Tausende Jugendliche sind betroffen
fällt er in ein Loch, hat Depressionen. Zuflucht findet er im Spiel, das „vermeintliche Geborgenheit“suggeriert. Zwischen den Spielern entsteht ein Zusammengehörigkeitsgefühl. So, wie es Niklas aus Vereinen kennt. „Doch der Weg zum Monitor sind nur zwei Schritte.“
Hinzu kommt: Als Spieler ist Niklas Buchwald in der Online-Welt omnipotent. Der Duisburger besiegt Feinde, gewinnt mehr und mehr Bewunderer – das verschafft ihm ein starkes Grandiositätsgefühl. „Ich wollte der Geilste sein.“Während er im Spiel ein Held ist, fühlt er sich im realen Leben „innerlich klein“, sieht sich als Verlierer. Durch das Eintauchen in die digitale Welt versucht er, der für ihn ernüchternden Realität zu entkommen.
Irgendwann gelingt es Niklas Buchwald nicht mehr, die von ihm verlangten Aufgaben zu bewältigen. Auf der Arbeit kommt er zu spät, weil er sich nicht vom Spiel lösen kann.
Ihm wird zunehmend gleichgültig, wie es seiner Familie geht. Statt an seiner Abschlussarbeit zu schreiben, spielt er weiter. Letztlich fällt er durch. Soziale Kontakte, Sport, Körperhygiene – „ich habe alles vernachlässigt“, sagt der 28-Jährige.
Ein Zustand, der auch nicht mehr vor der Familie zu verbergen ist. „Wenn du Hilfe brauchst, helfe ich dir“, soll sein Vater gesagt haben. Für Niklas Buchwald ist es wie ein „Weckruf“. Von seinem Hausarzt wird er vor drei Jahren an das Alexianer Bürgerhaus als Zentrum für Abhängigkeitserkrankungen in Rheinhausen verwiesen.
In Gruppen- und therapeutischen Einzelgesprächen versucht er, einen Weg aus der virtuellen Welt zu finden. Phasenweise gelingt es ihm, doch es gibt Rückfälle, gerade während Corona. Im Januar erlebt er ein Tief, geht nach langem Spielexzess für vier Tage in eine Klinik. Dadurch sei er „wachgerüttelt“worden.
Studie Laut DAK-Gesundheit und des Deutschen Zentrums für Suchtfragen legen bis zu 465.000 Jugendliche zwischen zwölf und 17 bei Computerspielen ein auffälliges Verhalten bis hin zur Sucht an den Tag. Sie gelten als Risiko-Gamer.
Signale Zu den Symptomen zählen ein Kontrollverlust über das Spielverhalten. Betroffene schaffen es nicht, ihr Verlangen nach Computerspielen einzuschränken. Sie setzen sich keine Grenzen und werden gedanklich vereinnahmt.
Seit Februar hat er laut eigenen Angaben nicht mehr gespielt. Zwölf Wochen Reha, in der es nicht nur um das Symptom, die Computerspielsucht, sondern auch um tieferliegende psychische Probleme im realen Leben geht, liegen hinter ihm. Während dieses Aufenthaltes gelingt es ihm, seinen Spielaccount zu löschen. All seine gespeicherten Erfolge, letztlich seine Identität der vergangenen Jahre, hat er mit wenigen Klicks ausradiert. „Ich war stolz und habe unglaublich viel geweint“, sagt der 28-Jährige.
Game Over. Das Spiel ist aus, Niklas zurück im Leben. Der Student führt nicht nur ein freiwilliges Ehrenamt aus, sondern ist auch in einem Verein für Kampfkunst aktiv. „Ich habe auch engeren Kontakt zu meinen Arbeitskollegen.“Anderen pathologischen Spielern rät er, über Probleme zu sprechen und sich Hilfe zu holen.