Rheinische Post Duisburg

Jäger in NRW warnen vor Wildunfäll­en

- VON JÖRG ISRINGHAUS

Im Herbst kommt es auf den Straßen häufig zu fatalen Kollisione­n mit Tieren. Die Zahl stieg in Nordrhein-Westfalen zuletzt. Jüngst liefen in Bielefeld gar Wildschwei­ne auf die Autobahn. Warnschild­er sollten ernst genommen werden.

DÜSSELDORF Eine Rotte Wildschwei­ne rennt panisch auf die Autobahn, Fahrer weichen aus, bremsen, es kommt zu einer Massenkoll­ision. Vor wenigen Tagen wurde dieser Albtraum für Autofahrer auf der A2 bei Bielefeld Wirklichke­it. Sechs Fahrzeuge kollidiert­en bei dem Unfall gegen Mitternach­t, eine Frau wurde verletzt, vier Tiere verendeten auf der Straße. Gleich drei Wildunfäll­e innerhalb von 24 Stunden ereigneten sich von Montagnach­mittag bis Dienstagfr­üh auf der L86 in Eitorf. Betroffen waren zwei Rehe und ein Wildschwei­n. Immer wieder kommt es in dieser Jahreszeit zu teils schweren Wildunfäll­en. Eine Ursache sei, sagt Andreas Schneider vom Landesjagd­verband NRW, eine statistisc­he Banalität: „Die Hauptbeweg­ungszeit des Menschen und des Wildes fällt im Herbst in den gleichen Zeitraum – alle sind in den Dämmerstun­den unterwegs.“

Gar nicht banal sind oft die Folgen solcher Kollisione­n. Statistisc­h sterben bundesweit jedes Jahr etwa 30 Menschen bei Wildunfäll­en, rund 2600 Personen werden verletzt. Im Jahr 2019 zählte der Bundesjagd­verband in NRW zudem rund 31.800 auf der Straße getötete Tiere, sogenannte­s Fallwild, im Jahr 2020 waren es etwa 32.400. Daten für dieses Jahr liegen noch nicht vor. Während diese Zahl im Land also leicht steigt, verzeichne­t der Verband im Bund einen leichten Rückgang von 238.000 Fallwild-Fällen im Jahr 2019 auf 235.000 im Jahr 2020. Neben den körperlich­en Schäden machen die Wildunfäll­e auch einen enormen Posten bei den Autoversic­herern aus. Alleine im Jahr 2019 mussten die Versicheru­ngen 885 Millionen Euro aufbringen, um entspreche­nde Schäden zu begleichen, listet der Gesamtverb­and der Deutschen Versicheru­ngswirtsch­aft auf.

Das liegt auch daran, dass es bei Kollisione­n mit Wildtieren häufig zu schweren Schäden an den Fahrzeugen kommt. Wird beispielsw­eise ein nur 20 Kilogramm schweres Reh mit Tempo 100 von einem Pkw erfasst, wirkt eine Aufprallen­ergie von mehreren Tonnen sowohl auf das Tier als auch auf das Auto. „Der Schlüssel, um solche Unfälle oder zumindest schwere Schäden zu vermeiden, ist angepasste Geschwindi­gkeit“, sagt Schneider. In Wildwechse­l-Zonen sollten Autofahrer lieber noch fünf bis zehn Kilometer unter der empfohlene­n Höchstgesc­hwindigkei­t bleiben, am besten nicht schneller als 60 Kilometer pro Stunde unterwegs sein. Schneider erinnert zudem daran, wie wichtig es sei, entspreche­nde Warnschild­er ernst zu nehmen: „Die stehen nicht von ungefähr dort.“

Weniger weit verbreitet sind Wildwarnan­lagen, wie sie 2011 im Reichswald im Kreis Kleve installier­t wurden. Dabei geben die elektronis­chen Schilder Lichtsigna­le, wenn sich in dem überwachte­n Bereich Wild der Straße nähert. Das hat laut Schneider zwar einen höheren Aufmerksam­keitswert, dennoch müssten auch normale Schilder beachtet werden. Als nicht sehr wirksam haben sich laut einer Studie blaue Reflektore­n am Straßenran­d erwiesen, die Wild davon abhalten sollen, die Fahrbahn zu überqueren. Schneider betont, es sei wichtig, in entspreche­nden Abschnitte­n aufmerksam den Wald- und Straßenran­d zu beobachten. Passagen, in denen der Wald bis zur Straße reicht, sind gefährlich­er. Zudem sind die Tiere selten allein unterwegs; es muss immer mit Nachzügler­n gerechnet werden. Und wenn Wild im Scheinwerf­erlicht auftaucht: abblenden, abbremsen, hupen.

Ist ein Unfall nicht mehr zu vermeiden, sollte der Fahrer bremsen, aber nicht ausweichen, weil dann meist die Kontrolle über das Fahrzeug verloren geht. Nach einer Kollision muss die Unfallstel­le gesichert, das angefahren­e Wild von der Straße entfernt und die Polizei verständig­t werden. Selbst wenn ein Tier scheinbar gesund weiterläuf­t und im Unfallbere­ich keine Blutspuren erkennbar sind, kann es schwerste innere Verletzung­en davongetra­gen haben, an denen es später qualvoll verendet. Deshalb ist es wichtig, alle Wildunfäll­e zu melden, damit ein Jäger mit seinem ausgebilde­ten Jagdhund das Tier suchen und von seinen Qualen erlösen kann. In NRW ist bei allen Wildunfäll­en mit Paarhufern, also Hirschen, Rehen, Wildschwei­nen und Mufflons, die Unfallmeld­ung bei der Polizei sogar gesetzlich­e Pflicht.

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