Borussias aufregender Sieg gegen Leipzig
Die Anfeindungen gegen Max Eberl überlagern bei Gladbachs 3:0-Sieg gegen RB die sportliche Leistung.
MÖNCHENGLADBACH Vor drei Jahren schaffte Borussia Mönchengladbach den Durchbruch unter ihrem neuen Trainer etwas plakativer. Mit einem 5:1 gegen den FC Augsburg stürmte Marco Roses Mannschaft am siebten Spieltag an die Tabellenspitze, wo sie sich zehn Wochen halten sollte. Dass Borussia nach einem 3:0 gegen RB Leipzig nun vier Punkte weniger auf dem Konto hat als damals, sollte die Bedeutung des Sieges jedoch nicht schmälern. Vielleicht wird der 17. September 2022 als Tag in Erinnerung bleiben, an dem unter Daniel Farke der Knoten so richtig platzte.
„Solche Leuchtturm-Spiele geben Mut und Vertrauen in das, was wir wollen“, sagte Farke und fand, nachdem die Fans ihn und sein Team ausgiebig gefeiert hatten, offenbar den Zeitpunkt gekommen, um die Euphorie ein wenig einzudämmen: „Trotzdem ist es ein Prozess, ich habe auch heute kein perfektes Spiel gesehen und Dinge, wo wir uns noch verbessern können. Diesen Standard müssen wir auch gegen Gegner, die etwas anders spielen, wieder erreichen.“
Unter Rose hatten die Spieler 2019 noch drei Tage vor dem Durchbruch-Spiel zusammengesessen in einem Hotel in Istanbul. Stefan Lainer, wie der Trainer ein Zögling des RB-Imperiums, musste die Kollegen einschwören auf den neuen Pressing-Stil. Als Farke das 3:0 gegen Leipzig einordnete, saß Rose – seit drei Spielen Trainer in seiner Heimatstadt – schon nicht mehr neben ihm, weil der Flieger wartete. Schneller Abgang statt Überfallfußball. Die neue (und stilistisch ja alte) Borussia hatte ihrem Ex-Coach die Rückkehr so sehr vermiest, dass der fast schon dankbar zu sein schien für derart viele Ansatzpunkte für die Trainingsarbeit.
„Wir haben gegen eine TopMannschaft ein super Spiel gemacht. Ich war vor allem zufrieden mit der Gier, zu Null zu spielen“, sagte Farke. In den vergangenen fünf Spielen ist seine Mannschaft nur einmal aus dem Spiel bezwungen worden. Die bislang einzige Niederlage gab es in Unterzahl gegen Mainz nach einem Freistoß-Traumtor. Einer der wenigen Vorwürfe, die Farke seinen Borussen machte, war ein untypischer: „Ich fand uns fast etwas zu gierig.“Jonas Hofmann traf doppelt in der ersten Hälfte, Ramy Bensebaini chippte den Ball Anfang der zweiten ins Tor, nachdem Leipzig den Druck erhöht hatte. In dieser Phase das Spiel zu entscheiden, statt zu wanken, war wohl der größte Fortschritt – auch zum weniger furiosen zweiten Rose-Jahr.
Schon in der WM-Pause vor Weihnachten könnte ein Kalender mit den besten Farke-Sprüchen im Borussia-Fanshop erscheinen. Vorschlag für den Januar: „Qualität ist Leistung über einen längerfristigen Zeitraum.“Der Trainer referiert ähnlich, wie seine Mannschaft Fußball spielen soll: Ausführliche Antworten, Wiederholungen nicht ausgeschlossen, münden in präzisen Zitaten, die im Kopf bleiben.
Vor-Vorgänger Rose zog die Fans nach einem gar nicht so flüssigen Start mit Siegen auf seine Seite, bei Farke könnte es andersherum laufen. Gewonnen hatte er die Zuneigung schon auf seiner AntrittsPressekonferenz Anfang Juni. „Wir sind weit davon entfernt, uns jetzt als Spitzenmannschaft bezeichnen zu dürfen“, warnt der 45-Jährige. Nach der Länderspielpause könnte mit Spielen bei Werder Bremen, zu Hause gegen den 1. FC Köln und beim VfL Wolfsburg dennoch die erste Erntezeit bevorstehen.
Angesprochen auf die Anfeindungen gegen Rose und vor allem ExManager Max Eberl, antwortete Farke diplomatisch, anstatt pauschal alles zu verteufeln. „Ich war nicht involviert in den letzten zwei Jahren. Deshalbe tue ich mich schwer, Dinge zu bewerten und Menschen, die viele Interna kennen, zu sagen, wie sie sich fühlen sollen und wie sie sich verhalten sollen“, sagte Farke.
Die aufgeheizte Stimmung im Borussia-Park, der bis auf den Gästeblock komplett gefüllt war, schien die Spieler anzutreiben. Im nächsten Heimspiel gegen Köln ist die Motivationsquelle dann eine andere.
Die Verhandlungen zwischen Gladbach und RB bezüglich einer Ablöse für Eberl biegen derweil auf die Zielgerade ein. Auch wenn er theoretisch erst im Mai 2024 erstmals zu Gast sein könnte, darf man schon heute gespannt sein. Auf einem Banner bezeichneten die Gladbach-Ultras Eberl als „charakterloses Arschloch“angesichts des bevorstehenden Wechsels nach Leipzig. Eine Anfrage für ein Statement ließ der unbeantwortet. Im Nachgang waren die Banner ein großes Thema. Dabei hatte diese Borussia-Leistung es verdient, das Sportliche in den Fokus zu rücken.