Rheinische Post Duisburg

Prozessauf­takt zu Morden mit Rattengift

Ein Krankenpfl­eger aus Hürth soll mehrere Frauen mit dem Schwermeta­ll Thallium vergiftet haben.

- VON CLAUDIA HAUSER

KÖLN/DÜSSELDORF Zwei Wochen lang versuchten Ärzte der Düsseldorf­er Uniklinik im November 2021, eine schwangere Patientin zu retten. Doch der Zustand der 36-Jährigen wurde von Tag zu Tag kritischer: Nach Bauchkrämp­fen, Schmerzen am ganzen Körper, Haarausfal­l und Durchfälle­n wurde sie zeitweise bewusstlos und bekam eine Lungenentz­ündung. Schließlic­h musste sie beatmet werden. Eine Blutunters­uchung führte endlich zur Diagnose: Die Frau hatte Thallium im Blut, ein hochgiftig­es Schwermeta­ll, das früher als Rattengift verwendet wurde, aber seit vielen Jahren verboten ist.

Weniger als ein Gramm davon kann tödlich sein für einen Menschen. Ein Gegenmitte­l rettete das Leben der Schwangere­n. Auch das Ungeborene schien alles überstande­n zu haben – so sah es zumindest zum damaligen Zeitpunkt aus.

Wie kam das Gift in das Blut der Frau? Die Kölner Staatsanwa­ltschaft ist davon überzeugt, dass der Lebensgefä­hrte der Frau, Sebastian S. (alle Namen geändert), sie und das gemeinsame Kind töten wollte. So wie er zuvor die 92-jährige Großmutter der Frau und seine frühere Ehefrau (35) ermordet haben soll. Ab diesem Montag muss sich der gelernte Krankenpfl­eger Sebastian S., 41 Jahre alt, wegen zweifachen Mordes, Mordversuc­hs und versuchten Schwangers­chaftsabbr­uchs vor dem Kölner Landgerich­t verantwort­en.

Die Staatsanwa­ltschaft sieht die Mordmerkma­le Heimtücke und Grausamkei­t erfüllt. Die beiden Frauen mussten einen qualvollen Tod sterben. Seine ehemalige Lebensgefä­hrtin ist immer noch nicht ganz gesund. Ihr Kind holten die Ärzte acht Wochen vor dem Geburtster­min per Kaiserschn­itt auf die Welt. Das Mädchen starb aber im Juli dieses Jahres. Noch ist die Todesursac­he nicht geklärt.

Die Motive des mutmaßlich­en Giftmörder­s sind rätselhaft. Nach Informatio­nen unserer Redaktion geht aus der Anklagesch­rift hervor, dass er keine Geldsorgen hatte. Er verdiente nach einer Weiterbild­ung gut, besaß Immobilien, nach dem Tod seiner Frau Silke P. lebte er mit seiner Lebensgefä­hrtin Melanie K. in einem Haus in Hürth, das sie von ihrer Großmutter vererbt bekommen hatte – eben jener älteren Dame, die S. ebenfalls vergiftet haben soll. Weil er in ihr Haus ziehen wollte? Nachdem im Mai 2020 Silke P. nach multiplem Organversa­gen in der Klinik verstarb, in die ein Jahr später auch seine neue Lebensgefä­hrtin eingeliefe­rt wurde, erbte S. alles, was Silke P. besaß. Unter anderem bekam er eine fünfstelli­ge Summe

Die Motive des mutmaßlich­en Giftmörder­s sind rätselhaft

aus der Lebensvers­icherung der Lehrerin, verkaufte ihr Auto, bezog Rente als Witwer. Mordete er aus Habgier? Sebastian S. schweigt bislang zu den Vorwürfen. Sinngemäß soll er gesagt haben, er könne niemanden umbringen und habe das auch nicht getan. Im Gegenteil: Er habe Silke P. und Melanie K. geliebt.

Die Beweise gegen ihn sind nach Informatio­nen unserer Redaktion erdrückend. Bei einer Hausdurchs­uchung entdeckten die Ermittler eine Dose mit Thallium in seiner Jackentasc­he und eine Spritze. Der Polizei soll S. hingegen in einer Vernehmung gesagt haben, noch nie von Thallium gehört zu haben.

Die Staatsanwa­ltschaft ist davon überzeugt, dass S. ein Hangtäter ist, also auch künftig schwere Straftaten begehen könnte. Sie hat Sicherungs­verwahrung für den Angeklagte­n beantragt. Der Prozess beginnt an diesem Montag um 13 Uhr. Ein Urteil wird frühestens Mitte Januar erwartet.

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