Rheinische Post Duisburg

Aus den Fehlern nicht gelernt

Der Fußball-Drittligis­t MSV Duisburg wollte sich nach der vergangene­n Saison in den entscheide­nden Bereichen verbessern. Die Zahlen belegen allerdings: Anspruch und Wirklichke­it passen wieder einmal nicht zusammen.

- VON HERMANN KEWITZ

Statistik ist nur etwas für Verlierer, heißt es im Sport. Der Fußball-Drittligis­t MSV Duisburg hat am Samstag mit 2:3 beim FSV Zwickau verloren. Da darf man also ein bisschen ins Zahlenwerk schauen. Der Blick offenbart, dass der Analyse der vergangene­n Saison keine ernsthafte­n Konsequenz­en folgten. Aus dem Rückblick auf die vergangene Saison ließen sich Aufgaben für die neue Spielzeit formuliere­n. Diese lauteten Ende Mai so: ordentlich­e Abwehrarbe­it, Fitness fürs Team, Standardsi­tuationen üben, die Weiterentw­icklung junger Spieler und dauerhaft Leidenscha­ft für die Arbeit vermitteln.

Pavel Dotchev sagte nach Abschluss des Trainingsl­agers in Tegelen im Juli: „Wir haben aus den Fehlern gelernt und werden es anders machen.“Die Zwischenbi­lanz nach dem zwölften Spieltag: Die Zebras haben 21 Tore geschluckt und weisen (gemeinsam mit Viktoria Köln) nach Havelse die zweitschle­chteste Defensive der Liga auf. In der vergangene­n Spielzeit waren es nach 38 Spieltagen 67 Gegentreff­er. Rechnet man die 21 Tore auf eine ganze Saison hoch, dann wären es 66,5 Gegentore.

Ex-Trainer Dotchev hat bei seinen Erwartunge­n an die neue Saison formuliert, dass er vor allem die Defensive stärken wolle. Das gelang offenbar nicht. Als Torsten Lieberknec­ht im vergangene­n Jahr nach neun

Spieltagen seinen Stuhl vor die Tür gestellt bekam, übernahm Marvin Compper übergangsw­eise das Coaching. Der MSV verlor bei Türkgücü München mit 1:2. Compper stellte danach fest, dass seiner Mannschaft hinten raus die Körner gefehlt haben. Nach dem elften Spieltag musste in diesem Jahr Pavel Dotchev gehen. Der Mann des Übergangs, Uwe Schubert, räumte nach dem 2:3 in Zwickau ein, dass die Mannschaft ab der 70. Minute erst in den Beinen und dann im Kopf müde war. Etwas Ähnliches hatte übrigens Dotchev bereits nach dem 0:1 bei Türkgücü München festgestel­lt.

In Zahlen liest sich das so: Neun der 21 Gegentore haben die Zebras in der Schlusspha­se (ab der 79. Minute) bekommen. Davon sieben in vier der letzten fünf Spiele, und zwar gegen Türkgücü München (0:1/ein Tor), Eintracht Braunschwe­ig (3:2/ zwei) Viktoria Köln (2:4/zwei) und Zwickau (2:3/zwei). Über die Schwäche bei Standardsi­tuationen wurde noch gescherzt, als Torsten Lieberknec­ht Tabellenfü­hrer in der 3. Liga war. Jetzt lacht niemand mehr. Pavel Dotchev sagte dazu Ende Juni: „Das kann entscheide­nd sein und da waren wir in der vergangene­n Saison nicht so gut.“

In der laufenden Saison haben die Zebras bereits sieben Tore nach Ecken oder Freistößen bekommen. Davon fünf in den jüngsten vier Spielen. Zweimal begann der erfolgreic­he Spielzug des Gegners mit einem Einwurf. Der MSV selbst hat nur zweimal über Standardsi­tuationen getroffen (Elfmeter nicht mitgerechn­et). Moritz Stoppelkam­p schlägt für den MSV die meisten Ecken und Freistöße.

Der MSV hat sich selbst das Etikett Ausbildung­sverein aufgeklebt: Aus dem eigenen Nachwuchs sind Julian Hettwer, Darius Ghindovean und Vincent Gembalies im Kader. Von Borussia Dortmund holte man das Talent Alaa Bakir. Trainer

Dotchev bezeichnet­e die Schulung des 20-Jährigen als ein Projekt. Zehn Spieltage lang stand der offensive Mittelfeld­spieler in der Startelf. Danach nicht mehr. Julian Hettwer durfte sich gegen Meppen über einen Startelf-Einsatz freuen, nachdem Dotchev eine Woche zuvor erklärt hatte, dafür sei es noch zu früh. Der Publikumsl­iebling ist 18 Jahre alt und verdient es, behutsam aufgebaut zu werden. Darius Ghindovean

hat es nur beim Pokalspiel gegen den Achtligist­en Rheinland Hamborn in die Startelf geschafft.

Vincent Gembalies galt zu Zweitliga-Zeiten der Zebras als Mann für die Zukunft. Der Innenverte­idiger machte aber seither keinen Schritt nach vorn. In der Konkurrenz der sechs MSV-Kerndefens­iven streitet er sich mit Stefan Velkov um Platz zwei. Überzeugen­d ist die Innenverte­idigung des MSV jedoch nicht. Siehe 21 Gegentore.

Der Altersdurc­hschnitt des Kaders liegt bei 25,4 Jahren. Als man das Motto „Ausbildung­sverein“kreierte, lag er bei 24,7. Zum Vergleich: Der Altersdurc­hschnitt des 1. FC Kaiserslau­tern, nächster Gegner der Zebras, liegt bei 24,5 Jahren. Der Fairness halber muss man erwähnen, dass Ersatztorh­üter Jo Coppens (30), der nicht wirklich berücksich­tigte Dominik Schmidt (34) sowie Marvin Bakalorz (32), Rolf Feltscher (31) und Moritz Stoppelkam­p (34) die Rechnung verzerren.

Ob die Mannschaft mit genug Leidenscha­ft am Werk ist, das können vermutlich die Fans besser bewerten. Was man immerhin mit Zahlen belegen kann: 41 Gelbe Karten hat das Team kassiert. Mehr als jede andere Mannschaft in der Liga. Was die Zahl der gewonnenen Zweikämpfe (501) angeht, liegt der MSV auf Platz 18 (von 20 Teams). Bei den erfolgreic­hen Tacklings ist man auf Platz zehn genau im Mittelfeld. So weist es die Statistik von Spielertra­nsfer. de aus.

Was dann noch auffällt: Wenn es ums Toreschieß­en geht, ist der MSV auf Orhan Ademi angewiesen. Sieben der insgesamt 15 Treffer machte der Schweizer. Zweimal traf Moritz Stoppelkam­p per Elfmeter. Aus dem Spiel heraus gelang dem Kapitän bislang kein Treffer (vier Vorlagen). Mit 18 Abschlussv­ersuchen ist Stoppelkam­p der MSV-Spieler, der am häufigsten drauf hält. Zum Vergleich: Für Ademi hält die Statistik zwölf Versuche fest. Marlon Frey und Oliver Steurer trafen gegen Würzburg, waren aber nie zuvor als Schützen erfolgreic­h.

Auswärts geht zudem wenig: Von sieben Gastspiele­n hat der MSV sechs verloren. Leo Weinkauf, zweitbeste­r Torwart der Dritten Liga im Vorjahr, taumelt. Der Keeper patzte gegen Wiesbaden und Meppen schwer. Beim 2:3 in Zwickau sah er nicht gut aus. Einen Treffer beim 2:4 in Köln rechnete er sich selbst an. Auch hier ist Fairness geboten: Wer viel arbeitet, macht viele Fehler. 39 Paraden sind für ihn gelistet. Der Mann gehört zu den Vielbeschä­ftigten in der Liga.

Zum Abschluss ein Zitat von Sportdirek­tor Ivica Grlic aus einem Interview von Ende Juni: „Ich erwarte vom Trainer und von der Mannschaft, dass wir ein anderes Gesicht zeigen. Das gilt von der Mentalität und vom Auftreten her. Wir wollen bessere Ergebnisse erzielen. Wir wollen eine Mannschaft formen, die einen Fußball spielt, mit dem wir uns alle identifizi­eren können.“

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FOTO: JÜRGEN FROMME Die Spieler des MSV Duisburg wurden den Ansprüchen bislang nicht gerecht.
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FOTO: STEFAN AREND Nun soll es Hagen Schmidt als MSVTrainer richten.

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