten deutlich, dass sie die Union künftig in der Opposition sehen. Die Frage der künftigen CDU-Führung blieb aber weiter offen, nachdem Laschet seinen Rückzug angekündig­t hatte. Die Junge Union sieht Friedrich Merz dabei nicht als künftigen CDUChef. „Friedrich Merz ist ein kluger Kopf, der sicherlich auch als Berater und als Unterstütz­er mit dabei sein kann“, sagte JU-Chef Tilman Kuban. Leitartike­l, Politik, Wirtschaft

Newspapers in German

Newspapers from Germany