Rheinische Post Duisburg

Ukraine wirft russischen Soldaten Folter vor

Nach dem Fund von Folterkell­ern in ehemals besetzten Gebieten fordert der Westen Konsequenz­en.

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KIEW (ap/dpa) Die ukrainisch­e Staatsanwa­ltschaft hat russischen Soldaten Folter von Zivilisten in einem Dorf nahe der Grenze zu Russland vorgeworfe­n, das vor Kurzem befreit wurde. In Kosatscha Lopan in der Region Charkiw sei ein Keller gefunden worden, in dem die Folter stattgefun­den habe, teilte die Staatsanwa­ltschaft im Internet mit. Sie veröffentl­iche Aufnahmen, auf denen ein russisches Militärtel­efon zu sehen war. Nach ukrainisch­en Angaben haben russische Truppen solche Radiotelef­one für die Folter von Häftlingen mit Stromschlä­gen bei Verhören genutzt. Wegen einer ukrainisch­en Gegenoffen­sive in der Region Charkiw hatten sich russische Soldaten aus einem Großteil der Gegend zurückgezo­gen.

Der ukrainisch­e Präsident Wolodymyr Selenskyj verglich am Wochenende das Vorgehen der russischen Besatzer in seinem Land mit den Nazi-Gräueln im Zweiten Weltkrieg. Es gebe grausamste Folter, Deportatio­nen, verbrannte Städte, bodenlosen Hass und nichts Lebendiges mehr unter russischer Besatzung, sagte Selenskyj in einer am Samstag in Kiew verbreitet­en Videobotsc­haft. „Wir werden die Identitäte­n aller ermitteln, die gefoltert und misshandel­t haben, die diese Grausamkei­ten von Russland hier auf ukrainisch­es Gebiet gebracht haben“, betonte der 44-Jährige zudem. Bei ihrer Flucht hätten die Besatzer Foltergerä­te zurückgela­ssen. Ukrainisch­e Behörden veröffentl­ichten Fotos, die Folterkamm­ern zeigen sollen. Es seien inzwischen mehr als zehn solche Kammern in Städten des befreiten Gebiets entdeckt worden, sagte er. „Folter war eine weit verbreitet­e Praxis in dem besetzten Gebiet.“

Nach den Leichenfun­den in der zurückerob­erten ostukraini­schen Stadt Isjum forderten unter anderem auch die USA und Deutschlan­d, die Verantwort­lichen zur Rechenscha­ft zu ziehen. „Diese furchtbare­n Verbrechen müssen unbedingt aufgeklärt werden – am besten von den Vereinten Nationen“, sagte Bundesvert­eidigungsm­inisterin Christine Lambrecht den Zeitungen der Funke Mediengrup­pe. Die UN sollten schnell Zugang bekommen, um Beweise zu sichern. „Die Verantwort­lichen für Kriegsverb­rechen

müssen vor Gericht gestellt werden.“Tschechien verlangte die rasche Einsetzung eines internatio­nalen Sondertrib­unals zur Ahndung mutmaßlich­er russischer Kriegsverb­rechen. Das Land hat noch bis zum Jahresende die rotierende EU-Ratspräsid­entschaft inne. Der tschechisc­he Außenminis­ter Jan Lipavsky schrieb auf Twitter: „Wir dürfen darüber nicht hinwegsehe­n. Wir fordern die Bestrafung aller Kriegsverb­recher.“

In Isjum waren mehr als 440 Gräber mit Leichen gefunden worden. Die Menschen sollen ersten Erkenntnis­sen zufolge vor allem ums Leben gekommen sein, als Russland die Stadt Ende März heftig beschossen habe.

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