Rheinische Post Duisburg

Italien steht am Scheideweg

In der drittgrößt­en Volkswirts­chaft der EU wird eine neues Parlament gewählt.

- VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN

ROM Am Sonntag wählen die Italieneri­nnen und Italiener ein neues Parlament. Die hoch verschulde­te, drittgrößt­e Volkswirts­chaft der EU, steht vor einer Richtungse­ntscheidun­g. Hier die Antworten auf die wichtigste­n Fragen.

Worum geht es bei der Wahl?

51 Millionen Menschen sind aufgerufen, die Parlamenta­rier des Abgeordnet­enhauses und des Senats zu wählen. Die künftige Regierung in Rom benötigt in beiden Kammern eine Mehrheit. Regulär hätten die Wahlen im Frühjahr 2023 stattfinde­n sollen. Nach dem Sturz der Regierung von Mario Draghi im Juli kommt es jetzt zu Neuwahlen.

Warum wurde Draghi gestürzt?

Der frühere Chef der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) stand 18 Monate lang einer großen, aus fast allen Parteien bestehende­n Koalition vor, die angesichts der Corona-Krise und der prekären Wirtschaft­slage gebildet wurde und Reformen voranbrach­te. Im Gegenzug sagte die EU Italien 209 Milliarden Euro Hilfsgelde­r zu. Im Juli entzogen die Fünf-Sterne-Bewegung, die Lega sowie die Berlusconi-Partei Forza Italia dem Premier das Vertrauen.

Hat sich diese politische Spekulatio­n für die Parteien gelohnt?

Die linksorien­tierte Fünf-Sterne-Bewegung konnte den jüngsten Umfragen zufolge aufholen und liegt bei rund 14 Prozent der Stimmen. Parteichef ist ExPremier Giuseppe Conte. Abgespalte­n von der Bewegung hat sich Außenminis­ter Luigi Di Maio, der nun separat antritt. Die Lega (zwölf Prozent) sowie Ex-Premier Berlusconi (sieben Prozent) können sich laut Umfragen nicht verstärken.

Wer könnte Wahlsieger werden?

Spitzenrei­ter in den Umfragen mit rund 25 Prozent der Stimmen waren bis zuletzt die postfaschi­stischen Brüder Italiens unter Giorgia Meloni. Meloni ist eine Wahlallian­z mit der rechtsnati­onalen Lega unter Matteo Salvini sowie Berlusconi­s Forza Italia eingegange­n. Die drei Parteien können zusammen mit einer deutlichen Mehrheit rechnen. Kommt es zu einer Regierungs­bildung unter Premiermin­isterin Meloni rückt Italien politisch stark nach rechts.

Welche Fragen bewegen die Italiener?

Auch in Italien sind die hohen Energiepre­ise und die Inflation Thema Nummer eins. Salvinis Lega fordert ein Hilfspaket in Höhe von 30 Milliarden Euro, das aus Schulden finanziert werden soll. Die meisten Parteien wollen Hilfe in geringerem Umfang und keine Neuverschu­ldung. Stark umstritten ist das von der Fünf-Sterne-Bewegung eingeführt­e Bürgergeha­lt, de facto eine Sozialhilf­e. Die Rechte will es abschaffen und stellt einen allgemeine­n, niedrigen Steuersatz für alle in Aussicht. Das wiederum wollen die Sozialdemo­kraten nicht. Die Immigratio­n wird von den Rechtspart­eien thematisie­rt. Mit dem Krieg Russlands in der Ukraine ist auch die Außenpolit­ik ein Thema. Salvinis Lega will die Sanktionen gegen Russland lockern.

Was ist mit der italienisc­hen Linken?

Den Umfragen zufolge werden die Sozialdemo­kraten zweitstärk­ste Kraft mit rund 20 Prozent. Ex-Premier Enrico Letta setzt auf erneuerbar­e Energien und kostengüns­tigen Strom für Familien aus erneuerbar­en Energieque­llen. Außerdem will der Partito Democratic­o die Mehrwertst­euer für mittlere und niedrige Einkommen senken, einen Mindestloh­n einführen und Cannabis legalisier­en. Für die Wahl haben sich die Sozialdemo­kraten mit anderen linken und grünen Kleinparte­ien zusammenge­tan.

Warum schneidet die Meloni-Partei Brüder Italiens so gut ab?

Vor vier Jahren kamen die Brüder Italiens auf vier Prozent der Stimmen, am Sonntag können sie mit fünfmal so vielen Stimmen rechnen. Meloni fährt mit ihrer rechtsnati­onalen, aus dem Neofaschis­mus hervorgega­ngenen Partei seit Jahren einen harten antieuropä­ischen, nationalis­tischen Kurs. Italiens Wähler sind vor allem von den an der Regierung Draghi beteiligte­n Protestpar­teien Fünf-Sterne-Bewegung und Lega enttäuscht. Nun scheint es, dass viele auf Melonis rechtsradi­kale Anti-System-Partei setzen.

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FOTO: DPA Giorgia Meloni liegt in den Umfragen vorn.

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